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Warum wir unser Corona-Dashboard nach knapp drei Jahren von der Homepage nehmen

 

Eine Nachrichtenseite lebt vom schnellen Wechsel: Ständig kommen neue Meldungen herein, nach ein paar Stunden muss ein Artikel etwas Neuem weichen. Doch auf der Startseite von ZEIT ONLINE gibt es seit dem 26. Februar 2020 ein festes Element: das Corona-Dashboard, auf dem sich Inzidenzen, Todesfälle, Krankenhausbelegungen und Impfquoten aus Deutschland und der Welt ablesen lassen. Ein großes Team und eine aufwendige Infrastruktur sorgen dafür, dass die Zahlen stets aktuell sind. Noch bis Mitte vergangenen Jahres hatten wir die Daten rund um die Uhr aus den Landkreisen selbst recherchiert.

Nach beinahe drei Jahren nehmen wir das Dashboard nun von der Homepage. Die Artikel zu Corona-Zahlen aus Deutschland und aus dem Rest der Welt sowie zu Corona-Impfungen behalten wir bei und werden sie vorerst auch weiter mit den jeweils neuesten Zahlen bestücken. Doch die prominente Präsentation auf der Startseite endet.

Das Dashboard wurde im Laufe der Jahre immer wieder aktuellen Gegebenheiten angepasst

Covid-19 bleibt eine gefährliche, mitunter tödliche Krankheit. Das möchten wir mit unserer Entscheidung nicht infrage stellen. Unsere Gesundheitsredakteure und Nachrichtenjournalistinnen werden Sie auch weiterhin mit allen wichtigen Neuigkeiten zu Virusvarianten, Forschungsergebnissen und politischen Entwicklungen versorgen.

Der wichtigste Grund dafür: Die Fallzahlen bilden das Infektionsgeschehen immer schlechter ab. Die gegenwärtigen Fallzahlen lassen sich so kaum noch mit denen früherer Wellen vergleichen.

Noch nie fanden alle Fälle lückenlos Eingang in die Statistik – doch die Dunkelziffer hat sich erheblich erhöht. Die meisten Behörden erfassen weiterhin nur Infektionsfälle, die ein Labor per PCR-Test bestätigt hat. Viele Menschen beschränken sich allerdings auf einen Selbst- oder Schnelltest und isolieren sich anschließend in Eigenverantwortung. Sie bleiben ungezählt. Die meisten Testcenter sind längst geschlossen, Gesundheitsämter haben ihren Personaleinsatz zum Erfassen, Nachverfolgen und Berichten der Infektionsfälle zurückgefahren. All diese Faktoren machen die Statistik zunehmend unzuverlässig.

Bislang gibt es keine Indikatoren, die sich besser als die Melde-Inzidenz zum Beschreiben des Infektionsgeschehens eignen. Eine repräsentative Bevölkerungstestung findet in Deutschland weiterhin nicht regelmäßig statt. Einige Städte untersuchen inzwischen ihr Abwasser regelmäßig auf Spuren des Sars-Cov-2-Virus. Die Datenerfassung ist allerdings noch im Aufbau und nicht flächendeckend verfügbar. Den Ansprüchen an eine aussagekräftige Statistik genügt am ehesten die tägliche Erfassung der mit Covid-Patienten belegten intensivmedizinischen Krankenhausbetten – deren Zahl immer kleiner wird.

Auch im europäischen und weltweiten Ausland verlieren die Corona-Zahlen an Aussagekraft. Die Johns-Hopkins-Universität, lange auch für uns eine zentrale Datenquelle, hat ihre Meldungen bereits im Herbst des vergangenen Jahres deutlich heruntergefahren.

Ein weiterer Grund, weshalb wir die Infektionszahlen künftig weniger prominent zeigen: Das Coronavirus befindet sich im Übergang von der pandemischen in die endemische Phase. Aus dem ausgeprägten und unvorhersehbaren Auf und Ab wird bald ein kontinuierlicheres Infektionsgeschehen werden, vor allem im Winterhalbjahr. Die einzelnen Infektionswellen verlieren an Wucht. Schwere, intensivpflichtige Erkrankungen sind dank weitverbreiteter Impfungen und der Dominanz von Virusvarianten mit vergleichsweise milden Symptomen selten geworden. Eine großflächige Überlastung der Krankenhäuser, wie sie in früheren Wellen drohte, ist damit unwahrscheinlich geworden. Und damit verlieren die Corona-Zahlen an nachrichtlicher Relevanz.

Insbesondere für Menschen mit Risikofaktoren kann es weiterhin Sinn ergeben, sich etwa mit einer Gesichtsmaske vor dem Virus zu schützen. Aber die tagesaktuelle Inzidenz in Ihrem Heimatlandkreis hat für die persönliche Risikoeinschätzung an Bedeutung verloren.

65 Kommentare

  1.   chris4freedom

    Herzlichen Dank für eure super Arbeit, über drei Jahre war das Dashboard eine sehr wertvolle Datenaufbereitung!

    Und ich kann eurer Argumentation, dies nun aufzugeben, voll und ganz zustimmen. Freut mich für uns alle!

    Also nochmal HERZLICHEN DANK an das Team.

    Dr. med. C.V.

  2.   Jadoo6

    Dem Dank kann ich mich nur anschließen, auch wenn ich der Ansicht bin, diese Entscheidung kommt rund vier Monate zu spät, denn die Zahlen sind schon seit Monaten so unbrauchbar.

    Und ich hätte mir mehr kritische wie wissenschaftliche Begleitung bei so heruntergespielten Themen wie
    – „Sommergrippe“
    – Endemie an sich
    – die Bedeutung der Impfung in einer endemischen Betrachtung sowie
    – Empfehlungen im kritischen Übergang bei gleichzeitigen üblichen anderen Viren-Erkrankungen Herbst und Winter
    gewünscht.

    Allein die vielen Sterbe- und Krankheitsfälle im Dezember und Januar mit entsprechenden Folgen in allen Bereichen der Gesellschaft wurden mir zu wenig und oft nicht faktisch richtig beleuchtet.

    Vielleicht sollte nochmal genauer aufgezeigt werden, was der Wechsel von Pandemie zu Endemie bedeutet, damit dieser populistische wie falsche Begriff vom „Ende der Pandemie“ klarer hinterfragt und die damit neuen Risiken für uns alle in der Zukunft klarer kommuniziert werden.

  3.   wolfgang.thomas@netzwerkreklame.de

    Ich hab das früher intensiv genutzt, jetzt schon länger nicht mehr.

    War eine super Infoquelle, die glücklicherweise nicht mehr gebraucht wird.

  4.   Yaz

    Schade, in der letzten Zeit waren das doch fast die einzigen guten Nachrichten.

  5.   Marcus

    Danke für eure akribische Arbeit. Es war hilfreich, aber alles hat seine Zeit.

  6.   Mizzo

    Und tschüss

  7.   Jörg

    Vielen Dank für die vielen Informationen und Grafiken, die ich in der Corona-Zeit oft genutzt habe!

  8.   BeRootOrReboot

    Mir hat das Dashboard sehr gefallen, doch die geringere Aussagekraft der Eingangszahlen lässt es unsinnig erscheinen, diese noch in derselben Form aufzubereiten, die uns in den Hochphasen der Pandemie so gute Dienste geleistet hat.

    Für die große Mühe der Datenerfassung und Aufbereitung möchte ich mich herzlich bedanken.

    Gespannt bin ich auf die Zukunft altermativer Instrumenteanbieter, die erst relativ kürzlich den Nachrichtenmarkt betreten haben (Robert-Koch-Institut Pandemieradar z.B. in der Corona-Warn-App) angesichts der fortschreitenden Datenausdünnung, die auch dort zutrifft.

    Liebes Zeit-Online-Team, vielen Dank, es war gut, solange es geliefert wurde.

  9.   tranquillity

    Schade, habe gerade danach gesucht. Im Nachbarkreis gibt es wohl eine Zunahme um 100%. Naja, es gibt zum Glück andere Zeitungen, die nicht so voreilig sind.
    Die Daten waren bei der ZEIT immer sehr übersichtlich dargestellt, danke dafür.

  10.   Advokat des Lebens

    Würde man, wie von der Redaktion auch bemängelt, wirklich repräsentative Stichproben quer durch die Bevölkerung erheben wäre das Dashboard wieder ganz schnell ganz oben auf der Titelseite.

 

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