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ZEIT ONLINE und ZEIT decken Justizversagen auf

 

Es ist ein Ergebnis, das uns in seinem Ausmaß überrascht hat: Politisch motivierte Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, bei denen Menschen zu Schaden kamen oder zu Schaden hätten kommen können, werden von der deutschen Justiz kaum aufgeklärt. Das zeigt eine gemeinsamen Recherche von ZEIT und ZEIT ONLINE.

15 Reporter und Rechercheure haben in den vergangenen acht Wochen die 222 schweren Attacken gegen Unterkünfte aus diesem Jahr überprüft und die Ermittler gefragt, wie weit sie gekommen sind. In der allergrößten Zahl der Fälle wurden nicht einmal Tatverdächtige ermittelt. Lediglich in zwölf Fällen hat die Justiz bisher Anklage gegen Täter erhoben.

Alle Details können Sie ab morgen bei ZEIT ONLINE und in der ZEIT lesen und heute Abend schon in der digitalen Ausgabe der ZEIT.

Die Recherche entstand durch eine Frage in einer Redaktionskonferenz im Oktober. Die Foto-Redakteurin Jutta Schein wollte wissen, wie es sein könne, dass fast täglich eine Unterkunft attackiert werde, man aber kaum davon höre, dass Täter verhaftet und verurteilt würden. Die Chefredaktionen von ZEIT und ZEIT ONLINE waren sofort überzeugt: Das müssen wir herausfinden – und binnen eines Tages war ein Team zusammen, das sich an die Arbeit machte.

Es entstand eine gemeinsame Recherche über Redaktionsgrenzen und Mediengattungen hinweg, wie es sie bei ZEIT und ZEIT ONLINE bisher selten gegeben hat. Kollegen wie Martin Klingst aus dem Politikressort der ZEIT haben sich mit den Investigativ-Redakteuren von ZEIT ONLINE um Karsten Polke-Majewski zusammengetan, die Berliner Reporterin Anna Kemper zog los, um einen Einzelfall in seiner ganzen Tiefe zu recherchieren, während der  Datenjournalist von ZEIT ONLINE, Sascha Venohr, eine Datenbank aufbaute, in die Kollegen von ZEIT und ZEIT ONLINE ihre Recherche-Ergebnisse eingearbeitet haben.

Wird sich das wiederholen? Hoffentlich. Denn wir haben schon neue Ideen für gemeinsame große Recherchen.

Philip Faigle und Götz Hamann,

verantwortlich für die Koordination von Print-Online-Projekten

Ab morgen exklusiv in der ZEIT:

Ein Leitartikel von Chefredakteur Giovanni di Lorenzo über die aktuelle deutsche Flüchtlingsdebatte. Dazu die große Analyse: Warum die Aufklärungsquote so niedrig ist. Warum die Polizei so wenig Erfolg hat, obwohl sie auf dem rechten Auge nicht mehr blind ist. Außerdem: Wie der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir von Rechtsradikalen im Leipziger Bahnhof angegangen wurde.

Exklusiv auf ZEIT ONLINE:

Die detaillierte Datenanalyse in Grafiken – inklusive einer Landkarte, die eine kurze Beschreibung jeder einzelnen Tat enthält und aus der ersichtlich wird, wie gut die Polizei in jedem Bundesland ist. Außerdem ein Kommentar von Karsten Polke-Majewski: Warum die Rechten glauben, sie sprächen für die Mehrheit der Bevölkerung. Und: Eine Reportage über den Feuerwehrmann aus Altena, der eine Unterkunft in Brand steckte.

58 Kommentare

  1.   Endzeit777

    Bei einer Globalisierung wird bekanntlich von *ober* her diktiert. Hier im Niemandsland sind dann folgedessen Aushebelungen in allen Bereichen willkommener Natur.
    Neue Mandate braucht das Land!

  2.   Hagen Wollert

    Da fällt mir eine Frage ein, die Thomas Fischer in seinem Blog (sinngemäß) gestellt hat: Mit welchem Eifer würden Polizei & Staatsanwaltschaft ermitteln, wenn statt Flüchtlingsheimen Villen Ziele von Brandstiftungen geworden wären ?

  3.   Rainer Glinka

    Wenn die Polizei – nicht die Justiz – nicht oder nicht ausreichen ermittelt, verstoßen die Beamten gegen ihre Dienstpflichen und machen sie sich wegen Strafvereitelung im Amt strafbar.

    Interessant wären sicher auch Recherchen, warum in Fällen massenhafter illegaler und strafbarer Grenzübertritte nach Maßgabe des Legalitätsprinzips gar nicht erst Ermittlungsverfahren eingeleitet werden und aus welchen Gründen das nicht geschieht.

  4.   ChepCon

    @GBM

    Ich empfehle Ihnen mal die Kriminalitätsstatistik zu lesen, bevor Sie sich in Zukunft wieder zu der Aussage versteigen, dass selbst handfeste Verbrechen angeblich nicht mehr richtig aufgeklärt werden können.

    Zu Ihrer Info die Aufklärungsquoten in % (2014 im Vergleich zu 2013):
    Mord- und Totschlag 96,5 % — 95,8 %
    Vergewaltigung und sexuelle Nötigung 81,0 % — 82 %
    Raub 51,6 % — 51,7 %
    Gefährliche und schwere Körperverletzung 82,4 % — 82,1 %
    Vorsätzliche einfache Körperverletzung 91,1 % — 90,9 %

    Und die Aufklärungsquote bei Raub verharrt seit Jahren auf diesem Niveau (allerdings lag die Quote 1990 bei „lediglich“ 43 %).

    Es scheint Ihnen aber notwendig zu sein vom eigentlichen Thema ablenken zu wollen.

  5.   123

    Ich bin auch immer maßlos von der Polizei enttäuscht, wenn bei uns mal wieder was geklaut oder zerstört wurde.

    Mir ist durchaus bewusst, dass es schwierig ist Fälle aufzuklären, aber wenn man auf der Polizeistation Dokumente und sonstige Schriftstücke abgibt, läuft der Polizist erstmal zum Kopierer und heftet die Ergebnisse dann in Akten ab.
    Ich will damit nur sagen, dass die Digitalisierung und damit auch die schnelle Abrufbarkeit aller Beweise wohl sehr mangelhaft sind, wodurch wohl noch weniger Fälle aufgeklärt und einem Zusammenhang gesehen werden können.

    Ehrlich gesagt gehe ich eh nur noch aus versicherungstechnischen Gründen zur Polizei. Auf der anderen Seite bin ich sehr dankbar, dass die Polizei bei Schlägereien immer auftaucht, aber eine Aufklärung von Fällen erwarte ich eigentlich nicht.

  6.   Verwundert mich alles nicht

    Nach der NSU Geschichte kann man den deutschen Ermittlungsbehörden einfach nicht mehr trauen, wenn es um rechte Gewalt geht.
    Wir reden hier immerhin von Beihilfe und Verschleierung, wenn man bedenkt, dass bei Morden Verfassungsschutzbeamte anwesend waren, Polizisten behindert wurden, Akten vernichtet wurden usw usw.

    Ausserdem scheint es ihnen daran gelegen zu sein, klare rechtsextreme Attacken allzugerne als unpolitisch abzutun, um die Statistik zu schönen.
    Und es würde mich auch hier nicht wundern, wenn man die Ermittlungen schleifen lässt.

    Allerdings ist es bei Brandanschlägen und Feuerteufeln doch häufig so, dass man die nur sehr schwer ermittelt.
    Hier in Kiel geht auch seit Jahren einer um, der nicht gefasst wird. Oder wie brennen Autos in Hamburg oder Berlin und wieviel der Täter wurden da gefasst.

  7.   gonzales

    12 von 222, also 5,4%. Diese Zahl soll laut Artikel niedrig sein. Niedrig im Verhältniss zu was? Andere Zahlen um diese Zahl einordnen zu können wären interessant. Zum Beispiel, wie viele Brandanschläge auf Ställe jährlich in Deutschland verübt werden, plus „Aufklärungsquote”. Außerdem vielelicht noch Zahlen zu Brandanschlägen auf Kraftfahrzeugen und die Aufklärungsquoten gängiger Verbrechen. Einbruch, Mord.

    Zu den ersten beiden konnte ich auf Anhieb keine Zahlen finden, es wäre zu wünschen, das so etwas in den ganzen Artikeln zu finden ist.

    Brandanschläge sind zu verurteilen, aber ist die Aufklärungsquote tatsächlich so niedrig wie hier suggeriert wird?

  8.   Lampyridae

    @7
    Bzgl. dem genannten Mordversuch an Linken in Frankfurt: https://linksunten.indymedia.org/en/node/160744

    Oh, und noch eine Geschichte, die aktuell verhandelt wird:
    Wuppertal, 2015, Mordversuch an einem türkischen Antifaschisten durch rechtsradikale HogeSa-Sympathisanten:
    https://linksunten.indymedia.org/en/node/154180
    Polizei behindert erst den Rettungsdienst, beschuldigt dann die anwesenden Antifaschisten der Tat und als sich einer der Neonazis dann selbst der Polizei stellt, haben die Ermittler an den Aussagewilligen keine Fragen mehr: http://www.wuppertaler-rundschau.de/lokales/schwere-polizei-fehler-bei-der-ermittlung-aid-1.5594585

  9.   dp80

    Ich glaub nicht, dass das was mit Blindheit des rechten Auge zu tun hat.

    Das ist einfach der allgemeine Mangel an Ressourcen bei der Polizei. Für andere Straftaten ist die Aufklärungsquote ähnlich. Einzig Kapitalverbrechen werden mit aller Kraft verfolgt. Solange bei den Anschlägen keiner stirbt, läuft das auf Sparflamme.

    Will man das ändern, muss man mehr Ressourcen für die Polizei fordern oder mehr Überwachung.

  10.   Lampyridae

    @13 GBM
    ++ Und einmal mehr diese merkwürdige Stimmungsmache gegen Polizei und Justiz. Was bitte erwarten Sie denn von den hoffnungslos unterbesetzten Dienststellen? ++

    Nun, diese „hoffnungslos unterbesetzten Dienststellen“ können ja auch ihre sonstige Arbeit erledigen. Z.B. gegen studentische Kleinst-Dealer ermitteln, die ihr Bafög mit ein bisschen Canabis-Anbau aufbessern oder linke Politaktivisten bespitzeln und überwachen, wenn diese möglicherweise, vielleicht eine Faschisten-Demo sitzblockieren könnten oder wollten oder einfach bei Verkehrskontrollen ein bisschen die dunkelhäutigen Mitbürger schikanieren…
    Die sächsische Justiz ging sogar soweit, dass sie „öffentliches Interesse“ im Fall eines „Diebstahls“ weggeworfener Lebensmittel aus einer Supermarkt-Mülltonne anmeldete (das hätte normalerweise vom Müll-„Besitzer“ beanzeigt werden müssen, dem das aber zu lächerlich war), um ein Strafverfahren eröffnen zu können, was nach mehreren Verhandlungstagen und immensen Kosten für die Staatskasse, dann schließlich gerichtlich eingestellt wurde:
    http://tastethewaste.com/article/20110920-Containerprozess-in-Dbeln

    Kurzum:
    Die dt. Polizei hätte an sich jede Menge Zeit, gegen brandstiftende Neonazis zu ermitteln, allein ihr fehlt offensichtlich der Wille.

 

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