Die beschriebenen Szenen eines im Frühjahr 2017 auf ZEIT ONLINE veröffentlichten Gastbeitrags sind wahrscheinlich weitgehend erfunden: Das Problem mit dem Penis, so der Titel des Beitrags, dreht sich um eine angebliche Aufklärungs-Sprechstunde mit Geflüchteten in einer deutschen Kleinstadt.
Eine Anfrage des Spiegel hat uns auf die mögliche Fälschung aufmerksam gemacht und wir haben diesen Beitrag in den vergangenen Tagen nochmals eingehend geprüft und mit der Autorin, ihrem mittlerweile eingeschalteten Anwalt, ihrer Familie sowie weiteren möglichen Zeugen gesprochen. Wir haben vor Ort Fakten des Textes und die Vita der Autorin überprüft.
Wir gehen derzeit davon aus, dass die Autorin ihr Umfeld, uns und andere Medien getäuscht hat. Wie konnte es zu der Veröffentlichung auf ZEIT ONLINE kommen?
Prüfung vor Veröffentlichung
Auf die Autorin des Gastbeitrags wurden wir durch einen vielbeachteten Tweet im Januar 2017 aufmerksam. Die Autorin hatte in ihrem Blog einen Text veröffentlicht, in dem sie Aufklärungssprechstunden beschrieb, die sie mit Geflüchteten in einer deutschen Kleinstadt abhalten würde.
Wir baten sie um ein persönliches Treffen. In dem Gespräch befragten eine Redakteurin und ein Redakteur die Autorin sowohl zu dem Projekt als auch zu ihrer Vita, da der Blog-Text auf vermeintlich autobiografischen Erlebnissen beruhte. Die Autorin beantwortete alle unsere Fragen präzise und plausibel und machte insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck auf uns. Wir hatten die Vita der Autorin zuvor geprüft und unabhängige Belege für ihren akademischen Werdegang, ihre Ausbildung und Arbeitsstelle, ihr soziales Engagement und für einen von ihr beschriebenen Auslandsaufenthalt gesichtet.
Nach dem Gespräch prüften wir die Existenz jener Praxis, in der die Sprechstunde stattfinden sollte. Wir überprüften die Beschreibungen der von ihr angegebenen Stadt, die im Beitrag selbst nicht genannt wird. Wir überprüften persönliche Angaben aus dem Gespräch, ebenso ihre behaupteten, ungewöhnlichen Sprachkenntnisse.
Unsere stichpunktartigen Überprüfungen ergaben keine Zweifel, dass die Aussagen der Autorin sowohl zu ihrer Person als auch zu der beschriebenen Aufklärungsstunde auf der Wahrheit beruhen.
Wir veröffentlichten den Text im Februar 2017 auf Wunsch der Autorin unter einem Pseudonym, weil sie, wie sie uns erklärte, um ihre Sicherheit fürchtete. Wir haben am Ende des Textes darauf hingewiesen, warum wir den Namen der Autorin und der Stadt nicht nennen – allerdings entgegen unseren schon damals geltenden Regeln nicht explizit genug gemacht, dass es sich beim angegebenen Autorennamen folglich um ein Pseudonym handelt.
Erste Hinweise auf Falschinformationen
Nach Veröffentlichung erreichten uns im Jahr 2017 sukzessive einige Hinweise von Lesern mit der Vermutung, dass Teile des Artikels und der Vita der Autorin nicht stimmten. Wir überprüften daraufhin die Vorwürfe und unsere Recherche zur Autorin. Wir versuchten auch mehrfach vergeblich, die Autorin auf verschiedenen Wegen zu erreichen, um sie mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir die Zweifel weder bestätigen noch ausräumen.
Erneute Prüfung
Am 27. Mai 2019 erreichte uns ein Hinweis des Spiegel, der nahelegt, dass die Geschichte um die beschriebenen Aufklärungsstunden erfunden sei. Wir nahmen daraufhin erneut und diesmal erfolgreich Kontakt mit der Autorin auf und baten sie um eine Stellungnahme.
In einem Telefonat versicherte sie erneut die Authentizität ihrer Geschichte. Sie nannte uns Adressen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern von Menschen, die sie bestätigen könnten. Wir sind den Hinweisen der Autorin nachgegangen und haben darüber hinaus weitere Personen, Institutionen und Behörden kontaktiert. Wir sind in die von ihr benannte Kleinstadt gefahren und haben vor Ort die genannten Adressen und weitere Personen überprüft.
Dabei haben wir festgestellt, dass die Autorin – wohl erneut – versuchte, uns mit Scheinidentitäten, falschen Zeugen und vermeintlichen Belegen zu täuschen. Hierfür hat sie etwa die Identität einer verstorbenen Person benutzt, um in deren Namen E-Mails an uns zu schreiben. Zudem hat sie versucht, uns über die Existenz und die Lebensumstände von Verwandten und ihre Familienverhältnisse zu täuschen.
Erst ein Besuch bei einer engen Verwandten schaffte Klarheit über das Ausmaß der Legende, die sie offensichtlich seit vielen Jahren aufgebaut hat. Die Autorin hat Teile ihrer Biografie erfunden, andere verfälscht, und mit großem Aufwand jahrelang öffentlich vorgetäuscht, eine Person zu sein, die sie nicht ist. Selbst Teile ihres engeren Umfelds scheinen ihren Schilderungen bis heute zu glauben. Wir haben die Autorin mit diesen Recherchen konfrontiert, sie möchte sich derzeit nicht dazu äußern.
Fazit
Nach derzeitigem Stand müssen wir davon ausgehen, dass die in unserem Beitrag geschilderten Ereignisse weitgehend falsch sind. Der Beitrag hätte nie erscheinen dürfen. Wir bedauern dies sehr und entschuldigen uns bei unseren Leserinnen und Lesern.
Die Faktenchecks vor Veröffentlichung und nach Eingang der ersten Hinweise von Lesern waren bei Weitem nicht ausreichend. Auch dieser für uns ausgesprochen ärgerliche Fall zeigt, dass wir unsere Prüfmechanismen verschärfen müssen, wie es derzeit auch geschieht.
Aus Transparenzgründen haben wir den Beitrag nach unserer Überprüfung noch einige Tage frei zugänglich belassen, ihn am 26. Juni 2019 jedoch von unserer Website entfernt und verweisen an der entsprechenden Stelle auf diesen Blog-Beitrag.
Aktualisierung
Nach einer Recherche der Irish Times wurde die Autorin am 17. Juli 2019 in ihrer Wohnung in Dublin tot aufgefunden.
„Daß die Kommentatoren sich überschlagen vor Bewunderung für die „Ehrlichkeit“ der ZON, ist wohl auch eheriherer Ideologie geschuldetals der wirklichen Überzeugung.“
Vielleicht hatte die Dame auch einfach einige Accounts.
Die Presse veröffentlicht ja täglich Beiträge von Menschen, die lügen und täuschen.
Diese Menschen machen es jedoch professionell. Lobbyisten scheinen das machen zu dürfen.
Ich würde mich richtig freuen, wenn ich jemals eine deutliche Klarstellung, wie diese diese, lesen dürfte.
Der Autorin und Ihnen ist zugute zu halten, dass der Beitrag wenigstens Literatur ist, sehr gute sogar. Bei erscheinen des Artikels (ich habe in damals schon wegen der Überschrift nicht gelesen) war mir wegen der Aufmachung und der Thematik nicht recht wohl. Zwar ist es unbestreitbar, dass jeder/jede ein bisschen Aufklärung (mehr) vertragen kann, doch war mir die generalisierte Auffassung, Leute aus bestimmten Regionen bräuchten viel mehr davon, etwas übertrieben. Es ist wahr, wir wissen nicht, was in anderen Gesellschaften geschieht. In unserer aber auch nicht, wenn man an die immer wieder zutage tretenden Missbrauchsfälle in bestimmten Milieus denkt. Das aber Menschen in dem Raum von Algier bis Kabul besonderen Bedarf hätten, diese Auffassung teile ich ganz generell nicht. Aus meiner nur exemplarischen Erfahrung heraus kann ich nur sagen, das gerade religiöse Regeln die intensive Beschäftigung mit dem was Mann tut, eine besondere Auseinandersetzung mit der Männlichkeit vom Ausübenden verlangt. Bei Kenntnis verschiedener Aspekte des Zusammenlebens hätte das Werk wegen seiner Ecken- und Kantenlosigkeit stutzig machen müssen, weil bis auf ein paar Übersetzungen von Schlagwörtern, hauptsächlich hiesige Ansichten zum Thema transportiert wurden. Das sage ich völlig ohne Häme und Schmäh.
War klar, dass auf diesen Artikel hin die Lügenpressebrüller und in Wahrheit Fakenewsliebhaber hier ihre Stimme erheben würden.
Ich zitiere mal aus den Blogkommentaren, gnädigerweise ohne Namensnennung: „Der Spiegel-Skandal war eine Sache und nun rückt auch ZON in ein sehr schlechtes Licht. Der Vergleich mit RT oder Compact ist da auch durchaus angebracht, denn offensichtlich geht es nicht mehr um Fakten, sondern nur noch um Stimmungsmache.“
Der krasse Unterschied zwischen willentlicher, bewusster Streuung von Falschmeldungen und dem veröffentlichen von Artikeln, die nicht ordentlich genug überprüft wurden, deren Prüfung aber nachgeholt und deren Ergebnis mitgeteilt wurde ist diesem ‚Kommentator‘ (ich würde ja als Bezeichnung ‚Troll‘ bevorzugen) offensichtlich nicht bekannt.
Es gehören immer zwei Seiten dazu. Die einen die betrügen wollen und die die sich betrügen lassen wollen. Oder glauben Sie im Ernst, das Ihnen der Fake nicht schon damals aufgefallen waere, wenn diese Dame eine islamophobe oder islamkritische Story im Angebot gehabt haette ?
Ah ja. 2017 massiv Stimmung für die eigene Haltung machen. Dann zwei Jahre später einfach einen dürren Text : „Mea culpa Leute, wir haben uns täuschen lassen“.
Denken Sie eigentlich das das reicht ?
Die ZEIT als zitierfähiges „Qualitätsmedium“ betreibt übelste Propaganda mit Fakenews. Der Schaden ist eingetreten, die öffentliche Meinung, wie bei Relotius, in der entscheidenden Phase, als es darum ging ob Seehofer sich mit einem rechtstaatlichen Kurs in der Asylanten“Migrations-Politik durchsetzen kann zu manipulieren.
Manipulation gelungen. Jetzt kann man ja zugeben : „Sorry Leute, die Autorin hat uns getäuscht“.
Absolut lächerlich. Wenn jemand die Zeit nach Erscheinen dieses unsäglichen Artikels kritisiert haette nach dem Motto „Dieser Text stinkt doch zum Himmel“ waere das ein ganz schlimmer Hetzer, Rassist oder gleich Nazi gewesen, sowohl für Ihre Redakteure als auch für Ihre Leser.
Das sie offen damit umgehen finde ich gut. Aber unter dem Artikel von Sophie Roznblatt ist ein Kommentar zu entnehmen, der verdeutlicht das ihre Leser sich Gedanken machen, die sie sich nicht gemacht haben.
Eine Unterstellung;) meinerseits die ich mir nicht verkneifen kann, denn es macht einen wütend, dieses Gift des Misstrauens zu spüren. Welcher Artikel ist gedopt, also ausgeschmückt, welcher Meinungsmache oder durch und durch gelogen. Hingst hat gelogen wie Claas Relotius!
Es macht wütend, das man das Gefühl hat, das Artikel durchgewunken werden, wenn sie einer bestimmten Vorstellung entsprechen.
Wenn eine Geschichte plausibel erscheint, glaubt man sie auch eher. Betrüger sind im Grunde intelligente Menschen, die ihre Fähigkeiten für dubiose Spielchen missbrauchen. Ich glaube, dass bei ihnen die Wahrnehmung durch diese Lügen verändert wird und sie am Ende gar nicht mehr wissen, was Wahrheit ist. Die lügen, auch wenn es gar nicht nötig wäre. Für andere Menschen ist es sehr schwer, dieses Lügengebilde zu durchschauen, es dauert seine Zeit, bis aus dem anfänglichen Vertrauen Zweifel auftauchen. Und dann sucht man Beweise für diese Ungereimtheiten, das Misstrauen ist geweckt.
Der ZEIT kann ich nur sagen, dass solche Fehler passieren. Man sollte sich immer darüber im Klaren sein, dass man solchen Schwindlern aufsitzen kann.
Wenn man sich anschaut, was Auslandskorrespondenten in der NYtimes oder CNN über Berlin so veröffentlichen, dann scheint das Problem wohl weiter verbreitet zu sein, als man denkt. Etwas schreiben, was den Vorverständnissen von Lesern entspricht.
Reden Sie sich doch nicht raus.
Wer sowas veröffentlicht
„Im Jahr 2016 hat es in dem indischen Slum zwei dokumentierte Vergewaltigungen gegeben, vor zehn Jahren waren es noch an die 1.000.“
kann doch nicht ernsthaft behaupten, eine Plausibilitätsprüfung gemacht zu haben.
Oder ist die Frau Hingst da mal eben zur Slum-Polizeiwache und hat die Vergealtigungsstatistik für einen Ort, an dem offiziell niemand wohnt, abgefragt, die ihr der freundliche indische Polizist auch sogleich dienstfertig zur Verfügung gestellt hat?
Da muss man doch Indien nicht kennen, um zu wissen, dass diese Zahlen aus der Luft gegriffener Mumpitz sind.
Und der Artikel ist ja voll mit so einem völligen Schwachsinn, die Oma Jahrgang 1922, die mal eben den Unterschied von Klitoris und Vagina erkört, mit eingeschlossen.
Nein, Zeit-Online, ihr seid hier voll verantwortlich und es müssen Verantwortliche genannt und entlassen werden.