Lesezeichen
 

Sind die Berliner Ignoranten?

Installationsansicht Breaking the Windows © Feinkost Gallery

Berlin verliert seine Besten – vom Projektraum bis zur internationalen Galerie.

Was passiert eigentlich in dieser Stadt? Im Ausland schwärmt man für die Berliner Kunstszene, liebt die kreative Energie, den chaotischen Charme. Aber anstatt das Potential auszubauen, übersehen wir die spannenden Akteure. Sind sie uns zu anstrengend? Die Galerie Haunch of Venison konzentriert sich künftig auf New York und London. Und es wundert niemanden. Berlin funktioniert nicht als Markt für Global Player. Aber jetzt verschwinden auch noch seine Kunsträume und die jungen Galerien, für die Berlin in der ganzen Welt gehypt wird.

Jüngstes Beispiel: die Galerie Feinkost. Drei Jahre lang zeigte sie exzellent kuratierte Ausstellungen. Die Besitzer Aaron Moulton und Mette Ravnkilde Nielsen haben sich mit ihren kritischen Positionen im vermeintlich versierten Berlin niedergelassen, um nun zu merken, dass die Berliner Anspruch, wenn überhaupt, nur im Museum suchen. Und dann gibt Samsa zum Ende des Jahres seinen Raum in Berlin auf. Der Projektraum hat es mit seinem extravaganten Programm zwar in den Galerieführer Index geschafft. Dennoch blieb Samsa ein Geheimtipp. Bald ist er Geschichte. Alex Müller und Shannon Boll wollen zwar weiter ausstellen, aber die nächste Show wird in Köln sein.

Junge Künstler, Kuratoren und Galeristen in Berlin arbeiten an irgendwelchen „Projekten“ – und treiben sich an den Rand der Erschöpfung. Geld bringt das nicht, Spaß nur bedingt. Natürlich hat das viel mit Idealismus zu tun. Vielmehr gehört es in Berlin aber zum guten Ton, sich für seine Leidenschaft aufzureiben. Berliner Bohème bedeutet Kulturprekariat. Dass das Lebensmodell verbreitet ist, macht es nicht besser.

Es fehlt aber nicht nur an Geld, sondern vor allem an Wertschätzung. Der gemeine Berliner freut sich über die vielfältigen Angebote. Sein Alltag könnte eine ständige Eröffnung sein – aber diese Gewissheit reicht ihm auch schon. Wenn er sich tatsächlich blicken lässt, dann vor allem, um die Freunde auf ein Bier zu treffen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wäre zu viel verlangt. Schade eigentlich.

Die Show Breaking Windows bei Feinkost endet am 21. November. Samsa verabschiedet sich am 17. Dezember aus Berlin.

Galerie Feinkost | Bernauer Straße 71-72 | Berlin Mitte

Samsa | Kollwitzstraße 10 | Berlin Mitte

 

Durchdachte Kunst bei Matthew Bown

Monika Brandmeier zeigt vier Arbeiten in der Matthew Bown Galerie.

Die Objekte der Berliner Künstlerin Monika Brandmeier sind überlegt, konkret und präzise. Brandmeier sucht den „Dialog zwischen der formalen Sprache der Bildhauerei und den Zufällen des wirklichen Lebens“. Das funktioniert ziemlich gut.

Zeitgleich stellt die russische Künstlerin Sasha Auerbakh aus, u.a. eine Anleitung zum Bombenbau.

18 Uhr | 17. November 2010 | Matthew Bown Galerie | Keithstraße 10 | Berlin Charlottenburg

 

Praktische Aufwertung eines theoretischen Modebegriffs

@ Essays and Observations

Essays and Observations hinterfragt die Entwicklung der „site-specificity“

site-specificity ist die dritte Ausstellung der Galerie Essays and Observations. Die Betreiber Matthew Burbidge und Sonja Ostermann suchen die theoretische Auseinandersetzung mit Kunst.

Die Ausstellung soll Möglichkeiten aufzeigen, den Begriff site-spezifisch wieder nutzbar zu machen – nachdem er mittlerweile auf jedes vor Ort installierte Kunstwerk angewendet wird.

Die Künstler Antonia Low, Lauren Brown und Rick Buckley präsentieren Arbeiten, die sich mit dem bestehenden Diskurs über “site-specificity” auseinanderzusetzen.

Auf jeden Fall Zeit mitbringen zum Mitdenken!

19 Uhr | 13. November 2010 | Essays and Observations | Maxstraße 1 | Berlin Wedding

 

TANAS talks Sanat

TANAS erklärt das türkische Kunstgeschehen – und vermittelt Anknüpfungspunkte

Tanas ist das Anagramm von Sanat, dem türkischen Wort für Kunst. Der Projektraum TANAS zeigt seit 2008 zeitgenössische türkische Kunst in Berlin. Zugegeben, Projektraum klingt irreführend. Hier sind Profis am Werk. Die Ausstellungen präsentieren wichtige künstlerische Positionen – gerne auch sozialkritische.

Initiiert hat TANAS René Block, Fluxus-Galerist und ehemaliger Leiter der Kunsthalle Fridericianum in Kassel. Bei DAAD, ifa und als Leiter der Istanbul Biennale 2005 hat Block die türkische Kunst für sich entdeckt. Mit TANAS bietet er jungen Künstlern eine Plattform.

Die aktuelle Überblicksschau Tactics of Invisibility (Strategien der Unsichtbarkeit) entstand in Zusammenarbeit mit den Institutionen Thyssen-Bornemisza Art Contemporary in Wien und ARTER in Istanbul. Die Kuratoren Daniela Zyman und Emre Baykal haben vierzehn Künstler ausgewählt, darunter Nasan Tur, Kutluğ Ataman, Ayşe Erkmen und Ahmet Öğüt.

Die Arbeiten verhandeln jeweils die Idee der Unsichtbarkeit. Es geht um Tarnen, Gleichmachen und Auffallen, Ausgrenzen, Verschwinden oder Wiederkehren. Auf raumgreifende Installationen folgt diskrete Klangkunst, neben den Videoarbeiten stehen Skulpturen. Die Besucher jedenfalls sehen Einiges: nämlich ziemlich gute türkische Kunst aus den letzten dreißig Jahren.

Die Gesprächsreihe TANAS talks greift die Themen der Ausstellung auf. Sie vertieft etwa einen kunstwissenschaftlichen Fokus und betrachtet den gesellschaftlichen Kontext. Diesen Samstag dreht sich das Gespräch um Das Unsichtbare in Literatur und Film. Wie sich das Nicht-Sichtbare darstellen lässt, diskutieren Lukas Feireiss, Jürgen Dehm und Ede Müller mit dem Organisator der TANAS talks Nico Anklam.

Der Talk schließt mit einem Rundgang durch die Ausstellung. Und die Führung sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.

16 Uhr | 13. November 2010 | TANAS | Heidestraße 50 | Berlin Mitte

 

Kunst + Smalltalk

Installationsansicht Fiona Banner, Marcus Becker, Diango Hernández @ Galerie Barbara Thumm

Viel zu viele Eröffnungen für einen Abend.

Mir persönlich ist heute nach Plastik. Objekte und Skulpturen gibt’s bei folgenden Vernissagen: In Kreuzberg präsentiert Barbara Thumm Fiona Banner, Marcus Becker und Diango Hernández. Wentrup zeigt Hole in the wall von Cristian Andersen. Und in Mitte stellt Eigen+Art Stella Hamberg mit Ghost Light aus.

19 Uhr | 12. November 2010 | Galerie Barbara Thumm | Markgrafenstraße 68 | Berlin Kreuzberg

18 Uhr | 12. November 2010 | Galerie Wentrup | Tempelhofer Ufer 22 | Berlin Kreuzberg

19 Uhr | 12. November 2010 | Galerie Eigen + Art | Auguststraße 26 | Berlin Mitte

 

Filme von und über Moholy-Nagy

Der Martin-Gropius-Bau widmet László Moholy-Nagy einen Filmabend.

Gut eine Woche nach Eröffnung von Kunst des Lichts beginnt das Rahmenprogramm zur Ausstellung mit Filmen von und über Moholy-Nagy. Wie alle Exponate stammen sie aus der Zeit ab 1922. Der Künstler entwickelt damals eine ästhetische Lichttheorie: Licht wird zum bestimmenden Medium seines weiteren Werks.

Die Schau Kunst des Lichts umfasst 200 seiner optischen Kreationen. Die Werke sollen die Vielseitigkeit des Avantgardisten spiegeln: Moholy-Nagy suchte das Neue in Malerei, Skulptur, Fotografie, Film, Grafik und Design. Er umarmte den Fortschritt, experimentierte mit den technischen Möglichkeiten der verschiedenen Medien. Aus der Fotografie entwickelte er das „Fotogramm“, eine Lichtgrafik. Der Film wird wahlweise zum abstrakten Lichtspiel oder zum Bilderessay.

Nach der Ausstellung László Moholy-Nagy. Retrospektive letztes Jahr an der Frankfurter Schirn herrscht kein übermäßiges Interesse an der Ausstellung. Die taz findet zwar „ein Besuch lohnt sich“. Aber der Tagesspiegel vermisst Moholy-Nagys Licht-Bewegungs-Apparaturen und damit eine „wichtige Facette des Gesamtkünstlers“. Die Filme, darin stimmen beide Zeitungen überein, sind indes ziemlich sehenswert – und Grund genug, Kunst des Lichts zu besuchen.

Der Filmabend konzentriert sich auf vier kurze Arbeiten aus den frühen dreißiger Jahren. Sie dokumentieren zugleich Moholy-Nagys technizistische Begeisterung und zeigen sehenswerte Ansichten der modernen Stadtlandschaften. Im Anschluss an Alter Hafen in Marseille (1929/32), Ein Lichtspiel schwarz-weiß-grau (1930/32), Berliner Stillleben (1931/32) und Großstadt Zigeuner (1932/33) läuft eine Dokumentation über den Künstler: Das permanente Experiment: László Moholy-Nagy und das Bauhaus von Jens Schmohl (1996).

19 Uhr | 12. November 2010 | Martin-Gropius-Bau | Martin-Gropius-Bau Berlin | Niederkirchnerstraße 7 (Ecke Stresemannstraße 110) | Berlin Mitte

 

Mit Konzept: Blind Drawings und Bilddokumente

Sprüth Magers präsentiert zwei spannende Positionen. Die Galerie zeigt Zeichnungen von Robert Morris und Fotoarbeiten von Stephen Shores.

In fünf Jahrzehnten hat der Künstler Robert Morris ein komplexes Oeuvre geschaffen. Die Blind Time Drawings sind eine Facette davon. Morris geht dabei mit verschlossenen Augen und nach präzisen methodischen Vorgaben vor. Blind Time (Grief) zeigt 12 Arbeiten aus einer Serie, in der der Künstler seine Wut über die politischen Missstände in den Vereinigten Staaten buchstäblich verarbeitet.

Der Autodidakt Stephen Shore unterwanderte seinerzeit die für die Fotografie geltenden Konventionen: Während seiner Roadtrips fotografiert er anonyme Orte, dokumentiert auswechselbare Begegnungen. Er porträtiert das gewöhnliche Amerika der 1970er Jahre mit der Großformatkamera und in Farbe. Uncommon Places umfasst neben 80 solcher Aufnahmen Auszüge aus Shores Road Trip Journal. Die akribischen Einträge illustrieren den analytischen Charakter von Shores Werk.

Das NRW-Forum in Düsseldorf zeigt Stephen Shore gerade in der Ausstellung Der rote Bulli.

18 Uhr | 11. November 2010 | Sprüth Magers Berlin | Oranienburger Straße 18 | Berlin Mitte

 

Angenehm unprätentiös

© TÄT

TÄT zeigt einfach nur Kunst.

Der Projektraum gehört einer Gruppe von Künstlern, die sich sich für Konzeptkunst begeistern. In einem ehemaligen AntiquiTÄTen-Laden zeigen sie Ausstellungen, veranstalten Screenings und Lesungen. Regelmäßig entscheiden sie über eingehende Projektvorschläge.

Das Künstlerduo BURGHARD hat die TÄT-Kriterien erfüllt und präsentiert Verschnitt. Stef & Romy Richter schaffen mit einfachen Mitteln subtile Installationen.

Die Ausstellung ist nur nach Vereinbarung mit den Künstlern zu sehen – abgesehen von der Eröffnung am Nachmittag.

14 Uhr | 7. November 2010 | TÄT | Schönhauser Allee 161 a | Berlin Prenzlauer Berg

 

Kurz vor Schluss

© Renata Lucas Renata Lucas, Kunst-Werke 2010, Installationsansicht Foto: Uwe Walter
Renata Lucas, Kunst-Werke 2010, Installationsansicht Foto: Uwe Walter © Renata Lucas

Die Ausstellung von Renata Lucas ist nur noch dieses Wochenende geöffnet.

Wer die großartigen Eingriffe an und in den Kunst-Werken noch nicht gesehen hat, sollte dieses Wochenende unbedingt vorbeischauen.

Einfach den Sport streichen; die Installation verlangt Körpereinsatz!

12-19 Uhr | 5.-7. November 2010 | KW Institute for Contemporary Art | Auguststraße 69 | Berlin Mitte

 

Spaß statt Hochkultur – die Kunstnacht Neukölln

© Nacht und Nebel

Die Kunstnacht Nacht und Nebel zeigt Neukölln von seiner besten Seite.

Chauffiert Neukölln erkunden klingt dekadent und nach Elendstourismus. Es geht aber um Kunst.

Die Taxis haben die Kultuschaffenden des Viertels gechartert. Sie wollen zeigen, was Neukölln zu bieten hat, nämlich Kunst, Theater und Filme an den verschiedensten Orten.

Die Angebote reichen vom privaten Atelierbesuch bis zur wilden Party. Alle teilnehmenden Orte lassen sich bequem mit den ausgezeichneten Taxis erreichen. Für neugierige Entdecker könnte es ein durchaus spannender Abend werden. Und die Aktion verdient Unterstützung, gerade weil die Neuköllner Kulturszene gemessen am Angebot Kreuzbergs noch Entwicklungsgebiet ist.

19 Uhr | 6. November 2010 | Neukölln