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Critical Mass: Zwischen Party und Protest

Critical Mass in Hamburg © Malte Hübner
Critical Mass in Hamburg © Malte Hübner

Wer schon immer mal bei Critical Mass dabei sein wollte, hat am heutigen Freitag gute Chancen. In verschiedenen Städten treffen sich am Abend Radfahrer zur gemeinsamen Tour durch die Stadt.

Critical Mass beruft sich auf Paragraf 27 der StVO. Der besagt: Wenn mehr als 15 Radler gemeinsam losfahren, sind sie ein Verband und dürfen auf der Straße fahren. Die Teilnehmer müssen sich an die Verkehrsregeln halten, allerdings gelten für sie ein paar Sonderregeln.

Der Blogger Malte Hübner hat die geltenden Regeln und den Verhaltenskodex von Critical Mass hier übersichtlich zusammengefasst. Besonders wichtig ist das Verhalten an Ampeln: „Sobald das erste Fahrrad der Critical Mass eine grüne Ampel überquert, fährt der gesamte Verband über die Ampel, auch wenn sie zwischenzeitlich auf rot umschaltet. Nähert sich der Verband einer roten Ampel, wartet die gesamte Critical Mass die nächste Grünphase ab“, erklärt Hübner.

Immer wieder gibt es Autofahrer, die sich über den radelnden Verband auf der Straße ärgern. Bei mehr als 1.000 Teilnehmern, die im vergangenen Jahr teilweise in Hamburg unterwegs waren, kann es durchaus sein, dass Autofahrer an Kreuzungen eine Weile warten müssen. Das ärgert einige so sehr, dass sie ausscheren und sich durch die Radfahrer drängeln. Hübner rät zu Ruhe: „Wenn sich Fahrzeuge an Kreuzungen durch den Verband drängeln wollen, so ist es besser, sie durchzulassen als die Situation mit Provokationen weiter zu verschärfen“, schreibt er.

Ein gängiger Vorwurf ist, dass Critical Mass den Verkehr blockiere. Die Teilnehmer halten dagegen: „Wir sind der Verkehr.“ Damit haben sie Recht. Radfahrer sind ebenso Verkehrsteilnehmer wie Autofahrer. Ihnen werden nur oftmals die kurzen komfortablen Wege durch die Stadt verwehrt. Am letzten Freitag im Monat testen sie kurze Zeit, wie es sein könnte, wenn sie gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer wären. Auf den breiten glatten Autospuren dahin zu rollen, ist für die meisten Radfahrer purer Luxus. Dabei sehen Verkehrsexperten zukünftig genau hier ihren Platz: auf der Straße, gut sichtbar für jeden Pkw-Fahrer.

Unmut erzeugt bei manchen Beobachtern oftmals auch der Spaß, den die Teilnehmer auf ihrer Tour offensichtlich haben. Viele schmücken für die Ausfahrt ihre Räder, fahren Hochräder oder mit Musik. Ihr Protest für mehr Platz im Straßenraum gleicht zeitweise einer radelnden Party.

Wer bei Critical Mass mitfahren möchte, findet auf Hübners Blog eine Liste mit Städten, in denen sich Radfahrer regelmäßig spontan zusammen finden. Der Treffpunkt wird jeweils im Laufe des Freitags auf der Facebook Seite veröffentlicht.

Einen Bericht über Critical Mass in Hamburg gibt es hier.

 

Greenwheel in der Warteschleife

Entwickler Michael Lin mit dem Greenwheel © pd-f.de / Gregor Bresser
Entwickler Michael Lin mit dem Greenwheel © pd-f.de / Gregor Bresser

Kommt das Greenwheel noch in Serie auf den Markt? Zwei Mal hieß es schon: Nächstes Jahr ist es soweit – dann kommt das Hinterrad, das aus nahezu jedem x-beliebigen Fahrrad ein E-Bike macht. Dafür sollte das gesamte System von Motor, Akku, Steuerelektronik und Sensoren in der Radnabe integriert werden. Der Clou des Konzepts: Die Elektronik soll per App gesteuert werden, neue Funktionen sollen theoretisch über eine App nachgerüstet werden können.

Jetzt hat aber George Merachtsakis von MTB-Cycletech, der Ziehvater des Projekts, nach vier Jahren Entwicklungsarbeit einen Schlussstrich gezogen und die Zusammenarbeit mit dem Entwickler Michael Lin vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) beendet.

Dabei fing alles so vielversprechend an. Zur Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen hatte das MIT das so genannte Copenhagen Wheel entwickelt. Ursprünglich war es gedacht als einfacher Nachrüstsatz. Die Idee war, Fahrräder mit dem Copenhagen Wheel zu einem E-Bike umbauen zu können. Einige Zeit nach der Konferenz wurden Lin und der Schweizer High-End-Anbieter MTB-Cycletech Partner. Aus dem roten Copenhagen Wheel wurde das grüne Greenwheel.

Seitdem feilten der Patentinhaber Lin und MTB-Cycletech an einem kompletten Rad mit dem Greenwheel-Antrieb, das sie auf den Namen E-Jalopy tauften. Es sollte deutlich mehr können als andere Elektrofahrräder. Das Ziel: das erste serienmäßige E-Bike zu bauen, das eine Vernetzung mit Social-Media-Diensten bietet. Die Möglichkeiten, die so ein E-Bike haben sollte, sieht man hier in dem Video. Eine Idee war, Sensoren im Lenker zu integrieren, die Kohlenmonoxid, Feinstaub und Pollen messen sollten, um dem Fahrer die gesündeste Route anzuzeigen. Für Allergiker eine durchaus nützliche Information.

Doch bis heute hakt es laut Merachtsakis an der Umsetzung. Auch in diesem Jahr gibt es kein serienfähiges E-Jalopy. Merachtsakis glaubt nicht mehr an die Umsetzung der Idee – zudem sei das Greenwheel mit einem 250-Watt-Motor (24 Volt) weit weg vom heutigen Stand der Technik.

Tatsächlich verstärkt sich der Eindruck, dass der technische Fortschritt das Greenwheel-Projekt längst überholt hat. Wer elektrisch unterstützt radeln will, findet ein passendes Rad sicherlich zu einem Preis unter den rund 3.000 Euro, die für das E-Jalopy veranschlagt wurden. Außerdem kann man einige diskutierte Dienste, die das Rad bereitstellen sollte, bereits via Smartphone-Apps oder mit einer simplen Mail lösen. Ein Beispiel war, Straßenschäden fotografieren zu können und direkt an die zuständige Behörde zu melden. Wer ein Smartphone besitzt, kann sofort alle nötigen Infos per Mail an die Gemeinde senden, vorausgesetzt sie besitzt eine entsprechende Meldestelle.

Michael Lin hält jedoch am Greenwheel fest und wird bald mit dem Schweizer Butch Gaudy einen neuen Partner haben. Die beiden kennen sich gut. Gaudy arbeitete viele Jahre bei MTB-Cycletech, er war dort unter anderem Senior-Designer, hat Designpreise erhalten und galt als Visionär der Schweizer Mountainbike-Szene. Im vergangenem Jahr hat er das Unternehmen verlassen. Etwa ab Mitte Mai soll man auf seiner Webseite www.ftw.ch erfahren können, wie es mit dem Greenwheel-Projekt weitergeht.

 

Ein Buch verführt zum Radfahren

© Mairisch Verlag
© Mairisch Verlag

Jeder, der lange Touren bestreitet, kennt diese meditativen Momente auf dem Rad: Wenn die Beine wie ein Uhrwerk treten, sich der Kopf erst leert und irgendwann ein Problem oder eine Aufgabe sich zeigt, die beim Fahren durchgedacht werden will. In dem Buch Die Philosophie des Radfahrens, erschienen im Mairisch Verlag, kann man 15 internationale Autoren eine Weile beim Denken begleiten.

In Kapiteln mit Namen wie Auf die harte Tour …, Aus den Schuhen auf den Sattel oder Außer Kontrolle wird das stundenlange gleichförmige Treten in der Natur zu einem philosophischen Ausflug mit sehr konkretem Bezug zum Radfahreralltag. Die Philosophieprofessoren, Sportjournalisten und Radprofis schreiben über die Ethik von Wettbewerb und Erfolg, Verkehrspolitik im Ausland oder machen einfach nur Lust aufs Radfahren in all seinen Spielarten. Manche Erzählung ist amüsant, und häufig erkennt der Leser sich wieder, etwa wenn Steven D. Hales seine ersten Radreise schildert. Weiter„Ein Buch verführt zum Radfahren“