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Bike-Sharing jetzt auch für Kids

© P'tit Vélib
© P’tit Vélib

Die französische Hauptstadt legt einen neuen Standard vor: Vélib‘, das Pariser Bike-Sharing-System, gibt es jetzt auch für Kinder. Räder in vier verschiedenen Größen stellt der Anbieter dem Nachwuchs seit Mittwoch zur Verfügung. P’tit Vélib‘ heißt die Ergänzung für die Kleinen. Der Bürgermeister von Paris will damit bereits die Kleinsten an das umweltfreundliche Verkehrsmittel gewöhnen.

Die Kinderfahrräder erinnern mit ihrem grauen Styling an ihre erwachsenen Pendants. Zurzeit kann man rund 300 Räder an fünf verschiedenen Standorten mieten. Diese liegen in Parks oder an Uferpromenaden, wo die Kinder entspannt Radfahren können. Weitere Leihstationen werden voraussichtlich noch in diesem Jahr eröffnet. Die Mietpreise sind mit vier Euro (eine Stunde) bis 15 Euro (ein Tag) für ein Kinderrad ziemlich hoch.

Das Modell P’tit Vélib‘ ist noch ausbaufähig. Familien sind mit ihren Kindern in fremden Städten oft benachteiligt. Ob sie nun zum Sightseeing kommen oder am Wochenende zum Einkaufsbummel – während es für die Eltern Räder gibt, haben die Kinder keine Chance auf ein Leihrad. Dabei ist man damit auch als Familie viel einfacher unterwegs und hat meist viel mehr Spaß als in der S- oder U-Bahn. Langsam wäre es an der Zeit, auch Kinder- oder Jugendräder in Bike-Sharing-Systeme zu integrieren. Der Bedarf ist da und wächst stetig.

 

20.000 Radfahrer bei der Hamburger Sternfahrt

Köhlbrandbrücke: Einmal im Jahr für Radfahrer frei © Reidl
Köhlbrandbrücke: Ein Mal im Jahr für Radfahrer frei © Reidl

„Wir wollen nicht schieben, wir wollen fahren“,  sagt der Mann auf dem Trekkingrad, grinst und steigt ab. Aber an fahren ist gerade nicht zu denken. Hunderte von Radfahrern bewegen sich in einem scheinbar nicht endenden Tross auf den Peak der Köhlbrandbrücke zu. Die Stimmung ist gut an diesem Sonntagmittag, obwohl alle immer wieder absteigen müssen, die Alten auf ihren E-Bikes wie die Jungen auf ihren Reiserädern und Choppern, und selbst die, die Singlespeed fahren. Jeder genießt die Freiheit, hier zu sein. Denn normalerweise ist die 53 Meter hohe Brücke, die sich eindrucksvoll über den Hamburger Hafen spannt, für Fußgänger und Radfahrer gesperrt.

An diesem Sonntag ist es mal anders: Anstelle der 30.000 Pkws und Lastwagen, die hier täglich entlang rollen, sind heute nur Radfahrer unterwegs. Mehr als 20.000 ambitionierte Kinder und Erwachsene haben sich vormittags an etwa 60 Standorten rund um Hamburg getroffen, um gemeinsam ins Zentrum zu radeln. Auch meine Familie wollte dabei sein und hat es beinahe nicht geschafft.

Unsere Idee war, mit der Bahn von Buxtehude nach Hamburg-Harburg zu fahren und dort zu starten. Die angegebenen 25 Kilometer bis zur Abschlusskundgebung am Museum der Arbeit schaffen die Kinder locker, dachten wir. Aber als wir am Bahnhof ankamen, fuhr der Zug nicht: Bauarbeiten. Nun gab es nur noch eine Möglichkeit: Die ganze Familie muss in die Pedale treten, um die 17 Kilometer nach Finkenwerder in 50 Minuten zu schaffen.

Blauer Himmel, wenig Wind und dicke weiße Wattewolken: Besseres Wetter kann man sich für eine Ausfahrt durchs Alte Land nicht wünschen. Und so kamen uns auf unserem Spurt gen Sternfahrt jede Menge Radausflügler entgegen. Einige Male habe ich innerlich gezuckt – vielleicht lieber doch umkehren? Die Vorstellung, gemächlich auf menschenleeren Straßen durch die Obstwiesen zu gondeln oder durch schattige Wälder über die Geest, war allemal besser, als die Kinder morgens um 11 Uhr zu Höchstleistungen anzutreiben, um pünktlich den Treffpunkt zu erreichen.

Aber eine Sternfahrt ist nun mal kein Sonntagsausflug. Es ist eine Demonstration: für mehr, bessere und vor allem angemessene Radwege. Hamburgs Radwegenetz ist absurd schlecht und in vielen umliegenden kleinen Städten ist es ebenso. Aus diesem Grund schoben sich in verschiedenen Konvois Tausende von Teilnehmern aus allen Himmelsrichtungen gen Zentrum.

Einmal Platz satt bei der Sternfahrt Hamburg © Reidl
Einmal Platz satt bei der Sternfahrt in Hamburg © Reidl

Die Zahl der Radfahrer bei der Hamburger Sternfahrt wächst stetig. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich ihre Zahl verdoppelt. Berlin ist weiterhin Spitzenreiter. Im vergangenen Jahr sind dort mehr als 200.000 Radfahrer auf die Straße gegangen. Allerdings ist ihre Zahl auch immer stark wetterabhängig. Gerade für Eltern, die ihre Kinder dabei haben, ist die Demo-Fahrt durchaus anstrengend und bei gutem Wetter auf jeden Fall besser machbar als bei Kälte oder Regen. Dann nagt das Stop and Go schnell an der Substanz der Kleinen.

Für das Fahren auf dem oftmals recht begrenzten Raum in dem Gedränge müssen sich die Kinder sehr konzentrieren. Sie müssen permanent auf die anderen Radfahrer achten, was nicht immer einfach ist. Viele Radfahrer, die eine kurze Pause am Fahrbahnrand gemacht haben, fuhren auch an diesem Tag ohne Schulterblick los und nötigten ihre Mitfahrer zum Ausweichen. Andere versierte Fahrer schlängelten sich durch Lücken und erschreckten den ein oder anderen Überholten.

Nach vier Stunden auf der Straße war bei unseren Kindern der Punkt erreicht, auszusteigen. Nachdem sie auf dem kurzen Autobahnstück der gesperrten A255 noch gut dahinrollten, war die Luft beim erneuten Stop and Go in Hamburg-Hammerbrook endgültig raus. Mit uns bogen weitere Familien Richtung Bahnhof ab.

Laut Hamburger Abendblatt forderte Rainer Kulla vom Sternfahrt-Veranstalter mobil ohne Auto bei der Abschlusskundgebung mehr Radstreifen an den Straßen, reparierte Radwege und mehr Raum für Radwege.

Wie so oft in solchen Momenten waren sich alle einig: „Die verkehrspolitischen Sprecher aller fünf Bürgerschaftsparteien schlossen sich den Forderungen weitgehend an“, meldete das Abendblatt. „Gemeinsam forderten sie einen Ausbau der Velorouten und eine Ausweitung des Verleihsystems StadtRad.“ Was der Senat schlussendlich umsetzt und was nur politische Lippenbekenntnisse bleiben, wird sich zeigen.

Immer wieder Stop and Go © Reidl
Immer wieder Stop and Go © Reidl

 

 

Wo wollen wir Rad fahren?

Für das Radfahren ist eine Infrastruktur nötig, in der sich jeder sicher fühlt. Aber wann fühlt man sich sicher? Die gängige Expertenmeinung dazu lautet: Am sichersten sind Radfahrer auf der Straße aufgehoben. Wirklich? Der Geschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, zweifelte das auf dem Berliner Vivavelo-Kongress in dieser Woche an.

„Nur fünf Prozent der Radfahrer fühlen sich laut Fahrrad-Monitor auf ihren Wegen sicher“, sagt der ADFC-Chef. Etwa die Hälfte der Radfahrer fühle sich meistens sicher. Und die anderen?

Untersuchungen zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zeigen laut Stork: Menschen meiden Bus, S- oder U-Bahn, wenn sie sich an den Haltestellen oder auf den Bahnsteigen unsicher und unwohl fühlen. Zwar gebe es keine vergleichbaren Untersuchungen über Radfahrer auf Radwegen und Straßen. Aber dafür sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache. „Alltagsradler fahren im Durchschnitt 3,5 Kilometer weit. Im Jahresdurchschnitt sind es 400 Kilometer“, sagte Stork. Das sei unglaublich wenig. Für ihn ist das vor allem ein Beweis dafür, dass sich die Menschen nicht auf das Rad trauen.

Als Beleg dafür, welche Auswirkungen die Infrastruktur auf Radfahrer haben kann, zitiert Stork eine Untersuchung aus Portland, einer Großstadt im Nordwesten der USA. Roger Geller hat dort vor einigen Jahren die Bevölkerung befragt, ob sie Rad fahren und wie sie sich dabei fühlen. Auf Basis der Antworten hat er vier Radfahrer-Typen identifiziert. Die erste Gruppe fällt in die Kategorie „stark und furchtlos“. Sie umfasst weniger als ein Prozent aller Befragten und besteht fast ausschließlich aus Männern. Die zweite Gruppe radelt „begeistert und souverän“, macht etwa sieben Prozent der Befragten aus und besteht wiederum hauptsächlich aus Männern. Die größte Gruppe (60 Prozent) ist „interessiert, aber besorgt“. Rund 33 Prozent wollen auf keinen Fall beziehungsweise niemals Rad fahren.

Portland Multi-Modal Nexus has the Largest Valet Bike Parking in the U.S. from STREETFILMS on Vimeo.

Die „Interessierten, aber Besorgten“ sind für Stork interessant. Sie fahren Rad, aber nur in ihrem Viertel, wo sie sich einigermaßen sicher fühlen. Ansonsten haben sie Angst. Für Deutschland geht Stork von einer ähnlichen Verteilung aus. Aber: „Radfahren soll keinen Mut erfordern“, sagt er.

In Portland wurde die Infrastruktur von 1999 an stetig ausgebaut. Seitdem wächst die Zahl der Radfahrer stetig. Vielerorts werden die Radfahrer separat geführt, wie der oben stehende Film zeigt. Dort fühlen sich die Radfahrer sicher.

Storks Forderung: Es müsse vollkommen neu darüber nachgedacht werden, wie eine radfahrfreundliche Infrastruktur aussieht, mit der sich Radfahrer wohlfühlen.

Dazu kann ein Blick auf die Radverkehrsführung in den Niederlanden und in Kopenhagen dienen – oder auch in Barcelona, einer Stadt, die noch am Anfang ihrer Radverkehrinfrastruktur steht. Dort wird der Radverkehr auf der Straße klarer von den Autos abgegrenzt als in Deutschland. Für unsichere Fahrer, Ältere und Kinder ist das komfortabel. Müssen Deutschlands Verkehrsplaner also zurück auf Start?

Dieses Video zeigt an verschiedenen Beispielen, wie die Niederlande in einer ihrer „Autostädte“ den Radverkehr führt.