Standards und Regeln von ZEIT und ZEIT ONLINE
Die Standards und Regeln, die im Folgenden formuliert sind, haben bei ZEIT und ZEIT ONLINE schon immer gegolten. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe, die sich nach den jüngsten Debatten um die Wahrhaftigkeit im Journalismus getroffen hat, hat sie nun noch einmal explizit formuliert und mit den Redaktionen diskutiert.
Wir veröffentlichen sie auch hier in unserem Blog „Glashaus“, um sie unseren Leserinnen und Lesern transparent zu machen.
Unsere Autorinnen und Autoren können dramaturgische Mittel benutzen, um die Wirklichkeit in Szene zu setzen – nicht aber, um die Darstellung der Wirklichkeit zu verfremden.
Aus mehreren Personen, Orten oder Ereignissen darf beim Schreiben des Textes nicht eine Person, ein Ort oder ein Ereignis werden. Nicht erlaubt ist das Verschieben von Details in einen anderen Zusammenhang.
In einem Text, in dem unmissverständlich von einer chronologischen Folge von Ereignissen die Rede ist, darf diese Chronologie nicht verfälscht werden.
Wörtliche und indirekte Zitate verwenden unsere Autorinnen und Autoren mit Nennung der Quelle. Sofern dies etwa aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen erforderlich ist, sind die Quellen im Text zu anonymisieren, müssen aber gegenüber der zuständigen Ressortleitung beziehungsweise der Chefredaktion auf Nachfrage offengelegt werden.
Wörtliche Zitate haben unsere Autoren in der Regel persönlich gehört und protokolliert. Andernfalls muss die ursprüngliche Quelle aus dem Text hervorgehen. Davon ausgenommen sind Zitate, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind.
Augenzeugenschaft darf im Text nicht vorgespiegelt werden. Schilderungen und Erlebnisse, die aus zweiter Hand stammen, weil unser Autor nicht persönlich dabei war, sind als solche zu kennzeichnen. Betrifft dies ganze Passagen eines Textes, so können diese Passagen auch summarisch mit einem Hinweis versehen werden.
Es werden in aller Regel die Klarnamen von Quellen, Protagonisten und Zitatgebern genannt. Veränderungen von Namen oder damit verbundener Details sind durch einen Hinweis am oder im Text kenntlich zu machen. Solche Anonymisierungen sind nur erlaubt, wenn Quellen, Protagonisten oder Zitatgeber aus einem wichtigen und nachvollziehbaren Grund ein Schutzbedürfnis haben. Den Grund für die Anonymisierung nennen wir in der Regel.
Keiner unserer Autoren lässt ein ganzes Manuskript vorab autorisieren. Unsere Autoren können einzelne Zitate – gegebenenfalls im Kontext – zum Autorisieren vorlegen, wenn dies so vereinbart wurde – ebenso Wortlaut-Interviews.
Besondere Umstände der Recherche, die auf die Arbeitssituation unserer Autoren starken Einfluss haben beziehungsweise die Arbeitssituation beeinträchtigen (zum Beispiel regierungsnahe Aufpasser während der Recherche), sind im Beitrag zu nennen.
Unsere Autoren legen in allen Fällen, in denen dies von der zuständigen Ressortleitung beziehungsweise der Chefredaktion verlangt wird, in einem kurzen Protokoll die Kontaktdaten ihrer Protagonisten und etwaiger Recherchepartner (zum Beispiel Stringer oder Übersetzer) vor, auf Nachfrage auch Dokumente ihrer Recherchen. Falls davon in Ausnahmefällen abgewichen wird, muss dies begründet sein.
Jeder unserer Autoren ist damit einverstanden, dass Texte von der Redaktion auf sachliche Richtigkeit hin geprüft werden können, indem insbesondere die Quellen geprüft werden – in begründeten Fällen auch durch Anrufe bei Gesprächspartnern der Recherche. Dies gilt auch für jeden Redakteur und jede Redakteurin von ZEIT und ZEIT ONLINE, ohne Ansehen der Person. Die mögliche Überprüfung der Manuskripte fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen Ressorts, welche die Texte betreuen.
Unabhängig davon prüfen Redakteurinnen und Redakteure von ZEIT und ZEIT ONLINE im Auftrag der Chefredaktion nach dem Zufallsprinzip regelmäßig ausgewählte Beiträge.
Fallen bei den Überprüfungen von Texten gravierende Unsauberkeiten auf, die auf Täuschungsversuche schließen lassen, so ist die Chefredaktion sofort zu informieren.
Danke für diese Hinweise. Ich vertraue der ZEIT dort sehr. Jetzt wäre es nur noch schön, wenn solche Standards des guten Arbeitens bzw. Recherche überhaupt beim Schwestermagazin „ze.tt“ eingehalten würden. Diese liefert diesbezüglich nämlich ein mehr als miserables Bild ab.
Ich vermisse „Objektivität“, einmal oberstes Gebot im Journalismus. Heute scheint „Haltungsjournalismus“ wichtiger zu sein, als halbwegs objektive Berichterstattung…^^
Vernünftige Regeln.
falls es ausser mir sonst noch wer nicht wusste:
Stringer (Journalismus), ein journalistischer Freelancer, der verschiedenen Agenturen und Zeitungen Reportagen liefert, die jeweils einzeln bezahlt werden
(wikipedia)
Wenn ich einen Wunsch/Vorschlag in den Raum stellen darf: Quellen, sofern sie bspw. frei im Internet verfügbar sind, zu verlinken oder zumindest am Ende aufzulisten. Wäre für mich irgendwie 2019.
„Unsere Autorinnen und Autoren können dramaturgische Mittel benutzen, um die Wirklichkeit in Szene zu setzen – nicht aber, um die Darstellung der Wirklichkeit zu verfremden. “
Bitte nennen Sie doch ein paar Beispiele, wie das aussieht.
Wahrhaftigkeit? Ist ZON jetzt schon in metaphysischen Gefilden unterwegs?
@ Alle
Ich bin der Überzeugung, dass ZON nicht bewusst wahrheitswidrig unterrichtet, aber die unvollständige Darstellung von Fakten ist ein Problem – nicht nur bei ZON.
Da fehlen ein paar zentrale Punkte:
– Kein Weglassen oder Unterschlagen von Fakten…
– Keine politisch einseitige Berichterstattung…
– Kein bewußtes Ausgrenzen von Positionen und Ereignissen („a la Tagesschau“)…
– Keine Diffamierung & Ideologiewertung (z.B. „*extrem* et.al.)…
– Eben keine persönlich empfundene Dramaturgie > Inhaltsverfälschend…
– Weder Pauschalisierungen (z.B. „Die XXX will…“) noch Sippenhaft…
De facto halte ich obige Standards für absolut unzureichend, wenn es um professionellen, Journalismus geht.
Über so ziemlich alles berichtenswerte gibt es immer mehrere Aspekte die man anbringen kann, oder eben auch nicht. Das weglassen von Tatsachen sind keine Lügen oder Fake-News, es wird einfach nur verschwiegen.
Aber macht das den Journalismus glaubhaft?