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Aus der Karibik nach Leipzig: Rumtransport per Wind- und Muskelkraft

Die ”Tres Hombres” hat Rum und Kakaobohnen aus der Karibik in die Niederlande gebracht © Poscher
Die ”Tres Hombres” hat Rum und Kakaobohnen aus der Karibik in die Niederlande gebracht © Poscher

Rum und Schokolade aus der Karibik – das klingt nicht nur lecker, sondern hat in der Kombination auch einen Hauch von Exotik. Besonders nachhaltig ist beides jedoch nicht, schließlich ist der Transport aus der Karibik mit hohem Energieaufwand verbunden. Jedenfalls normalerweise. Der Lastenradhändler Eric Poscher hat einen Weg gewählt, der das Siegel „fair transportiert“ durchaus verdient. Die Transportmittel seiner Wahl: Segelschiff und Lastenfahrrad.

Das Lastenrad ist in dieser Geschichte ein nahe liegender Faktor. Poscher verkauft sie seit zwei Jahren in Leipzig. Durch einen Zufall erfuhr Poscher von der „Tres Hombres“. Wie er sagt, ist es das einzige Transportsegelschiff weltweit, und es segelt seit drei Jahren für Fairtransport. Aus der Dominikanischen Republik bringt es Rumfässer und Kakaobohnen mit Windkraft nach Amsterdam. Dort wird der Rum abgefüllt und die Bohnen werden zu Schokolade weiterverarbeitet.

Die Idee, per Segelschiff gelieferten Rum und Schokolade mit dem Rad nach Deutschland zu fahren, fand Poscher verlockend. Allerdings wollte er auch nicht auf 50 Kilo Rum und Schokolade sitzen bleiben. Deshalb startete er bei Crowdfunding eine Unterstützeraktion. Seine Idee fand Liebhaber. Nach neun Tagen hatte er für 1.288 Euro Vorbestellungen für seine Fracht, das waren 83 Prozent mehr, als er brauchte.

In Amsterdam am Hafen hieß es erst mal warten. Die „Tres Hombres“ sollte Montagmorgen einlaufen – doch das Schiff war nicht zu sehen. Es herrschte Flaute.

© Poscher
© Poscher

Letzten Endes fuhren sie mit einem Tag Verspätung los. 863 Kilometer mit jeweils 50 Kilogramm Ware im Gepäck lagen vor ihnen, mit Start in Den Helder und den Etappenzielen Emsdetten, Münster, Osnabrück, Minden, Hannover, Braunschweig, Helmstedt, Magdeburg, Halle und schließlich Leipzig. Sie fuhren mit einem Omnium Cargo, bei dem die Ladefläche über dem Vorderrad platziert ist, und einem französischen Douze Messenger. Besonders das Omnium wirkt auf den Fotos sehr reduziert und geradezu fragil für ein Lastrad. Das liegt wahrscheinlich an dem relativ kleinen Rohrdurchmesser. Der ist möglich, weil beide Räder aus Stahl gefertigt sind.

Trotz der Ladung legten sie 90 bis 120 Kilometer am Tag zurück. Mal bei Sonnenschein und Rückenwind, mal bei strömendem Regen. „In der Schlussetappe schafften wir sogar 25,4 Kilometer pro Stunde über mehr als 60 Kilometer“, sagt Poscher. Die 50 Kilo Zulast sind gut zu fahren. Kurierfahrer sind meistens mit mehr Last unterwegs. Außerdem wurde das Gewicht während der Fahrt immer weniger. Denn einigen Unterstützern konnten sie ihre Bestellungen bereits während der Reise liefern. Für kommendes Jahr ist einer Wiederholung geplant. Und wer will, kann sogar mitfahren.

12 Flaschen und Schokolade hatte jeder Fahrer in seiner Transportbox © Poscher
Zwölf Flaschen Rum sowie Schokolade hatte jeder Fahrer in seiner Transportbox © Poscher

 

Radsport-Roman: Wettkampf unter Freizeitfahrern

Nach seinem ersten Rennrad-Roman Zu spät geschaltet legt Marbod Jaeger jetzt mit Sieg am Timmelsjoch nach. Der Hobby-Rennradfahrer schreibt als Ich-Erzähler über den legendären  Ötztaler Radmarathon. Über 238 Kilometer und etwa 5.500 Höhenmeter führt die Strecke von Sölden im Ötztal über vier Pässe zurück zum Ausgangspunkt. Sieben Stunden brauchen die Schnellsten, die Letzten auch gerne mal doppelt so viel Zeit. Jaegers Held schaffte es nach 9 Stunden und 48 Sekunden zurück nach Sölden. Der Protagonist ist also gut trainiert und seine Rennradfreunde auch.

Um diese Mischpoke geht es in dem Buch. Der Leser begleitet die Fahrergruppe auf den bis zu 18 Prozent steilen Anstiegen und bei ihrem Ritt ins Tal mit über 100 Sachen.

Wie ein Karikaturist skizziert Jaeger treffend die Charaktere seiner Mitfahrer, und so hat der Leser ziemlich schnell im Blick, mit wem er es zu tun hat. Da ist Osenberg, den eigentlich niemand mag, und Eberhard, der unangreifbare Leitwolf, der jedes potenzielle Alphamännchen wegbeißt. Zudem noch Cerny, ehemaliger Profifahrer, dessen beste Zeiten längst vorbei sind. Er wirkt bedeutend gelassener als die anderen, pflegt sein Laissez faire-Image, ist aber ein gerissener Fuchs.

Das sind natürlich nicht alle vom Team. Aber dieser harte Kern kämpft sich mehr oder weniger gemeinsam, sich gegenseitig belauernd, zum letzten Peak des Rennens hoch, dem Timmelsjoch. Die übrigen hat das Quartett schon unterwegs sich selbst überlassen oder erfolgreich abgehängt. Schließlich ist jeder sich selbst der nächste und letztlich soll nur einer gewinnen.

Jaeger hat ein gutes Gespür für Situationskomik. Immer wieder lässt er seinen Ich-Erzähler, während er sich die Straße hinauf quält, assoziieren. Er schweift gedanklich ab und erinnert sich an absurde Albträume, in denen ihm sein Fahrrad gestohlen wurde und er es bereits in Einzelteile zerlegt bei einem Dealer wieder findet. In einem anderen Traum verirrt er sich bei dem Langstreckenrennen von Trondheim nach Oslo auf der Suche nach einer Toilette in einem Supermarkt. In der Nacht vor dem Start träumt er davon, dass er führt, sich aber verfährt und zurück zum Start muss.

Das klingt bizarr, aber beschreibt ziemlich klar die Schwerpunkte im Leben des Protagonisten und seine größte Angst: zum einen das Rennradfahren, zum anderen abgehängt zu werden. Deshalb unterscheiden sich seine Alpträume und die Anekdoten von seinen Trainingstouren auch nur punktuell voneinander.

Außenstehende empfinden den Ich-Erzähler wahrscheinlich als wahnsinnig – sofern sie nett sind. Die weniger Netten titulieren ihn eher als manisch. Ehrgeizige Hobbyrennradfahrer dagegen werden beim Lesen immer wieder wissend nicken und oft breit grinsend: „Ja, ja, so ist das, zwar nicht immer, aber doch häufig.“

Für manche Freizeitfahrer ist die größte Befriedigung bei einem Jedermannrennen, die Kumpel aus der eigenen Mannschaft möglichst weit hinter sich zu lassen. Dafür lässt man dann auch mal eine Verpflegungsstation links liegen, obwohl die Trinkflaschen leer sind, die Trikottaschen auch und die Beine voller Laktat. Aber ein Jedermannrennen ist schließlich kein Abschlussball.

Marbod Jaeger, Sieg am Timmelsjoch, 176 Seiten, Verlag Moby Dick, 12,90 Euro.