Über 80 Prozent der Deutschen kennen den Blauen Engel, mehr als 11.000 Produkte sind mit dem geflügelten Logo gekennzeichnet. Positiv betrachtet ist es ein Zeichen ohne Mätzchen. „Kein Skandal hat seine Geschichte getrübt“, erklärt Edda Müller, die den Engel von „von klein auf päppelte“, wie sie sagt. Heute ist die renommierte Verbraucherschützerin stellvertretende Vorsitzende der Jury, die das Umweltzeichen vergibt.
Ob Büromöbel oder Matratzen – das Zeichen adelt die vorbildlichsten Produkte im Markt. Anfangs wurde der blaue Engel eingesetzt, um Unternehmen nach vorne zu treiben. Um endlich FCKW-freie Spraydosen zu bekommen, Bremsbeläge ohne Asbest oder Farben, die keine Schwermetalle enthalten. „Viele bedeutsame Umweltprobleme sind so gelöst worden“, erinnert sich Edda Müller.
Allerdings verbinden die Verbraucher das mit Lorbeerkranz umrahmte Logo momentan eher mit drögen Produkten wie Klebstoffen, Spanplatten oder Teppichböden. Damit das nicht so bleibt, hat Jochen Flasbarth, der Präsident des Umweltbundesamtes, erstmals zum „Tag des Blauen Engels“ eingeladen. Der Gedankenaustausch darüber, wie man dem Ganzen einen Frischekick verpasst, findet heute statt.
Zwar sind erste Schritte getan, so wurde der Umweltengel zum Klimaengel erweitert, aber gerade bei trendigen Produkten wie Notebooks oder Handys ist das Zeichen schwach. Für strahlungsarme Mobiltelefone gibt es zwar Standards, aber kein Hersteller will das Logo bislang auf seiner hippen Ware sehen. Flasbarth vermutet ein „Kartell der Hersteller“, die fürchteten, dass die Verbraucher sich misstrauisch fragten, was denn wohl mit den Telefonen sei, die kein Ökosiegel trügen. Eine berechtigte Sorge. Flasbarth fordert mehr „Initiative“ von Industrie und Handel, ökologisch einwandfreie Produkte auch zu kennzeichnen.
Ein Manko des Engels ist obendrein Ware, bei der es um mehr geht als um Umweltschutz, etwa um ethische Fragen. So wird Kleidung regelmäßig unter miesen Arbeitsbedingungen genäht. „Ein T-Shirt, das alle Umweltstandards erfüllt, ist noch nicht zwangsläufig ein gutes Produkt“, sagt Flasbarth. Aber die Kernkompetenz des himmlischen Zeichens sei eben der Ressourcenschutz. Das stimmt.
Edda Müller denkt ohnehin längst über simple Produkte hinaus. Zukunftsweisend wäre, wenn die Jury Umweltzeichen den Blauen Engel künftig auch für Dienstleistungen vergebe. Ob nun für ein Carsharing-Unternehmen, einen Fahrradverleih oder sogar einen wahrlich kompetenten Installateur einer energiesparenden Heizung. Das bedeutete in der Tat eine neue Ära für das Zeichen.