Der Ticker am Berliner Hauptbahnhof erinnert rein äußerlich betrachtet an den Countdown bei einem Raketenstart. Nur, dass beim Waldticker des WWF nicht rückwärts gezählt wird, sondern vorwärts. Die digitale Uhr zeigt, wie Minute für Minute Wälder weltweit verschwinden.
Unter dem Zähler prangt in großen Lettern der Satz: „Innerhalb der nächsten 60 Stunden verlieren wir Wald von der Größe Berlins“. Der WWF enthüllte seinen Ticker passgenau zum heutigen Start des UN-Jahres der Wälder. Trotz zahlreicher Initiativen gegen den Kahlschlag, blieben Erfolge bislang aus: Allein Südamerika verliert jährlich vier Millionen Hektar Wald pro Jahr. Afrika knapp über drei Millionen Hektar.
Ein Quäntchen mehr Aufmerksamkeit und symbolträchtige Aktionen kann das Thema Waldschutz also vertragen. Klugerweise belässt es der WWF nicht dabei. Denn der Wald verschwindet nicht einfach so, sondern auch durch unseren Konsum. Und so rechnen die Naturschützer vor, dass die Deutschen in den letzten Jahren im Schnitt 235 Kilo Papier jährlich verbrauchten. Damit liegt Deutschland EU-weit an der Spitze. Laut UN-Experten liegt der Grundbedarf an Toilettenpapier, Zeitungen oder Schulheften lediglich bei spartanischen 40 Kilogramm.
Der Wald bleibt natürlich nicht nur für Papier auf der Strecke, sondern auch um den wachsenden Bedarf an Fleisch, Futtermitteln, Holz oder Bioenergie zu decken. Aber immerhin gewichtige 40 Prozent des industriell geschlagenen Holzes werden zu Papier verarbeitet. Soll heißen: Aus fast jedem zweiten Baum wird heute Papier.
Allein 30 Kilogramm Werbeprospekte landen jährlich in deutschen Briefkästen. Das sind 1,3 Millionen Tonnen Papier. Ein Aufkleber: „Bitte keine Werbung“ würde diese Flut verringern. Sieben Milliarden Papier-Küchenrollen helfen beim Putzen. Schwammtücher wären ein Ersatz . Und vielleicht am beeindruckensten: Für den Kaffee unterwegs dienen sechs Milliarden Pappbecher. Ein Thermobecher täte es auch. Nur durch diese letzte Mini-Aktion müssten rund eine halbe Million Bäume weniger gefällt werden.
Eigentlich wissen wir doch, dass in allen diesen Wegwerfprodukten Wald steckt, oder? Fragt sich, warum uns simple Aktionen im Alltag so schwerfallen? Unterm Strich – das zeigen die neuen WWF-Statistiken – reden wir gerne über Umweltschutz, konsumieren aber ständig mehr. Etwa Papier. Als sei der ganze grüne Lebensstil nur eine Art Zuschauersport und nicht essentiell für ein modernes und aktives Bürgertum, das den sorgsamen Umgang mit begrenzten Ressourcen im Sinn hat.