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Leitlinien der Redaktionen von ZEIT und ZEIT ONLINE

 

Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Hauses geben sich ZEIT und ZEIT ONLINE gemeinsame redaktionelle Leitlinien. Sie gelten für alle journalistischen Print- und Onlinemedien unserer Verlagsgruppe, die die „ZEIT“ in ihrem Namen tragen, und formulieren einen Anspruch an uns selbst. Wir haben sie im vergangenen halben Jahr immer wieder in unseren Redaktionen diskutiert und viele Anmerkungen berücksichtigt.

Die Leitlinien liegen ab sofort den Arbeitsverträgen für Redakteurinnen und Redakteure bei und werden im Intranet der ZEIT veröffentlicht. Aus Gründen der Transparenz dokumentieren wir sie auch hier öffentlich in unserem Blog Fragen der ZEIT.

Giovanni di Lorenzo und Jochen Wegner

 

Leitlinien der Redaktionen von ZEIT und ZEIT ONLINE

 

„Das Wesen des Liberalismus ist es, abweichende Ideen nicht zu diffamieren und Kritik an Bestehendem nicht als Ketzerei zu verfolgen, sondern die Minderheiten zu schützen und Offenheit zum Gegensätzlichen zu praktizieren.“ 

Marion Gräfin Dönhoff

 

1) Alle Redaktionen von ZEIT und ZEIT ONLINE sind unabhängig. Unser Journalismus ist weder politischer noch wirtschaftlicher oder anderer äußerer Einflussnahme unterworfen. Auf dieser Unabhängigkeit sowie auf der Seriosität und Unvoreingenommenheit unserer Recherchen beruht die Glaubwürdigkeit unserer Arbeit.

2) Wir kritisieren unerschrocken, aber scheuen uns auch nicht, für jemanden oder für etwas zu sein. Unser Journalismus hat keine festgelegte Linie, aber einen Standort. Er ist liberal, ideologiekritisch, weltoffen, unverrückbar demokratisch und sozial. Eine nachhaltige und friedliche Entwicklung der Welt ist uns wichtig.

3) Wir verteidigen die Meinungsfreiheit. Diese findet ihre Grenzen dort, wo die Menschenwürde verletzt oder die Privat- und Intimsphäre missachtet wird. Wir lassen Fairness walten und achten auf die Verhältnismäßigkeit unseres Urteils.

4) Wir verstehen uns als Plattform für den demokratischen Diskurs in unserer Gesellschaft. Wir bieten ein Forum für Debatten, die von gegenseitigem Respekt geprägt sind – zwischen öffentlich Handelnden, unseren Leserinnen und Lesern und unseren Redaktionen, in der Zeitung, online und im persönlichen Austausch. Wir laden andere ein, unseren Journalismus mit ihrem Wissen und ihren Einschätzungen zu bereichern.

5) Konformismus macht uns skeptisch, wir schätzen die Kontroverse. Wir pflegen die Pluralität der Meinungen, inhaltliche Differenzen stellen wir zur Diskussion und bitten unsere Leser um Widerspruch und Ergänzung.

6) Auch die Arbeit in der Redaktion ist geprägt von einem respektvollen Umgang miteinander. Diskussionen werden offen geführt und lassen Kritik stets zu.

7) Wir berichten aktuell. Wir bestehen auf der Genauigkeit der Fakten und Gedanken. Beim Verbreiten von Nachrichten, die wir nicht selbst überprüfen können, stützen wir uns auf mindestens zwei unabhängige Quellen und weichen von diesem Prinzip nur in begründeten Fällen ab. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Jeder Beitrag, jeder Liveblog-Eintrag, jede Smartphone-Mitteilung wird gewissenhaft geprüft und redigiert. Wir arbeiten transparent. Fehler räumen wir ein und korrigieren sie umgehend.

8) Wir recherchieren, analysieren und argumentieren. Wir schätzen die aufwendige Reportage, die investigative Recherche, den scharfsinnigen, faktengestützten Kommentar und Essay, die tiefgreifende Datenvisualisierung, das ausführliche Gespräch – in Form von Text, Bild, Video und Audio. Wir legen besonderen Wert auf eine akkurate, schöne und lebendige Sprache sowie auf eine anspruchsvolle und überraschende Gestaltung. Neuen Formen des Journalismus und der Interaktion, neuen digitalen Medien und Plattformen stehen wir offen gegenüber. Mit alldem informieren wir unsere Leser und regen sie zu neuen Gedanken an. Wir bevormunden unsere Leser nicht, wir wollen ihnen Material an die Hand geben, damit sie sich eine eigene Meinung bilden können.

9) Wir bilden die vielen Lebenswirklichkeiten und Interessen unserer Gesellschaft ab. Mit der Auswahl von Themen, Protagonisten und Autoren spiegeln wir die Vielfalt von Lebensentwürfen, Überzeugungen und Erwartungen aller sozialen Gruppen wider.


10) Redaktion und Verlag sind getrennt. An kommerziellen Aktivitäten des Verlages beteiligen sich die Redakteurinnen und Redakteure nur dann, wenn dadurch ihre journalistische Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Redaktionelle Inhalte und Werbung trennen wir gut sichtbar voneinander.

148 Kommentare

  1.   Stummlfumml

    „Ich dachte schon, dass es nur mir so geht.. Ich empfinde auch, dass der Partner ze.tt hier durchaus nochmal überdacht werden sollte, wenn man an der oben genannten Leitlinie festhalten will.“

    Mir ist allgemein nicht ganz klar, welches Konzept man mit Ze.tt verfolgen will. Ursprünglich entstand Ze.tt ja mal als Rektion auf den Erfolg von Formaten wie Bento, wo man ohne echte Inhalte und redaktionellen Aufwand, dafür mit viel clickbaiting Reichweite erzeugen konnte. Auf der Welle wollte man mitschwimmen und dabei einen „progressiven“ Touch haben. Ergebnis war ein Format, das weder inhaltlich auftrumpft, noch Reichweite erzeugt. Inzwischen wirkt Ze.tt nur noch wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Gender-Studies-Absolventen und talentlose Autoren, die sich als Feministen bezeichnen.

    Wäre mal interessant zu erfahren, worin man die Aufgabe von Ze.tt im Redaktionsnetzwerk sieht.

  2.   Madame Fu

    Die Leitlinien finde ich gut. Ein kleines Detail wirft aber Fragen auf:
    „2) Wir kritisieren unerschrocken, aber scheuen uns auch nicht, für jemanden oder für etwas zu sein.“
    Heißt das im Umkehrschluß auch gegen jemanden oder etwas zu sein? Besonders die letzten Wochen (aber auch immer wieder die letzten Jahre, je nach Thema) waren ja geprägt von einer Art Kampagne gegen eine bestimmte Person, was sich in den Artikeln in der Wortwahl und Darstellung niederschlug. Für mich und viele Mitforisten hatte das nichts mehr mit journalistischer Objektivität zu tun.
    An dieser Stelle möchte ich mich für das Forum auf ZON bedanken – es ist in unseren Zeiten quasi der Marktplatz, wo aktuelle Themen kommentiert und diskutiert werden und man erfährt immer etwas Neues.

  3.   ke1ner

    >>Konformismus macht uns skeptisch, wir schätzen die Kontroverse<< – Sie wollen Diskussionen, Meinungsaustausch und -bildung befördern, erkennbar ganz anders, als dies z.B. die BILD mit ihrem Slogan beabsichtigt, 'BILD dir deine Meinung' ist eine klare Ansage, was wie zu denken sei.

    Dennoch sehen Sie sich immer mal wieder mit dem Vorwurf – ich habe ihn schon selbst geäußert, schwanke aber – konfrontiert, es gehe Ihnen nicht allein um die demokratische Debatte, sondern Sie böten vor allem rechten, nur notdürftig kaschierten rechtsextremen Positionen unangemessen viel Raum, um 'Klicks' zu generieren, veranstalteten sozusagen Hahnenkämpfe der Auflage wegen – was entgegnen Sie?

    Leserbriefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder, Online Kommentare sicher auch nicht – wie relevant aber ist Ihr "Standort" – "Er ist liberal, ideologiekritisch, weltoffen, unverrückbar demokratisch und sozial" – bei der Redigierung solcher Beiträge?

  4.   EinMänsch

    Gute Grundsätze, danke für die Mitteilung!

    @Jochen Wegner: freut mich, dass Sie das auch so sehen. Das meine ich nicht kritisch, einfach dass es da sicher noch viel (mehr und breiter) zu berichten gibt (von mir aus auch gern auf Kosten von etwas Tagesgeschehen).

    Zuletzt, auch Teil von 9): Gern mehr Ausgewogenheit zwischen positiven und negativen/alarmierenden Nachrichten und Weltgeschehen. Man liest so viel von Letzterem und vergisst dann zu schnell, dass auch vieles ganz gut läuft und Probleme auch gelöst und Situationen verbessert werden :-)

  5.   Absolute-Arrhythmie

    Mit anderen Worten, man will sich wieder an journalistische Grundsätze halten?
    Das impliziert natürlich, dass das in letzter Zeit nicht so lief.
    Respekt, wenn das tatsächlich realisiert werden würde, allerdings lassen mich die jüngsten, tendenziösen Artikel daran zweifeln.

  6.   psychologic

    Um die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit zu garantieren, ist es meines Erachtens auch unerlässlich, alle Diskussionsforen in einer ähnlichen Form redaktionell zu begleiten. Mir fällt es insbesondere bei den Artikeln zum Thema Flüchtlinge/Migration auf, dass meine Beiträge erst gar nicht veröffentlicht werden (also auch der Nichtveröffentlichungsgrund gar nicht genannt wird). Ich kann 100%ig versichern, dass sich diese immer innerhalb der Netiquette bewegt haben. Das lässt dann subjektiv doch eher das schale Gefühl zurück, dass bei zumindest diesem Thema eine sachliche Diskussion verschiedener Standpunkte nicht erwünscht ist.

  7.   Auslandsicht

    Prima! Herzlichen Glückwunsch!
    Da können sich andere Medien (z.B. auch der Spiegel) etwas abschauen.
    Alles Gute auch für die Umsetzung!

  8.   WMichel

    Deswegen habe ich Euch abonniert.

  9.   Mogadischu Paule

    Das hört sich ja alles sehr gut an. Auch das Bekenntnis von ZON/Zeit eine liberale Zeitung zu sein, lese ich so zum ersten Mal.

    Aber bei dem hier wurde ich stutzig:

    “Konformismus macht uns skeptisch, wir schätzen die Kontroverse. Wir pflegen die Pluralität der Meinungen, inhaltliche Differenzen stellen wir zur Diskussion und bitten unsere Leser um Widerspruch und Ergänzung.“

    Das galt für Thomas Fischer – wenngleich nur Gastautor – wohl nicht.

  10.   Einhon

    Herrn Wegner:
    Kürzlich ist mir auch eine stillschweigende Änderung aufgefallen, die inhaltlich einen ziemlichen Unterschied darstellte.
    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/cdu-hans-georg-maassen-brief-annegret-kramp-karrenbauer?cid=22330928#cid-22330928

    Anmerkung JW: Was genau war die Änderung?

 

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