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Mountainbiker bei der Waldpflege

© Sandra Jacques
SIS-Teilnehmer beim jährlichen Waldtag © Sandra Jacques

„Wir nutzen den Wald regelmäßig für unseren Sport, also ist es auch selbstverständlich, dass wir uns um ihn kümmern“, sagt Christian Krämer. Er organisiert das Mountainbike-Rennen Schlaflos im Sattel (SIS). Einmal im Jahr trommelt er die Teilnehmer von SIS zusammen, damit sie ihren Gastgebern in Weidenthal helfen, im Wald oder auf dem Sportplatz aufräumen.

Mit dieser Haltung kratzt Krämer an einem Reizthema. Mountainbiken polarisiert. Die einen vertreten die Meinung, Mountainbiker dürften überall fahren, solange sie sich benehmen; die anderen wollen sie auf ausgewiesene Routen verweisen, was viele Mountainbiker ebenso inakzeptabel wie indiskutabel finden.

Krämer will die Radfahrer in die Pflicht nehmen. Sie sollen sich auf ihrem Spielfeld im Wald engagieren. Als Nebeneffekt verspricht er sich davon, dass sie sensibilisiert werden für das Terrain, die Tiere und den Menschen, denen sie im Wald begegnen.

In einigen Regionen kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Radfahrern und Wanderern, Jägern, Förstern oder Joggern. Gern zitiert Krämer in diesem Zusammenhang das „Share the Trail“- Schild der amerikanischen Mountainbiker Organisation IMBA. Die Botschaft ist so simpel, dass es für eine Gesellschaft eigentlich peinlich ist, sie überhaupt äußern zu müssen: Nehmt Rücksicht auf die Schwächeren.

share-the-trail
© IMBA

Ist die Konsequenz aus regionalen Problemen, dass jeder Mountainbiker einmal im Jahr seine Arbeitsstunden im Wald ableisten muss? Eher nicht. Man kann nicht alles professionalisieren. Zudem helfen viele Mountainbiker bereits oder wollen helfen und werden abgewiesen. Womit Krämer allerdings richtig liegt: Menschen sind bereit, sich zu engagieren, wenn sie erkennen, dass die Möglichkeit besteht, etwas mitzugestalten. Allein in Deutschland engagieren sich 36 Prozent der Bevölkerung ab ihrem 14. Lebensjahr ehrenamtlich. Mehr Engagement im Wald würde sicherlich vielen Menschen und dem Wald gut tun.

Über ehrenamtliches Engagement funktioniert auch Krämers Veranstaltung SIS. Seit acht Jahren fahren in Weidenthal in der Pfalz am ersten August-Wochenende rund 500 Menschen auf. Die meisten sind Mountainbiker, im Schlepptau haben sie ihre Liebsten und den Nachwuchs, der beim Kinderrennen am Samstagnachmittag startet. SIS ist eine Mischung aus Mountainbike-Festival und Familienfest. Freitagabends spielt eine Hardrock-Band, Samstagnachmittag gibt es ein Singlespeed-Rennen mit Männern in bizarren Kostümen. Es gibt viele Fahrräder, noch mehr Fachsimpeleien. Und um 20.52 Uhr beginnt dann das, worum es eigentlich geht: die Nachtfahrt durch den Wald bis morgens um 5.59 Uhr.

© Sandra Jacques
© Sandra Jacques

Der Arbeitseinsatz einmal im Jahr ist für viele der Mountainbiker deshalb selbstverständlich. 40 von ihnen standen Pfingstsamstag morgens um 10 Uhr auf dem Weidenthaler Sportplatz. Sie haben Wurzeln entfernt, Geländer gestrichen, einen Hang befestigt und den Platz fürs Sportfest fit gemacht. Bei früheren Einsätzen haben sie verwilderte Wanderwege frei gelegt. „Der Förster sagt uns, was anliegt, und wir machen das“, sagt Krämer.

In Weidenthal reden Radfahrer und Anwohner miteinander, einer hilft dem anderen. So funktioniert Gesellschaft auch im Wald. Den wenigen, die sich im Wald gegenseitig das Leben schwer machen, kann man eigentlich nur zurufen: Entspannt euch! Und es selber besser machen.

© Sandra Jacques
© Sandra Jacques

 

Radfahren wie Mark Twain

Gerald-Hochrad
© Luftlos

„Nimm ein Hochrad. Du wirst es nicht bereuen, falls du es überlebst.“ So lautet der Schlusssatz von Mark Twains Essay Wie man ein Hochrad zähmt. Den schrieb er 1884 – und Twain hat nicht übertrieben. Einige haben sich seinerzeit beim Radfahren lernen das Genick gebrochen. Aber es gab auch andere, wie Thomas Stevens, die auf den Riesenrädern mit Vollgummireifen die Welt umrundeten.

Komfortabel war das sicherlich nicht. Aber selbst nach mehr als 100 Jahren üben die historischen Riesenräder auf viele Menschen noch ihren Reiz aus. Ihre Anhänger sammeln sie, putzen sie heraus und einige wenige fahren damit sogar Touren. Weiter„Radfahren wie Mark Twain“

 

Der Mann für den feinen Unterschied

© The Bike Book - Lifestyle. Passion. Design. published by teNeues
© The Bike Book – Lifestyle. Passion. Design. published by teNeues

Der Sattel ist aus Ziegenfell, Stierhörner ersetzen den Lenker und der Bremshebel kommt aus England und ist eigentlich eine Badezimmer-Armatur. Wer hinter dem Erbauer dieses ungewöhnlichen Fahrrads einen egozentrischen Macho vermutet, liegt falsch. Dirk de Günther ist unglaublich freundlich, zugewandt und neugierig auf sein Gegenüber. Das muss er auch sein. Denn der Wahlberliner baut seinen Kunden Traumräder. Dabei weiß er sogar häufig genauer, wovon sie eigentlich träumen, als die Kunden selbst.

Ein schönes Beispiel dafür ist seine Beratung eines Immobilienmaklers. Als dieser aus seinem Bentley stieg und auf die kleine Manufaktur in Berlin-Charlottenburg zusteuerte, wusste der Fahrraddesigner sofort, was der Kunde für ein Fahrrad brauchte: einen gemufften Rahmen aus den sechziger Jahren, ohne jegliches Plastik, dafür mit Pedalen, Griffen und einem Kettenschutz aus Leder.

Dem Bentley-Fahrer gefiel das – bis er mit de Günther über die Farbe diskutierte. Der Kunde wollte schwarz. Aber sein Gegenüber winkte ab. Das passe nicht zu ihm, er sei nicht so ein kantiger Typ, erklärte de Günther. Der Kunde war skeptisch. Als ihm der Fahrraddesigner dann jedoch erklärte, dass er sicherlich nie schwarze Anzüge trage, sondern dunkelblaue, dunkelbraune oder dunkelrote, hielt der Immobilienmakler inne. So genau hatte ihm ein Fremder noch nie seinen Kleiderschrank beschrieben. Das Rad wurde dunkelblau.

Es sind Nuancen, für Laien oft kaum erkennbar, die den Unterschied ausmachen zwischen schön und perfekt. De Günther ist Fachmann für den feinen Unterschied.

Dirk de Günther vor seinem Laden in Berlin Charlottenburg © Reidl
Dirk de Günther vor seinem Laden in Berlin-Charlottenburg © Reidl

© Deginder Cycle Manufactur
© Deginder Cycle Manufactur

Sein Technikverständnis verdankt Dirk de Günther zum Teil seinem Vater. Der hatte ein Fahrradgeschäft und sein Sohn dadurch Zugang zu den neuesten Modellen – von klein auf. „Meine Mutter sagte immer, dass ich erst Fahrrad fahren und dann laufen konnte“, erzählt er.

Schon als Knirps hatte er eine sehr genaue Vorstellung davon, wie sein Rad aussehen sollte. Nämlich „clean“, wie er sagt. Man könnte auch sagen, der Kleine war ein Purist. Licht, Schutzbleche und Klingel fand er überflüssig und baute sie regelmäßig ab. Zum Ärger seines Vaters, der stillschweigend alles wieder anschraubte. Darüber wunderte sich der Junge zwar, aber es hielt ihn nicht davon ab, es wieder abzuschrauben. „Es war das ein ständiges Hin und Her“, erinnert sich de Günther.

An sein erstes Kinderrad habe er Fußrasten montiert und mit dem Rad Tricks gemacht, erinnert er sich. 50 Meter sei er damit auf dem Hinterrad gefahren. „Ich war natürlich stolz wie Oskar, wenn die großen Jungs gestaunt haben, was ich Knirps alles kann“, sagt er heute.

Als Erwachsener geriet seine Liebe zu Fahrrädern zwischenzeitlich ein bisschen in Vergessenheit. De Günther wurde Kfz-Mechaniker, studierte BWL, arbeitete als Manager in Hamburg und sammelte Autos – englische Oldtimer. Dann machte er sechs Jahre Urlaub. Irgendwann hat er mit seiner Frau eine Modeboutique in Berlin betrieben.

© Deginder Cycle Manufactur
© Deginder Cycle Manufactur

© Deginder Cycle Manufactur
© Deginder Cycle Manufactur

In der Hauptstadt fand er in einer Hecke ein völlig eingewachsenes Rad aus den dreißiger Jahren. Da er sich schon lange wieder ein Fahrrad wünschte, nahm er es mit und putzte es heraus: Der Rahmen bekam einen neuen Lack, die Pedale überzog er mit Leder, ebenso die Griffe und den Sattel. Damit fuhr er durch die Stadt.

Was dann geschah, war für de Günther eine Überraschung: Die Leute auf der Straße sprachen ihn an. Ihnen gefiel das Rad, und sie wünschten sich ein ähnliches. De Günther hörte ihnen zu, machte Vorschläge und baute so erst in Gedanken, später dann in seiner Werkstatt neue Räder auf.

Seitdem hantiert er mit Fahrradrahmen aus dem vergangenen und dem neuen Jahrhundert. Er macht aus alten wie neuen Rädern etwas komplett anderes. Dafür wird geschraubt, gelötet, lackiert, genäht, überzogen, verziert, verchromt und auch mal vergoldet. Wenn die guten Stücke seinen Laden verlassen, sind sie für de Günther „Kunstwerke“.

Inzwischen ist die Deginder Cycle Manufaktur eine bekannte Marke. Seine Räder zieren Designbücher, sie stehen zu Werbezwecken auf Messen und vor Designergeschäften.

Aber unabhängig davon, für wen de Günther ein Rad fertigt: Entscheidend für ihn ist, dass seine Räder zu ihren Besitzern passen und sie glücklich machen. Jeden Tag, bei jeder Fahrt immer wieder ein kleines bisschen aufs Neue.

© Deginder Cycle Manufactur
© Deginder Cycle Manufactur