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Radfahrerinnen vereinigt euch!

Radsport ist Männersport – denken jedenfalls viele. Dabei sind Frauen durchaus anspruchsvoll und erfolgreich auf Rennrad und Mountainbike unterwegs. In gemischten Gruppen sind sie jedoch häufig in der Minderheit, und viele Frauen suchen erfolglos Gleichgesinnte für gemeinsame Ausfahrten. Rapha (Radsportbekleidung) und Specialized (Räder, Komponenten und Fahrradbekleidung) wollen das ändern. Sie organisieren in den kommenden Monaten verschiedene Treffen und gemeinsame Ausfahrten, um Einsteigerinnen und erfahrene Radfahrerinnen zusammenzubringen.

Im vergangenen Jahr hat Rapha zum ersten Mal zur Frauen-Radausfahrt Women’s 100 eingeladen. Rund 4.000 Frauen waren dem Aufruf gefolgt und entweder alleine oder in Gruppen ihre 100 Kilometer gefahren. Die Mitfahraktion für alle rennradfahrenden Frauen weltweit wird am 20. Juli wiederholt. Über die Facebook-Seite oder direkt bei Rapha kann man sich anmelden.

„Es gibt viele sehr starke Frauen, die in Männergruppen unterwegs sind. Manchen ist aber die Hemmschwelle zu hoch“, sagt Rapha-Sprecherin Ricky Buckenlei. „Außerdem ist es schön, wenn man sich mit Frauen austauschen kann. Es macht einfach Spaß gemeinsam unterwegs zu sein“, ergänzt Annegret Ernst, Sprecherin von Specialized. Damit haben die beiden Recht. Die Stimmung in reinen Frauengruppen ist häufig anders als in gemischten Gruppen. Ich höre von vielen Einsteigerinnen oder Frauen, die seit vielen Jahren nicht mehr Rennrad gefahren sind, dass sie es eigentlich gerne ausprobieren würden, aber keine Lust haben, alleine oder mit Männern loszufahren. Für sie ist das Angebot ideal.

Specialized bietet Ende des Monats in verschiedenen Specialized Concept Stores und Fachhändlern einen Women’s Ride Day an. Je nach Umfeld starten die Frauen von dort auf einem Rennrad oder einem Mountainbike. In einigen Läden werden auch Testräder zur Verfügung stehen, aber in erster Linie fahren die Frauen auf ihren eigenen Rädern. Damit sie mitfahren können, müssen sie sich vorab in einem der Concept Stores anmelden.

Den Auftakt der Women’s-Reihe macht am kommenden Mittwoch Rapha mit einem Frauen-Treff in der neuen Europa-Zentrale des Unternehmens in München. Dort werden Mitarbeiter vom Radlabor auf Wunsch Trainingstipps geben, damit sich die Teilnehmerinnen ganz individuell auf Women’s 100 vorbereiten können. Es wird eine Technik-Einheit geben, und außerdem kann an diesem Tag Radsportkleidung anprobiert werden. Das ist durchaus attraktiv, da man Rapha-Produkte sonst nur via Internet bestellen kann. Vor allem geht es aber darum, sich kennen zu lernen, nette Frauen zu finden, mit denen man gerne am Abend oder am Wochenende gemeinsam eine Runde mit dem Rad dreht.

 

Wo wollen wir Rad fahren?

Für das Radfahren ist eine Infrastruktur nötig, in der sich jeder sicher fühlt. Aber wann fühlt man sich sicher? Die gängige Expertenmeinung dazu lautet: Am sichersten sind Radfahrer auf der Straße aufgehoben. Wirklich? Der Geschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, zweifelte das auf dem Berliner Vivavelo-Kongress in dieser Woche an.

„Nur fünf Prozent der Radfahrer fühlen sich laut Fahrrad-Monitor auf ihren Wegen sicher“, sagt der ADFC-Chef. Etwa die Hälfte der Radfahrer fühle sich meistens sicher. Und die anderen?

Untersuchungen zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zeigen laut Stork: Menschen meiden Bus, S- oder U-Bahn, wenn sie sich an den Haltestellen oder auf den Bahnsteigen unsicher und unwohl fühlen. Zwar gebe es keine vergleichbaren Untersuchungen über Radfahrer auf Radwegen und Straßen. Aber dafür sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache. „Alltagsradler fahren im Durchschnitt 3,5 Kilometer weit. Im Jahresdurchschnitt sind es 400 Kilometer“, sagte Stork. Das sei unglaublich wenig. Für ihn ist das vor allem ein Beweis dafür, dass sich die Menschen nicht auf das Rad trauen.

Als Beleg dafür, welche Auswirkungen die Infrastruktur auf Radfahrer haben kann, zitiert Stork eine Untersuchung aus Portland, einer Großstadt im Nordwesten der USA. Roger Geller hat dort vor einigen Jahren die Bevölkerung befragt, ob sie Rad fahren und wie sie sich dabei fühlen. Auf Basis der Antworten hat er vier Radfahrer-Typen identifiziert. Die erste Gruppe fällt in die Kategorie „stark und furchtlos“. Sie umfasst weniger als ein Prozent aller Befragten und besteht fast ausschließlich aus Männern. Die zweite Gruppe radelt „begeistert und souverän“, macht etwa sieben Prozent der Befragten aus und besteht wiederum hauptsächlich aus Männern. Die größte Gruppe (60 Prozent) ist „interessiert, aber besorgt“. Rund 33 Prozent wollen auf keinen Fall beziehungsweise niemals Rad fahren.

Portland Multi-Modal Nexus has the Largest Valet Bike Parking in the U.S. from STREETFILMS on Vimeo.

Die „Interessierten, aber Besorgten“ sind für Stork interessant. Sie fahren Rad, aber nur in ihrem Viertel, wo sie sich einigermaßen sicher fühlen. Ansonsten haben sie Angst. Für Deutschland geht Stork von einer ähnlichen Verteilung aus. Aber: „Radfahren soll keinen Mut erfordern“, sagt er.

In Portland wurde die Infrastruktur von 1999 an stetig ausgebaut. Seitdem wächst die Zahl der Radfahrer stetig. Vielerorts werden die Radfahrer separat geführt, wie der oben stehende Film zeigt. Dort fühlen sich die Radfahrer sicher.

Storks Forderung: Es müsse vollkommen neu darüber nachgedacht werden, wie eine radfahrfreundliche Infrastruktur aussieht, mit der sich Radfahrer wohlfühlen.

Dazu kann ein Blick auf die Radverkehrsführung in den Niederlanden und in Kopenhagen dienen – oder auch in Barcelona, einer Stadt, die noch am Anfang ihrer Radverkehrinfrastruktur steht. Dort wird der Radverkehr auf der Straße klarer von den Autos abgegrenzt als in Deutschland. Für unsichere Fahrer, Ältere und Kinder ist das komfortabel. Müssen Deutschlands Verkehrsplaner also zurück auf Start?

Dieses Video zeigt an verschiedenen Beispielen, wie die Niederlande in einer ihrer „Autostädte“ den Radverkehr führt.

 

Falschparken: Ein Schnäppchen in Deutschland

Immer wieder schauen deutsche Radfahrer neiderfüllt nach Dänemark und in die Niederlande. Dort rollen Politiker und Verkehrsplaner ihren Radfahrern nicht nur auf der Straße den roten Teppich aus. Sie sorgen auch dafür, dass die Wege frei bleiben. Wie der EU-Knöllchen-Report der Agentur für clevere Städte zeigt, greifen die Regierungen dort zu drastischen Mitteln. Weiter„Falschparken: Ein Schnäppchen in Deutschland“