Mitten in unserem Newsroom steht eine Pinnwand, an der sich jeden Morgen Kollegen versammeln, um darauf bunte Kärtchen hin- und herzuschieben. Unsere Entwicklungsredaktion plant auf diese sehr analoge Weise die nächsten digitalen Features von ZEIT ONLINE: die neue Push-Funktion, die neuen Podcasts, unser neues Magazin Arbeit, das heute startet.
Die Pinnwand ist eines von vielen Hilfsmitteln aus dem Werkzeugkasten des Design Thinking. Bei ZEIT ONLINE praktizieren wir seine Methoden schon lange und arbeiteten auch schon eine Weile „agil“, bevor das Wort ins Vokabular von Unternehmensberatern einwanderte, um auch die Prozesse in eher analogen Industrien umzukrempeln.
Unternehmen belohnen effiziente Aufgabenerfüllung, nicht die Eigenständigkeit ihrer Mitarbeiter
Mit der Digitalisierung verändert sich der Alltag vieler Menschen. Seit Wertschöpfung immer stärker auf digitalen Diensten beruht, haben sich auch unsere Arbeitsweisen grundlegend gewandelt. Alte Hierarchien wanken, neue Kompetenzen werden gebraucht (wir beschäftigen in unserem Newsroom seit mehr als einem Jahr einen promovierten Mathematiker). Nur als Thema erkannt und journalistisch abgebildet haben wir das, was in der Arbeitswelt da draußen und eben auch bei uns geschah, bislang nur selten.
Auch eine zweite Entwicklung hat uns zum Nachdenken über Arbeit angeregt: Unsere eher jungen Leser diskutieren immer seltener über Karriere. Sie beschäftigt nicht der schnelle Aufstieg, sondern der Sinn ihres Tuns. Statt nach einem möglichst guten Gehalt suchen sie nach einer Aufgabe fürs Leben und nach einem Umfeld, in dem sie sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbringen können. Dabei ecken sie in Unternehmen an, die effiziente Aufgabenerfüllung belohnen, aber nicht die Eigenständigkeit ihrer Mitarbeiter.
Der Wunsch vieler Berufstätiger nach Selbstverwirklichung verändert die Art, wie Führung funktioniert. Und für viele bleibt die Frage, welche Art von Arbeit überhaupt sinnstiftend ist – und finden die Antwort, indem sie den perfekten Job einfach selbst bauen, in Agenturen ohne Chefs, als vernetzte Selbstständige in Co-Working-Büros. Sie gründen Start-ups, in denen alle alle Gehälter kennen oder soziale Unternehmen, die die Welt verbessern sollen.
Nicht jedes Berufsleben entwickelt sich geradewegs in Richtung Chefetage
Ab jetzt haben wir also Arbeit: ein tagesaktuelles Magazin, das diesen Wandel der Arbeitswelt begleitet. Und die Menschen, die in der neuen Arbeitswelt ihren Weg gehen, ob als Selbstständige*r oder Angestellte*r, Start-up-Gründer*in, freie*r Kreative*r, Leiharbeiter*in, Beamte*r oder Crowdworker*in. Die einen fürchten lebenslange Unsicherheit in prekären Beschäftigungsverhältnissen, andere genießen das Privileg eines Berufs, der ihnen viele Freiheiten lässt. Über beides werden wir bei Arbeit künftig berichten. Leonie Seifert, die zuvor Redakteurin beim Print-Magazin ZEIT Campus und im Ressort Chancen der ZEIT war, wird Arbeit inhaltlich verantworten.
Insbesondere den nach 1980 Geborenen wird nachgesagt, sie akzeptierten Arbeitsumstände, in denen sie nicht selbst über ihre Zeit und Ziele bestimmen können, immer weniger. Und das ist nicht der einzige Zeitgeist, der die Arbeitswelt durchweht. Entstanden in der Gegenkultur der späten 1960er Jahre gehörten Themen wie Nachhaltigkeit, Integration von Minderheiten und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu den umstrittensten Politikthemen der vergangenen Jahrzehnte. Echte Breitenwirkung entfalten sie nun am Arbeitsplatz. Die Debatten um Diversität, Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden wir deshalb im neuen Magazin Arbeit intensiv weiterführen. Etwa mit der paradoxen Geschichte über schwedische Frauen, die sich dafür schämen, Zeit mit ihren Kinder zu verbringen, statt ins Büro zu gehen.
Arbeit wird auch in die Zukunft blicken. Kein Unternehmen in Deutschland bliebe unberührt von der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles vor wenigen Tagen auf einer ZEIT-Konferenz in Berlin. Anlass zur Panik – oder zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens – ist diese Erkenntnis für die Ministerin nicht. Aber ein Grund, dem demografischen Wandel etwas gelassener entgegenzusehen. Wo Fachkräfte fehlen, kämen Andrea Nahles intelligente Maschinen gerade recht. Doch ob durch künstliche Intelligenz und Roboter in Deutschland künftig mehr Jobs entstehen als wegfallen, wird davon abhängen, ob sich genug Menschen das Wissen aneignen, um effektiv mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Anders als es der Begriff „Karriere“ nahelegt, der bislang unsere Berichterstattung überschrieb, entwickelt sich nicht jedes Berufsleben geradewegs in Richtung Chefetage. Umbrüche und Neuanfänge, Erfolge und Enttäuschungen, Zweifel und Konflikte gehören dazu. Die Leser von Arbeit laden wir deshalb regelmäßig ein, von ihren eigenen Erfahrungen zu erzählen. In den kommenden Tagen wollen wir etwa wissen, welche Rolle Diskriminierung in ihrem Berufsleben bislang gespielt hat und wie sie es eigentlich mit dem Blaumachen halten. Und stellen ihnen im Gegenzug den Psychologen Louis Lewitan an die Seite, der die ersten fünf Werktage von Arbeit täglich eine Frage zum Thema Stress beantworten wird. Bestenfalls entdecken wir so gemeinsam Stück für Stück neue Wahrheiten über die Arbeitswelt von heute.
Hallo Frau Exner, ja, gerne.
Haben die Leute, die für „Arbeit“ über „Arbeit“ schreiben, denn auch einen Bezug zur „Arbeit“? Also sind sie in Berufen tätig gewesen – anderen, als den schreibenden und Nebenjobs während des Studiums? Wie hoch ist der Anteil von studentischen Jobbern? Werden hier Artikel von Campus zweitverwertet? Wie ist da die thematische Trennung?
[…] GELESEN: »Wir nennen es Arbeit« […]
Liebe/r @IrgendwasIstImmer: Der Anteil von „studentischen Jobbern“ am Redaktionsteam von „Arbeit“ beträgt null. Artikel aus dem Magazin ZEIT Campus erscheinen bei ZEIT Campus ONLINE.
Ich bin für eine Männerquote im Redaktionsteam.