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Virtuell psychodelisch

MGMT touren mit ihrem zweiten Album Congratulations.

Auf ihrem neuen Album begeben sich Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser auf die musikalischen Spuren des Rausches. Wie sich das anhört, zeigen die Jungs heute Abend in Berlin.

20 Uhr | 6. Dezember 2010C-HalleColumbiadamm 13-21 | Berlin Kreuzberg

 

Klein, aber konzentriert

© Kwadrat

Die Galerie Kwadrat zeigt World is Work.

Die Ausstellung World is Work kreist um die Verbindung von Kunst und Arbeit. Der Kurator José María Durán zeigt die spanischen Künstler Octavi Comeron, Pablo San José and Cynthia Viera aka PSJM, Ignacio Uriarte und Santiago Sierra.

Die Arbeiten sprechen jeweils verschiedene Aspekte des Arbeitens an: Bei Octavi stehen die Arbeiter im Vordergrund. Uriarte sucht das Ästhetische in der Büroroutine. PSJM geht es um das Moment der Vermarktung und Sierra interessieren absurde Tätigkeiten.

Vier so starke Positionen auf engsten Raum machen die Ausstellung unbedingt sehenswert.

17 Uhr | 4. Dezember 2010 | Kwadrat | Adalbertstraße 20 | Berlin Kreuzberg

 

Am lebenden Objekt

© Hermann Sorgeloos

Cédric Andrieux von Jérôme Bel ist Tanztheater der eindringlichen Art.

Mit dem Solo Cédric Andrieux knüpft Choreograph Jérôme Bel an seine Serie biografischer Tänzerporträts an. Andrieux ist der Fünfte, der gemeinsam mit Bel seine Karriere retrospektiv betrachtet. In enger Zusammenarbeit haben Bel und Andrieux ein sehr direktes Stück erarbeitet. Die Bühne am Hau1 ist bis auf den Protagonisten leer. Es gibt keine Musik, nur den Tänzer und sein auf Schlüsselszenen reduziertes Leben.

Da steht also Cédric Andrieux am Rand der Bühne. In Tennissocken, Jogging-Hosen und Kapuzenpulli sieht er aus, als käme er gerade vom Training. Andrieux sammelt sich kurz, dann setzt er an – und erzählt. Der 33-jährige rekapituliert seine aussichtslosen Anfänge als zeitgenössischer Tänzer in Brest, seine Ausbildung in Paris. Andrieux führt einen Ausschnitt aus Philippe Tréhet’s Nuit Fragile vor, mit dem er den Grundstein seiner Karriere in New York legt. Man hört seinen Atem, sieht die Anstrengung. Er kann nicht gleich weiter sprechen.

Seine Zeit in Amerika ist gewissermaßen das Herzstück von Andrieux Tanzbiographie. Der Liebe willen akzeptiert der Tänzer ein räudiges Engagement. Dann wechselt er zur Kompanie von Merce Cunningham. Andrieux lässt das Publikum die quälende Monotonie der täglichen Exercise erleiden. Er beschreibt welche Schmerzen die Arbeit mit dem Choreographen bedeutet, demonstriert das Übertragen von am Computer kreierten Choreographien auf die Körper der Tänzer, tanzt Ausschnitte aus Biped und Suite for 5.

Am Ende erlebt das Publikum Andrieux‘ Befreiung: Nach acht Jahren Cunningham geht der Tänzer ans Ballett der Opéra de Lyon, um dort ein neues Körpergefühl zu finden. Auch hier gibt es Hoch’s wie Trisha Brown’s Newark, Tiefs (nie tanzt er Forsythe) und Schlüsselmomente: In Jérôme Bel’s The show must go on konfrontiert er erstmals das Publikum. Dann richtet sich das Licht wieder auf den Tänzer und er verabschiedet sich.

Zurück lässt Andrieux ein Publikum, das sich nach den konzentrierten Einblicken in die Welt des zeitgenössischen Tanzes erst einmal sammelt.

19.30 Uhr | 3. & 4. Dezember 2010 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg

 

Kein Glühwein!

© Grimmuseum

Klangausstellung mit Tee

Der Kunstraum Grimmuseum setzt seine Klangausstellungen fort. Für die Dauer der Gruppenshow Feather Throat findet wöchentlich der Sunday Listening Salon statt. Diesmal hat Kurator Michael Northam den experimentellen Musiker Werner Durand eingeladen. Er präsentiert Schönere Stimmen aus seinem Soundarchiv. Dazu gibt’s Tee und Kaffee.

14 Uhr | 28. November 2010 | Grimmuseum | Fichtestraße 2 | Berlin Kreuzberg

Kaffeefahrt der Fotografie

Die Berlinische Galerie und Kulturprojekte Berlin veranstalten thematische Führungen. Die heutige Tour verbindet Ausstellungen zum Thema Neue Bildwelten, neue Techniken. Der Guide erklärt jeweils Schlüsselwerke von László Moholy-Nagy – Kunst des Lichts im Martin Gropius Bau, Kathrin Korfmann – Count for Nothing in der Galerie Hilgenkamp sowie der Gruppenausstellung Creative Destruction in der Kunstagenten Galerie.

Die Bustour dauert gute vier Stunden, und beinhaltet unnötigerweise einen Sektempfang sowie eine Kaffeepause. Wem das zu betulich ist, bleibt die heutige Massen-Finissage Photo.Open. Einige der am Monat der Fotografie teilnehmende Galerie zeigen ein letztes Mal ihre Ausstellungen.

13.30 Uhr | 28. November | Berlinische Galerie | Alte Jakobstraße 124-128 | Berlin Kreuzberg

 

Lange Nan-Goldin-Nacht

Nan Goldin, Bloody bedroom in a squatted house Berlin, 1984 © Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York

Die Berlinische Galerie lädt zu einer Lesung über Nan Goldin.

Die Berlinische Galerie zeigt derzeit Nan Goldin.Berlin Work. Die Ausstellung umfasst 80 Aufnahmen von Goldin, ihren Freunden und ihrem Lebensraum in Berlin. Die Künstlerin hat sie zwischen 1984 und 2009 fotografiert. Sie zeugen von Exzess und Glück, die Goldin im damals noch wilden Berlin gefunden hat.

Nachdem diverse Blogs wie ArtSchoolVets! die Ausstellung angekündigt haben, hält sich die Begeisterung nun in Grenzen: Die ZEIT begnügt sich mit Goldins warmherzigen Blick auf Bars und besetzte Häuser. Der Spiegel bemängelt die emotionslose Präsentation. Und der Tagesspiegel bemerkt trocken, dass eine Werkschau in der Berlinischen Galerie lediglich eine Frage der Zeit gewesen sei.

Jedenfalls ist heute nicht nur die Ausstellung bis 22 Uhr geöffnet. Um 19 Uhr findet außerdem die Lesung Life unbound. Nan Goldin. Abgründe der Intimität von Tatja Seibt und Kade Schmidt statt. Wenn anschauen, dann heute.

19 Uhr | 25. November 2010 | Berlinische Galerie | Alte Jakobstraße 124-128 | Berlin Kreuzberg

 

Vietnam in Berlin

© Hebbel am Ufer

Vom 21. bis zum 27. November findet am HAU das Dong Xuan Festival statt.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Festival nach einer Markthalle benannt wird. So geschehen beim Dong Xuan Festival, das sich auf den gleichnamigen Markt in Berlin-Lichtenrade bezieht, der das vietnamesische Zentrum Berlins ist.

Vordergründig ehrt das Festival die ehemaligen Vertragsarbeiter im Berliner Osten und die Boat People in Westberlin. Tatsächlich geht es aber nicht nur um Einblicke in das Leben der vermeintlichen „Vorzeigemigranten“. Vielmehr demontieren die Veranstaltungen auch unsere einseitigen Vorstellungen von Integration.

Begonnen hat das Programm mit Touren zum namensgebenden Markt. Unter dem Motto Dong Xuan oder Frühling in Lichtenberg stellen die Führungen noch bis Donnerstag die Markthallen und ihre unmittelbare Umgebung vor.

Heute startet das kritische Rahmenprogramm im HAU mit dem Ballett The white body von Ea Sola. Die französisch-vietnamesische Choreografin überträgt die Kampfschrift Von der freiwilligen Knechtschaft (1548) von Etienne de la Boétie auf das Diktat des Konsums. Ihre Tänzer hinterfragen den Stellenwert von Individuum und Kollektiv in der heutigen Gesellschaft.

Anschließend diskutieren der Künstler Danh Vo und die Kritikerin Elena Filipovic Vo’s künstlerischen Beitrag zum Festival, 2.2.1861: Vo hat die Plakate für das Festival von Vietnamesen gestalten lassen. Sie haben die Ankündigung auf die Plakate geschrieben oder besser gesagt: gemalt. Vietnamesen seien zwar mit unserem Alphabet vertraut, erklärt Vo. Die wenigsten Einwanderer könnten jedoch westliche Sprachen schreiben. Der zweite künstlerische Beitrag besteht darin, dass V0’s Vater Phung einen Abschiedsbrief abmalt – und zwar den last letter of Saint Theophane Venard to his father before he was decapitated. Theophane Venard war ein christlicher Missionar, der am 2. Februar 1861 in Vietnam hingerichtet worden ist. Die Missionare hatten das lateinische Alphabet ins Land gebracht.

Außerdem gibt es amerikanisch-vietnamesische Filmbeiträge, die Themen wie Wahrnehmung, Identität und Geschlechterrollen behandeln. Der Klassiker Surname Viet Given Name Nam (1989) von  Trinh T. Minh-ha dokumentiert die Lage vietnamesischer Frauen. Außerdem präsentiert Filmkurator Marc Siegel aktuelle Avantgarde-Produktionen, die den westlichen Blick herausfordern, wie die Kurzfilme aus The Blindness series (1992-2006) von Tran T. Kim-Trang. Die Filmemacher diskutieren danach jeweils mit den Zuschauern. Mit seinen Arbeiten will Vo unter anderem auch auf die Absurdität eines solchen Festivals hinweisen, das die Einwanderer selber nicht erreicht.

Zugegeben, am Ende richtet sich das Dong Xuan Festival doch nur an ein westliches Publikum. Aber immerhin reflektiert es dieses Problem auch. Die Veranstaltungen erlauben einen differenzierten Blick hinter eine scheinbar erfolgreiche Integrationsgeschichte. Sie beleuchten nicht nur Facetten der vietnamesischen Kultur, sondern halten uns auch einen Spiegel vor, wie selbstgefällig wir uns mit der Forderung nach Anpassung aus der Verantwortung ziehen.

siehe Programm | 21-27 November 2010 | HAU 1, 2 & 3 | Stresemannstraße 29, Hallesches Ufer 32 &  Tempelhofer Ufer | Berlin-Kreuzberg

 

Mysteriöse Kurzausstellung

Supportico Lopez zeigt für eine Nacht die Ausstellung Yes or Yes, Yes or Yes 1

Wenn die Galerie Supportico Lopez nicht so ein gutes Programm hätte, wäre die Nachtausstellung nicht weiter erwähnenswert. Zumal es keine Informationen zu dem Kurzprojekt von Lisa Holzer und Chiara Minchio gibt – abgesehen von den teilnehmenden Künstlern Christian Egger, Martin Guttmann und David Jourdan. Aber wer gerade in Kreuzberg ist, sollte auf jeden Fall vorbeischauen und sich überraschen lassen.

19 Uhr | 18. November 2010 | Supportico Lopez | Graefestraße 9 | Berlin Kreuzberg

 

Wissenschaft im Szeneclub

© Julia Offe

Der Berliner Science Slam im Lido

Beim Science Slam stellen ambitionierte Nachwuchswissenschaftler ihre Forschungsprojekte vor. Zehn Minuten darf sich jeder Teilnehmer auf der Bühne austoben. Der Fachbereich spielt keine Rolle. Am Ende kürt das Publikum den unterhaltsamsten Vortrag.

Sexy ist das nicht. Aber, mh, interessant.

20 Uhr | 16. November 2010 | Lido | Cuvrystraße 7 | Berlin Kreuzberg

 

Geld regiert das All

© Chris Kondek

Geld ist ein Alien, der Mensch sein Wirt, die Geldwirtschaft ein SciFi-Thriller.

Money – It Came From Outer Space ist eine Vortrag-Performance-Theatererfahrung der absurden Art. Der Videokünstler Chris Kondek und die Journalistin Christiane Kühl verfechten eine abwegige Theorie: Geld kommt aus dem Nichts und lässt sich nicht kontrollieren. Folglich muss es extraterrestrischer Herkunft sein.

Ihre Erklärungen stützen sich neben Filmausschnitten und Zitaten aus Wissenschaft und Politik vor allem auf die Analyse alter amerikanischer Science-Fiction-Filme. Die weisen nämlich abenteuerliche Parallelen zu unserer Geldwirtschaft auf.

Klingt nicht nur verrückt, sondern gestaltet sich auch in der Praxis ziemlich abgedreht. Und das macht die Aufführung so amüsant wie anregend, finden Spiegel und Nachtkritik.

20 Uhr | 15 November 2010 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg