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Angehupt – aus der Sicht eines schnellen Pedelecs

Heute ist es wieder passiert. Ein silbernes Auto hat mich angehupt. Nicht kurz und laut, wie sonst so häufig, sondern diesmal lang und anhaltend. Es war furchtbar. Nun gut, ich bin schreckhaft, vielleicht weil ich so jung bin. Gerade mal ein paar Monate habe ich auf der Felge. Angefangen hat es weit hinter mir – ich ahnte nicht, dass ich gemeint war, schließlich rollte ich mit den anderen Autos einträchtig nebeneinander über den Asphalt. Aber als der Wagen mich laut heulend über die Kreuzung jagte, habe ich es begriffen. Kurz bevor sich die Fahrbahn verjüngte, scherte er vor mir ein. Viel zu eng für meinen Geschmack, aber mich fragt ja eh nie einer.

Als das Auto endlich an mir vorbei war, wollte ich gerne verschnaufen. Meine Fahrerin nicht. Sie schien etwas aufgebracht zu sein. Vielleicht weil die Frau in dem Auto vor uns nun so eindringliche Gesten machte. Erst schüttelte sie wild ihre Faust, dann zeigte sie immer wieder auf den Weg neben der Straße. Ich verstand. „Aber da darf ich doch gar nicht hin“, wollte ich rufen, aber mich versteht ja niemand.

Ich wünschte mir, das silberne Auto düse davon. Meine Reifen – eigentlich prall aufgepumpt – fühlten sich immer noch weich und wabbelig an. Aber meine Fahrerin war erbarmungslos, weiterhin fuhren wir knapp hinter dem Auto her. Endlich bog es ab, aber, oh nein, wir hinterher. Schon stand meine Fahrerin neben dem Auto.

„Darf ich Sie fragen, was das eben sollte?“, fragte sie die Autofahrerin. Die schimpfte los, wir dürften nicht auf der Straße fahren und würden Ärger bekommen, wenn uns die Polizei erwische. Sie schoss eine Salve nach der anderen ab. „Können wir weiter fahren“, schrie ich nun. Aber meine Fahrerin ließ sich nicht beirren. Sie zeigte auf mein Nummernschild und erklärte, ich sei ein Kleinkraftrad, ich müsse auf der Straße fahren. Die Frau war ziemlich alt, sofern ich als S-Pedelec so was beurteilen kann: Sie war runzlig und hatte weiße Haare. Von ihr hätte ich nie erwartet, dass sie mich so anhupt.

Im Nachhinein tat sie mir Leid. Von meiner Art gibt es noch nicht viele, und die Frau verstand das mit dem Nummernschild und der Straße nicht sofort. Rückblickend hat mir unsere Begegnung dennoch Mut gemacht. Sie hat sich entschuldigt, zwar nur ganz leise, aber ich habe es deutlich gehört. Das hat mich gefreut. Das nächste Mal hupt sie mich oder Kollegen von mir sicherlich nicht an, wenn sie uns auf der Straße trifft – hoffe ich jedenfalls.

Wenn ich so alt bin wie die Frau im Auto, wird es von meiner Sorte ganz viele geben. Das hat mir jedenfalls der Mann gesagt, der mich zusammengeschraubt hat. Während er meinen Riemen spannte, erzählte er, dass es bald schnelle Pedelecs in allen Farben gebe und in Designs, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. Irgendwann würden wir über eigene Spuren auf der Straße rollen, extra Pedelec-Spuren, weil wir so viele sind. Es werde von uns Flotten geben, die vor Bahnhöfen stehen, damit man uns mieten kann. Und in großen Unternehmen stünden wir dann in Tiefgaragen trocken und vor Wind geschützt neben schicken Geschäftsautos.

Noch kann ich mir das alles nicht vorstellen. Aber ich muss zugeben: Die Idee gefällt mir ziemlich gut.

 

NRW-Landesregierung sorgt unter Radlern für Aufruhr

Für Wirbel hat Anfang vergangener Woche die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gesorgt. Sie hatte den überaus beliebten Radroutenplaner des Bundeslandes im Internet abgeschaltet – völlig überraschend und ohne die Wander-, Rad- und Touristikverbände vorab zu informieren, die den Planer allesamt verlinkt haben. Die Kritik kam umgehend und vehement, nicht nur von fahrradaffinen Gruppen. Auch in den Landesnachrichten und in der Tagespresse wurde die Landesregierung harsch attackiert. Weiter„NRW-Landesregierung sorgt unter Radlern für Aufruhr“

 

Wunderbare Kurzfilme zeigen den Mikrokosmos zweier Langstreckenfahrer

MELONS, TRUCKS & ANGRY DOGS – Epis. II from e r t z u i ° film on Vimeo.

„Es war eine wilde und inspirierende und auf viele Weise unerwartete Reise“: So beschreibt das Filmteam von ertzui die Dreharbeiten auf seiner Website. Wie treffend diese Beschreibung ist, zeigen die vier Teile der außergewöhnlichen und phantastischen Dokumentation Melons, trucks and angry dogs.

Das ertzui-Team begleitete Recep Yeşil und Erik Nohlin, zwei Radentwickler von Specialized, als sie mit ihrer neuesten Reiserad-Kreation Awol von London nach Istanbul pedalierten. Nicht einfach so, sondern als Teilnehmer des ersten Transcontinental-Rennens. Ich habe bereits im Blog ausführlich darüber berichtet. Jetzt sind die vier Kurzfilme fertig und online. Es sind sehr künstlerische Fahrradfilme mit einer eindrucksvollen Bildersprache.

Ohne Frage ist es ein Irrwitz, diese Strecke in 14 Tagen zurückzulegen. Um die 200 Kilometer jagten Yeşil und Nohlin täglich über Land- oder Bundesstraßen. Zeit zum Verweilen hatten sie nicht. Sie passierten während der Tour 14 europäische Grenzen, schnappten Bruchstücke von Landschaften, Lebensart und Fragmente der jüngsten europäischen Geschichte auf. Die Filme geben diese Eindrücke spotartig wieder.

Ferner dokumentieren sie die Gegensätze der Protagonisten Yeşil und Nohlin. Auch wenn sie in einem Team fahren: Man könnte ihr Rennen als Wille versus Fitness bezeichnen. Aber der untrainierte Yeşil und Nohlin, dessen Beine sein Rad wie eine nimmermüde Maschine antrieben, wollten die Stadt am Bosporus gemeinsam erreichen. Bis sie dort einfuhren, überschritten beide persönliche Grenzen und erlebten Situationen, die sie vorher wahrscheinlich nie für möglich gehalten hätten.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist ihr Treffen auf dem Stilfser Joch (italienisch Passo di Stelvio), dem höchsten Gebirgspass Italiens. Nohlin war fast die ganze Nacht geradelt, ohne Essen. Supermärkte und Restaurants waren noch geschlossen, als er sich morgens an den Anstieg machte. Alles, was er hatte, waren drei Schokoriegel, ein Lolli und eine kleine Tüte Chips. Selbst bei gutem Wetter wären die 48 Kehren bis zum Gipfel unter diesen Bedingungen eine Tortur gewesen. Bei Kälte, Wind und Dauerregen war es für Nohlin ein geradezu mörderisches Unterfangen. „Stelvio kills me“, sagt Nohlin in dem Film und: Der Pass habe ihm ein Teil seiner Radfahrerseele geraubt.

Nach einer heißen Dusche sitzt er, in eine Decke gewickelt, noch immer heftig zitternd in einer Holzhütte auf dem Gipfel, vor ihm eine Familienterrine mit dampfender Suppe. Just in dem Moment kommt Yeşil herein. Durchaus erschöpft, aber in guter Verfassung. Grinsend zeigt er Nohlin die aufgeweichten Innenflächen seiner Hände. „Sie sehen aus, als wärst du seit sechs Monaten tot“, sagt Nohlin, dann schauen sich die beiden an und lachen los.

Melons, trucks and angry dogs sind vier wunderbare Fahrradkurzfilme, die man sich durchaus öfter anschauen kann, da man beim zweiten Hinsehen neue Details entdeckt. Bitte mehr davon.

Hier Episode 1, Episode 2, Episode 3, Episode 4