Lieber Leser, Sie sind bestimmt wegen Josef Ackermann an diesem Blog hängengeblieben. Danke dafür. Gedulden Sie sich kurz, ich muss etwas ausholen:
450 ppm – das ist die bislang die magische Schwelle, wenn man über Erderwärmung spricht. Will man eine durchschnittliche Temperatursteigerung von zwei Grad Celsius in Kauf nehmen, dann darf die CO2-Konzentration in der Luft 450 ppm nicht überschreiten.
Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell, einer der „Väter“ des Erneuerbare-Energien-Gesetz, hat jetzt einen ambitionierteren Plan vorgelegt (pdf: Finanzwirtschaft und Klimaschutz _Mai 2010). Weil sich die Stimmen mehren, dass das zwei-Grad Ziel zu schwach sein könnte und die Ererwärmung weitaus schneller als gedacht voranschreitet, legt er die Latte höher. Er will 330 ppm erreichen.
Das allerdings hat weitreichende Folgen. Denn zum einen dürften keine neuen CO2-Emissionen entstehen. Und wir müssten der Atmosphäre sogar aktiv Kohlendioxid entziehen.
So´n Unsinn, denken Sie vielleicht. Aber es gibt tatsächlich Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit solchen Szenarien auseinandersetzen. Da sind etwa Jacobson und DeLucchi von den kalifornischen Universitäten Stanford und Davis. Glaubt man ihren Kalkulationen, dann wäre eine Umstellung auf 100 Prozent Ökoenergie bis 2030 machbar.
Fragt sich nur, zu welchem Preis, oder? 100.000 Milliarden US-Dollar würde die Kompletttransformation bis 2030 kosten, sagen die beiden Amerikaner. Fell und die Energy Watch Group schätzen, dass im gleichen Zeitraum für fossile Brennstoffe Kosten in Höhe von 200.000 Milliarden US-Dollar entstehen (Hier das pdf-Dokument). Die Umstellung auf Öko wäre also deutlich günstiger – auch wenn man sicherlich über die Zahlen streiten kann.
Was folgt nun daraus, gerade für die nationale Politik? Für Fell ist klar: Der Emissionshandel bringt nicht die nötigen CO2-Einsparungen. Er will an andere Stelle ran, will die Förderung von regenerativen Energien ausbauen (kaum überraschend für einen Mitautoren des EEG). Vor allem aber fordert Fell die Streichung von Subventionen, insbesondere für die fossilen Energieträger, für die Chemieindustrie und industrielle Landwirtschaft.
Einen ungewöhnlichen Adressaten hat der Politiker zudem ausgemacht: die Finanzbranche, also Banken, Versicherungen, Pensionsfonds. Denn schließlich sind immense Kosten zu stemmen. „Ich will, dass nicht mehr nur Greenpeace zu Barack Obama geht und sich für einen ambitionierten Klimaschutz einsetzt, sondern auch Georg Soros“, sagt Fell und schreibt in seinem Papier:
„Es wäre hilfreich und sinnvoll, wenn bedeutende und führende Personen im Finanzsektor die erfolgreiche und durchgehende Umgestaltung der Investitionsrahmenbedingungen in allen klimarelevanten Sektoren als ernsthafte persönliche Pflicht aufgreifen, und mit persönlichem Einsatz wirksam vorantreiben.“
Vielleicht muss man einfach mal das Unmögliche denken: Warum sollte nicht auf dem nächsten Weltklimagipfel in Cancun Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann die Key Note-Speak halten…