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Wenn sie sich was wünschen dürfen …

… fällt Radfahrern eigentlich immer etwas ein, was ihnen den Weg ins Büro oder im Gelände versüßt. Und bald ist ja Weihnachten! Ein Überblick über einige Wunschzettel:

© Behrensen
Arne Behrensen © Behrensen

Arne Behrensen, VCD-Projektmanager „Lasten auf die Räder“, wünscht sich, dass seine magnetisch betriebene Beleuchtung Magnic Light iC endlich geliefert wird. Er hat sie schon vor einem Jahr bezahlt und bestellt. Magnic Light ist laut Hersteller das erste berührungslose dynamobetriebene Fahrradbeleuchtungssystem ohne zusätzliche Komponenten am Fahrrad. Für das System haben die Macher 2013 einen Ispo Brand New Award erhalten, das ist ein Wettbewerb der Sportartikelindustrie für Jungunternehmer. Die Auszeichnung beruhigt Behrensen etwas, schließlich bekommt er alle paar Monate eine Mail von dem Start-up mit der Information, dass sich der Liefertermin weiterhin verzögert.

Mitte November erhielt er immerhin die Nachricht, dass es bald losgehen soll. Ich drücke die Daumen, dass es bis Weihnachten klappt.

© Lauter
Walter Lauter © Lauter

Vielfahrer Walter Lauter hat da schon ganz andere Vorstellungen. 14.000 Kilometer hat er in diesem Jahr im Fahrradsattel verbracht, davon rund 6.000 auf seinem Fatbike. Die ersten Kilometer fuhr er damit schon im Januar, in Norwegen bei minus 20 Grad. Zwei Jahre lang hat er das Fatbike intensiv genutzt. Jetzt hat er ein paar Ideen, wie es sich darauf noch besser fahren könnte. Der Rahmen des neuen Fatbikes sollte wieder von Surly kommen, dieses Mal aber mit Federgabel, Steckachsen und Carbonfelgen bestückt sein. Außerdem hätte Lauter gerne eine Hinterradnabe die 190mm statt 150mm misst, und 4,8-Zoll-Reifen von Schwalbe. „Die Geometrie wäre an dem Rad sportlicher und damit traillastiger“, sagt Lauter. Allerdings ist sein Traumrad zurzeit zu teuer für ihn.

© Fehlau
Oskar Fehlau © Fehlau

Das Problem haben viele. Oskar Fehlau (13), hat im Frühjahr ein Mountainbike bekommen. Jetzt träumt er von einem Fully unterm Weihnachtsbaum. „Mein Mountainbike finde ich voll cool für Touren und zur Schule“, sagt er. „Aber für Abfahrten und wildes Gelände hätte ich gern ein Fully. Das ist ein völlig anderes Gefühl, man hat einfach richtig Federweg und auch eine Stütze zum Absenken des Sattels. Da merkt man gar nicht, wenn man über Bordsteinkante oder so runterbrettert. Es ist auch etwas total anderes, mit einem so breiten Lenker zu fahren. Dadurch kommt man zwar nicht durch enge Lücken, aber man hat Kontrolle.“

© Sprehe
Rainer Sprehe © Sprehe

Rainer Sprehe, Autor und Inhaber des Covadonga-Verlags, ist mit seinem aktuellen Fuhrpark glücklich. „Irgendwelche Gadgets fürs Rad machen mich nicht wirklich an, also stehen eigentlich jedes Jahr dieselben drei Dinge auf dem Wunschzettel“, sagt er: Wieder ein bisschen mehr Zeit fürs Radfahren als zuletzt, eine Anmeldung für einen netten Radmarathon, auf den er von alleine nicht gekommen wäre, und eine ausreichende Ration Grabber Toe Warmers, um auch ohne lange Rennradpause schmerzfrei und mit ausreichend durchbluteten Zehen durch den Winter zu kommen.

© Jasiunaite
Kristina Jasiunaite  © Jasiunaite

Kristina Jasiunaite ist Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation World Bicycle Relief, die seit 2005 speziell konzipierte Fahrräder in Afrika an Kinder und ausgesuchte Erwachsene vergibt. Sie wünscht sich, dass die Fahrradinfrastruktur verbessert wird und mehr Fahrradwege und Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Ihr zweites zentrales Anliegen ist eng mit ihrem Job verknüpft: Ein stabiles und zuverlässiges Fahrrad könnte vielen Menschen in Entwicklungsländern helfen, ihr Leben aus eigener Kraft zu verbessern. Jasiunaite hofft, dass künftig mehr potenzielle Spender daran denken.

© Ockenga
Hendrik Ockenga © Ockenga

Hendrik Ockenga, Pressesprecher der, Projekt-Mitglied der ‚Open Trails‘-Kampagne zur Abschaffung der 2-Meter-Regel in Baden-Württemberg der Deutschen Initiative Mountainbike, möchte sein Alltagsrad aufrüsten. Für sein Südstern Tourer hätte er gern eine 28er Gabel mit Ein-Zoll-Steuerrohr und Scheibenbremsaufnahme, damit er die Berge in Stuttgart nicht nur hoch-, sondern auch heil wieder runterkommt. Südstern ist eine kleine Marke aus Karlsruhe, die unter anderem Damen- und Herrenräder im Vintage-Stil anbietet, sie aber mit modernen Komponenten ausstattet. „Nur Bremsscheiben fehlen noch“, sagt Ockenga. „Trommelbremsen mögen im flachen Karlsruhe ausreichend sein, in Stuttgart leider nicht.“ Er hat sich sein Südstern im Jahr 2000 von seinem ersten Gehalt gekauft. Nach einem Crash musste vor circa zwei Jahren der Rahmen getauscht werden, alle anderen Komponenten sind noch original.

© Brunn
Ines Brunn © Brunn

Ines Brunn, Kunstradfahrerin und Inhaberin eines Fixie-Ladens in Peking, entdeckt das Fahrrad gerade als Verkehrsmittel für ausgiebige Reisen. „Ich möchte in den nächsten Jahren viel mehr Gegenden der Welt mit dem Fahrrad erkunden“, sagt sie. „Bisher habe ich die meisten Fahrradtouren in China gemacht und dabei mehr von der chinesischen Kultur verstanden und viele interessante Menschen kennengelernt.“ Um wartungsfreier unterwegs zu sein, wünscht sie sich nun eine NuVinci 360 Nabenschaltung mit Adapter für einen Gates Carbon Riemenantrieb.

© Alstin
Terese Alstin © Alstin

Terese Alstin ist eine der beiden Gründerinnen, die den Hövding-Airbag-Helm entwickelt haben. Sie wünscht sich zu Weihnachten einen Sattelüberzug von Apokalyps Labotek. Der Sattelüberzug aus Wolle und Leder ist eine moderne Version des åkdyna. Das sei ein Sitzkissen, das in Schonen, einer Region in Südschweden, traditionell in Kutschen verwendet werde, erklärt sie. Apokalyps Labotek verbindet laut Terese Alstin traditionelle Muster aus Arabien, Polen, dem Balkan und Schweden. Der Sattelüberzug wird lokal produziert und aus recycelten Wolltüchern und Lederresten hergestellt.

© Reidl
Andrea Reidl © Reidl

Ich wünsche mir seit Langem ein Crossrad. Das wird zu Weihnachten sicherlich nicht in unserem Wohnzimmer stehen, aber in den Ferien ist endlich Zeit, sich verschiedene Räder anzuschauen und vielleicht sogar schon mal auszuprobieren. Ansonsten wünsche ich mir dringend neue Winterhandschuhe fürs Rad. Meine Lieblingshandschuhe habe ich auf einer der letzten kalten Touren verloren. Da wir keinen richtigen Fahrradständer haben, finde ich außerdem die Standpumpe von Topeak Transformer X sehr praktisch. Sie ist sowohl Pumpe mit Manometer als auch Fahrradständer für zu Hause oder unterwegs.

 

Mit dem Handbike zurück in die Berge

© Simon Toplak
Felix Brunner auf seinem Handbike-Trike in Colorado © Simon Toplak

Dass jemand auf einer Mountainbike-Strecke die Alpen überquert, ist zunächst mal nicht ganz ungewöhnlich. Außer er ist körperbehindert, wie Felix Brunner. Er fuhr im vergangenen Jahr als erster Rollstuhlfahrer auf MTB-Trails über die Alpen. Sein Verkehrsmittel war ein Offroad-Handbike-Trike, also ein geländetaugliches Dreirad, das allein mit den Armen angetrieben wird. In diesem Jahr war der 24-Jährige mit dem Rad in Colorado unterwegs. Weiter„Mit dem Handbike zurück in die Berge“

 

Eine Deutsche begeistert Chinesen fürs Fixie

Ines Brunn in ihren Fahrradladen © Matjaz Tancic
Ines Brunn in ihren Fahrradladen © Matjaz Tancic

Ines Brunn hätte es einfacher haben können. Als Physikerin hatte sie in Peking einen angesehen und gut bezahlten Job in einem Telekommunikationskonzern. Aber dann beobachtete sie, wie vor ein paar Jahren jeden Monat Radwege in der einstigen Fahrrad-Hauptstadt Peking in Autospuren umgewandelt wurden. Brunn wollte die Zerstörung der fahrradfreundlichen Stadt stoppen und eröffnete in Peking einen Fixed Gear Shop. Sie selbst fährt seit ihrer Kindheit Kunstrad. Früh brach sie mit den starren Regeln des Sports, studierte sehr akrobatische Choreographien ein. Damit ist sie weltweit bekannt geworden und wird heute international engagiert. Radfahren bedeutet ihr immer noch viel. Im Alltag fährt sie am liebsten Fixed Gear (also mit starrem Gang und ohne Freilauf).

Der Schritt raus aus dem sicheren Job rein in die Existenzgründung mit einem Fixie-Shop war insofern ein Schritt, sich wieder mit dem Thema zu beschäftigten, für das sie brennt. Aber es war auch ein Schritt gegen den Mobilitätstrend. Denn 2008 wurden in dem einstigen Fahrradparadies jeden Tag 1.500 neue Autos zugelassen, ein Jahr später waren es schon doppelt so viele. Das kam nicht von ungefähr. Die chinesische Regierung hatte ähnlich wie Deutschland den Autokauf gefördert. Wer sich einen Kleinwagen anschaffte, wurde in der Zeit der weltweiten Wirtschaftskrise mit Prämien und einen Steuernachlass belohnt. „Ich war zehn Tage im Urlaub und anschließend waren 30.000 mehr Autos auf den Straßen. Das spürte man deutlich“, sagt Ines Brunn. Und mit dem Mehr an Autos sank die Zahl der Radfahrer.

Um den Chinesen die Lust am Radfahren wieder näherzubringen, organisierte Brunn zunächst Ausfahrten mit dem Fahrrad. Ihre ausländischen Freunde kamen. Die chinesischen blieben weg. „Glaubst du wirklich, ich bin so arm?“, fragten sie die Deutsche empört, wenn diese sie aufs Radfahren ansprach. „Das Fahrrad ist in China verpönt“, sagt Brunn, „es gilt als das Verkehrsmittel der Armen.“ Dass die Deutsche selbst zu jeder Verabredung mit dem Rad erschien, sahen ihre chinesischen Freunde oft nicht.

„Wenn du etwas ändern willst, musst du einen Fahrradladen aufmachen“, hatte ihr im Sommer 2008 ein guter Freund geraten.© Ines Brunn

© Ines Brunn

Acht Monate hatte sie damals Fixed-Gear-Fahrer gesucht, um mit ihnen durch Peking zu radeln. Mit Hilfe von herkömmlichen Fahrradshop-Betreibern konnte sie fünf aufspüren. Zwei von ihnen hatte sie selbst auf der Straße angesprochen. Sie glaubt, dass es damals auch nur diese fünf Fixed-Gear-Fahrer in der Elf-Millionen-Einwohner-Stadt gab. Einen Shop, der diese Räder verkaufte, den gab es freilich gar nicht.

Je länger sie über den Vorschlag nachdachte, umso einleuchtender fand sie ihn. Für Außenstehende wollte sie das Unmögliche: Chinesen fürs Radfahren begeistern, ihnen Fahrräder verkaufen, die sie cool fanden. Das war damals ein Widerspruch in sich. Aber das war es, was die Deutsche wirklich wollte. Sie kündigte ihren Job und eröffnete ein paar Monate später ihren Fixed Gear Shop „Natooke“.

Der Anfang war zäh. „Die Ausländer waren zwar begeistert“, erinnert sie sich, „aber die Chinesen blieben weg.“ Ab und an verliefen sich einheimische Passanten in den Laden mit den bunten Rahmen und Laufrädern. Aber wenn sie hörten, dass sie nur Fahrräder verkaufte, machten sie auf dem Absatz kehrt. Ihre fünf Fixed-Gear-Fahrer konnten ein paar Freunde animieren, bei ihr Fahrräder zu kaufen, ansonsten lief der Verkauf eher schleppend an.

 © Ines Brunn
© Ines Brunn

Der Imagewandel

Das änderte sich im Sommer 2009. Damals veröffentlichte das Mode-Magazin iLook ein Interview mit ihr. iLook ist laut Brunn ein Trendsetter für Peking. Im Folgejahr zogen weitere Mode-Magazine nach und 2011 posierten die ersten Models für die Fotostrecken bereits mit Fixies. Seitdem werden es immer mehr.

Etwa zu dieser Zeit griff auch die Politik das Thema nachhaltiger Verkehr auf. Der zentrale TV-Sender zeigte ein bis zwei Minuten dauernde Fernsehspots, die die Verkehrsprobleme und die Luftverschmutzung in chinesischen Städten thematisierten. Der neue Kurs sah vor, die Menschen wieder dazu zu ermutigen, der Umwelt zuliebe aufs Fahrrad zu steigen. Auch Ines Brunn wirkte in einem dieser Spots mit.

Und sie ließ nicht locker. Sie wollte die junge Generation erreichen, bei der besonders große und teure Autos beliebt sind. Aber auch Fixies haben ein cooles Image. Und so baute die Deutsche mit einem Freund in einer angesagten Bar zwei Fixies auf und ließ die Gäste auf den Rädern gegeneinander antreten. Die Marketingaktion hatte Erfolg: Die bunten Räder waren nicht nur ein Blickfang, sondern die Gäste kamen auf den Geschmack. „Beim dritten Mal war die Bar gerammelt voll und die Chinesen, die mitmachten, waren alle sehr stolz“, sagt Brunn.

Freitagabends organisiert sie seither regelmäßig einen light ride. Eine entspannte Ausfahrt, um mit dem Irrglauben aufzuräumen, Radfahrer seien langsam. „Chinesen glauben, wenn man mit dem Auto eine Stunde Fahrzeit braucht, sei man mit dem Fahrrad dreimal so lange unterwegs“, sagt Brunn. Tatsächlich lag die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit in Peking im vergangenen Jahr bei etwa 19 km/h. Bei freier Fahrt kann ein Fixie dagegen gut und gerne 30 km/h erreichen – und wenn die Straßen frei sind, dann ist man auf dem Rad tatsächlich beweglicher und schneller.

In letzter Zeit beginnt ein Sinneswandel. China ist wieder fahrradaffiner geworden. „Mittlerweile gibt es etwa 50 Fixed-Gear-Läden in Peking“, sagt Ines Brunn. „Sie sprießen in ganz China wie Pilze aus dem Boden.“ Viele versuchen das schnelle Geld zu machen, aber für viele ist es ebenso wie für die Deutsche ein Lebensgefühl. Außerdem organisieren Fahrrad-Fans in verschiedenen Stadtteilen gemeinsame Ausfahrten, die gut besucht werden.

Wenn Ines Brunn heute in Peking auswärts isst, schnappt sie regelmäßig Gesprächsfetzen auf, in denen es ums Fahrrad geht. „Das macht mich sehr glücklich, sagt sie. Insbesondere weil das Fahrrad als Verkehrsmittel vor sieben Jahren noch ein absolutes Tabuthema war.“