Wahlentscheidungen haben uns in letzter Zeit öfter überrascht. Dass sich die Briten aus Europa herauswählen würden, hatten auch führende britische Experten nicht erwartet. Dass der neue US-Präsident Donald Trump heißen wird, wollten auch herausragende US-Analysten bis zuletzt nicht glauben. Auch das Ergebnis der Präsidentenwahl in Frankreich hatten Kenner lange nicht für denkbar gehalten.
Was können wir daraus für Deutschland lernen, das doch ganz anders ist als Großbritannien, die USA oder Frankreich? Zumindest dies: dass es nicht schaden kann, alten Gewissheiten zu misstrauen. Gewiss scheint rund vier Wochen vor der Wahl: Die nächste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland heißt Angela Merkel. Gewiss scheint auch: Die AfD wird kein zweistelliges Ergebnis erreichen. Doch es sind eben noch fast vier Wochen bis zur Wahl. Vielleicht kommt ja doch alles anders. Wir wären uns gerne nicht so sicher.
Deshalb schreiben ab heute bis zum 24. September fünf Experten zum Wahlgeschehen, die allesamt eines verbindet: Sie sind skeptisch gegenüber verfrühten Prognosen, mitunter auch gegenüber Prognosen an sich.
Die Soziologin Jutta Allmendinger weiß, wie komplex die soziodemografischen Faktoren und volatilen Motive sind, die Menschen am Ende Entscheidungen treffen lassen – mithin auch an der Wahlurne.
Der Statistiker Gerd Bosbach hat Jahre seines Lebens damit verbracht, die wacklige Methodik von Wahlumfragen offenzulegen und zu kritisieren.
Die Sozialwissenschaftlerin Esra Küçük weiß als Direktoriumsmitglied am Gorki-Theater um die emotionalen Dynamiken, die politische Trends zum Kippen bringen können.
Der Zeithistoriker Philipp Gassert kennt genug Beispiele jüngster bundesdeutscher Geschichte, bei denen externe Schocks Wahlen plötzlich gedreht haben.
Der ehemalige Vizeregierungssprecher Hans-Hermann Langguth hat selbst als Wahlkämpfer erlebt, wie Politiker wie Gerhard Schröder und Joschka Fischer verloren geglaubte Wahlkämpfe drehen konnten.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Fisch.
In unseren Redaktionsräumen wird ab heute ein siamesischer Kampffisch täglich die Kanzlerfrage beantworten. Dieses Fisch-Orakel folgt einer langen Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Es soll uns bis zum Wahlabend daran erinnern, dass wir die Zukunft vielleicht nicht viel besser kennen als ein Fisch.
P.S.: Wie funktioniert das Fisch-Orakel? In einem symmetrisch eingerichteten Becken wird unser Wahlkampffisch durch sein Schwimmverhalten bis zur Bundestagswahl jeden Tag signalisieren, ob er Martin Schulz oder Angela Merkel mehr Chancen einräumt. Verbringt er im Prognosezeitraum eines Tages mehr Zeit auf der Schulz-Seite (die Seiten werden täglich getauscht), verrechnen wir einen Punkt für den Kandidaten Schulz und umgekehrt. Am 24. September wird abgerechnet.
Hier twittert der Fisch seine Prognosen. Auf dem Facebookaccount von ZEIT ONLINE können Sie den Fisch gelegentlich im Livestream sehen. Und der Biologe Stefan Karl Hetz erklärt, was es mit dem Fisch auf sich hat und was man tun sollte, damit es einem Fisch gut geht.
Repräsentative Umfragen unterliegen immer Fehlern. Man kann davon ausgehen, dass der tatsächliche Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Bereich von einem bis drei Prozentpunkten über oder unter den letztlich angegebenen Messwerten liegt. Den Korridor dieses statistischen Fehlers zeigen wir ab sofort in unseren Grafiken zu Wahlumfragen. Die Ergebnisse basieren immer auf Stichprobenbefragungen. Diese decken in der Regel nur spezielle Teile der Bevölkerung ab (z.B. Menschen mit Festnetz-Telefonanschluss oder Internetnutzer). Einige potenzielle Teilnehmer sind ablehnend und wollen erst gar nicht befragt werden. Fragen werden mitunter auch falsch verstanden und nicht immer aufrichtig beantwortet. Zum Beispiel auch in Reaktion auf vorangegangene Umfragen. Um jedoch ein allgemeines Meinungsbild über alle Bevölkerungsgruppen hinweg zu berechnen, müssen die Demoskopen fehlende Messwerte und vermutete Ungenauigkeiten ausgleichen und die vorliegenden Zahlen neu gewichten. Diese (in der Regel nicht transparenten) Formeln unterscheiden sich in den Instituten und führen daher zu unterschiedlichen Aussagen. Umfragewerte sind immer Momentaufnahmen. Mehr als eine grobe Tendenz für ein Meinungsbild lässt sich daraus nicht ableiten. Selbst wenn die Aussagen und Berechnungen zum Veröffentlichungszeitpunkt der Umfrage nahe an der Realität liegen, ist immer noch offen, ob die damals befragten Wähler zum Beispiel später tatsächlich ihre Stimme abgeben oder sich kurzfristig umentscheiden.
Naja. Das Eregebnis der Präsidentenwahlen in Frankreich entsprach in beiden Wahlgängen ziemlich exakt den Prognosen der Meinungsforscher. Das Ergebnis in dne USA beim „popular vote“ ebenso. Knapp nicht in einigen Bundesstaaten, die am Ende den Ausschlag gaben.
Die einzige Wahl in Deutschland, wo die Meinungsforscher massiv daneben lagen, war 2005. Da wurde das Wahlergebnis der Union um 6 Prozentpunkte überschätzt. Ansonsten haben die Umfragen Meinungsumschwünge abgebildet. Auch bei der „Oder-Flut“-Wahl in 2002.
Bei der AfD wäre ich mir nicht so sicher. Ergebnis von über 10 Prozent ist deutlich wahrscheinlicher als ein SPD-Ergebnis von über 28 Prozent würde ich sagen.
Ein neues Format, mein Format ;-)
Mehr Fisch-Prognosen braucht the Flying (-polit-) Circus!
https://www.youtube.com/watch?v=h79m_8j2-sE
+++ Wir wären uns gerne nicht so sicher +++
Dann seid es auch nicht. Prognosen und Artikel können nämlich auch beeinflussen.
Ihr macht das nur um die Zeitung zu füllen. Es ist alles völlig Unsinn und im Demokratische Prozewss auch sehr falsch. Sie sollten nur berichten über was Kandidaten sagen und weiter nichts. Keine Kommentare. Und nicht all diesen Unsinn. Und Umfragen sollten verboten werden.
Stellt euch vor es ist Wahl und keine geht hin.
Als Fisch würde ich aus dem Aquarium springen…
Wir wären uns gerne nicht so sicher
Also ich habe mit Vorhersagbarkeit kein Problem.
Ich glaube, dass es völlig egal ist, ob Umfragen gemeldet oder nicht gemeldet werden.
Es würden a) auch weiterhin irgendwelche Verschwörungstheorien laufen und b) denke ich, dass viel mehr, ihre Entscheidung schon längst getroffen haben, als landläufig angenommen.
Jetzt schon sind die Briefwahlunterlagen versandt. Vier Wochen vor der Wahl!
Jetzt, wo der Wahlkampf eigentlich erst richtig los gehen sollte, werden schon 30 Prozent der Wahlberechtigten auf diese Weise ihre Stimme auf Reisen schicken.
Eines sollte man sich in der Wahlkabine sicher sein:
Hernach wird man Deutschland nie wieder so sehen, wie an diesem Tag