Brasilien will den Schutz des Regenwalds dramatisch lockern. Zurzeit plant die Regierung ein Waldgesetz, das den illegalen Einschlag von Waldflächen, der bis zum Jahr 2008 getätigt wurde, legalisiert. Nach Schätzungen des WWF würde das bedeuten, dass die Agrarindustrie – und insbesondere die Viehwirtschaft – von der Pflicht befreit würde, 44 Millionen Hektar illegal eingeschlagenen Wald wieder aufzuforsten. Schaut man sich die gesamten Pläne an, dann steht nach WWF-Angaben eine Regenwald-Fläche so groß wie Deutschland, Österreich und Italien auf dem Spiel. Würde sie abgeholzt, würden die dadurch entstehenden Kohlendioxid-Emissionen das Weltklima mit 28 Milliarden Tonnen belasten. Zum Vergleich: Deutschland emittierte laut Umweltbundesamt im Jahr 2010 rund 830 Millionen Tonnen CO2.
Zurzeit hängt das Gesetz (Codigo Florestal) im Unterhaus. Der Senat hat eine Fassung verabschiedet, das Unterhaus hat seine Entscheidung darüber bereits zwei Mal verschoben. Die Hängepartie hat schon jetzt Folgen, Dokumentationen zeigten, dass der illegale Einschlag bereits wieder zunehme, so die Frankfurter Rundschau. Bei einer Veranstaltung in Berlin vergangenen Freitag sagte Cicero Lucena, erster Sekretär im brasilianischen Senat, er ginge davon aus, dass das Gesetz bis Juni verabschiedet sei.
Es ist ein wirklich pikantes, wenn nicht skandalöses Timing. Denn Mitte Juni wird sich die Welt in Brasilien zur großen „Rio+20“ Konferenz treffen. Auch wenn der Titel verdammt sperrig ist: Es wird der Weltgipfel zum Schutz von Klima und Umwelt sein. Nicht weniger als ein „Ergrünen“ der Volkswirtschaften ist geplant, sie sollen sich zu nachhaltigem Wachstum bekennen. Vor genau 20 Jahren trafen sich schon einmal die Regierungschefs in Rio de Janeiro. Damals legten sie die Fundamente für die Klimarahmenkonvention, zur Konvention zur Biologischen Vielfalt und zur Wüstenbekämpfung.
Und Brasilien hat in den vergangenen Jahren zum Teil mächtige Fortschritte gemacht. Das bisherige Waldgesetz ist in Abschnitten hochgelobt. Wer etwa Privatland im Amazonas besitzt, darf nur 20 Prozent nutzen, der Rest bleibt unberührt (die Novelle sieht nun eine Erhöhung der Nutzfläche auf 50 Prozent vor). Brasilien hat sogar ambitioniertere Klimaschutzziele als manch anderer Staat, auf dem Gipfel in Kopenhagen sagte das Land eine CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 zu.
Und nun ein solches Gesetz – gerade wenn die Weltgemeinschaft sich in Rio versammelt, um über umweltverträgliches Wirtschaften zu streiten. „Dieses Gesetz ist unwürdig für ein Land, das vom Status eines Schwellenlands aufsteigen und international Verantwortung übernehmen will“, sagt Roberto Maldonado vom WWF.