Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Clash der Kulturen

 

Die einen denken noch an Leinenkleider, die anderen längst an Laufsteg: So unterschiedlich ist das Image, das Ökomode in Europa und Amerika anhaftet. Während Kanadier Moral und Mode längst als Paar sehen, sprechen Franzosen und Deutsche noch von einer schwierigen Liaison. So lässt sich das Ergebnis einer internationalen Befragung von 120 Modeinteressierten zusammenfassen, die aktuell veröffentlicht wurde.

Die Forscherinnen der International University of Monaco hatten 70 Männer und 50 Frauen nach dem Bild der grünen Mode gefragt. Gleichzeitig beschrieben die Teilnehmer, wie sie sich die typische Kundschaft vorstellen. Die Ergebnisse zeigen einen Clash der Kulturen: Nordamerikaner denken an eine Frau in den Zwanzigern, die Ökoschuhe und Kleider trägt und dabei sowohl schlicht, aber auch sexy und selbstbewusst wirkt.  Die Europäer halten die Trägerinnen dagegen für spröde Frauen Mitte 40, bei denen Geld und Geschmack weit auseinanderklaffen.

Das ist insofern erstaunlich, als diese Mode längst marktgängig und tragbar ist und das Sortiment von Streetwear bis Prêt-à-porter reicht. Selbst ein Öko-Pendant für ein exklusives Abendkleid lässt sich finden. Hierzulande gibt es mit der „TheKey.to“ sogar eine grüne Modemesse, die parallel zur Berlin Fashionweek  stattfindet. Coolness ist also durchaus mit Ökogrundsätzen zu vereinbaren. Doch grün ist alle Theorie, wenn Klischees weiter so fest in den Köpfen verankert sind.

Was die Studie auch belegt: Es sind vor allem Prominente, die der grünen Mode in Nordamerika ein positiveres Image beschert haben. Haben erst einmal Celebrities wie die Hollywood-Schauspielerin Cameron Diaz ihren Kleiderschrank zumindest teils auf Grün getrimmt und zieren damit den Titel der Vogue, ist es mit dem Mief der Ökomode vorbei. Hierzulande fehlen solche Stars. Daran ändern auch Thomas D. von den Fantastischen Vier oder Schauspielerin Cosma Shiva Hagen nichts. Andere umweltbewegte TV-Größen wie Hannes Jaenicke stecken ihre Astralkörper immer noch lieber in Armani als in Bio.

Schwerer wiegt vielleicht noch, dass die Befragten beiderseits des Atlantiks der ökologisch  vorbildlichen Mode nicht wirklich trauen. Vor allem fragen sie sich, ob die Mode ihren Öko-Anspruch vom Acker bis in den Schrank durchhält: Produktionsschritte wie Färben und Bedrucken unterliegen einem Generalverdacht. Nicht zu Unrecht. Zwar wurden bei Anbau und Konfektion durchaus Fortschritte in puncto Ökologie und Fairness gemacht. Ein Manko bleiben aber beispielsweise Ausrüstungschemikalien, die Mode bügelleicht, schmutzabweisend oder immun gegen Schimmelpilzbefall machen. Sie sind zumindest zum Teil gefährlich für Mensch und Umwelt.

Die Studienteilnehmer wünschen sich ein gut erkennbares Zeichen auf der Ware, das ihnen Sicherheit garantiert. Momentan blüht allerdings der Zeichen-Dschungel. Ein gesetzlich geschütztes Zeichen wie bei Bio-Lebensmitteln gibt es nicht. Einen Automatismus, dass bio auch fair bedeutet und umgekehrt, sowieso nicht. So bleibt eine Unschärfe in dem wachsenden Markt, die die Branche anfällig für Skandale macht. Eine positive Bilanz ziehen die Forscherinnen jedenfalls: Wer sich für Mode interessiert, interessiert sich auch für Ökomode. Offenbar haben immer mehr Leute die Nase voll davon, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie sich schick anziehen.

Zum Weiterlesen: Cervellon_Green fashion_sept10