So ganz geheuer ist es ihm nicht. Vorsichtig tastet sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) gerade bei Friedrichskoog über das rutschige Watt. Es hat ein bisschen gedauert, bis er sich durchgerungen hat, tatsächlich die Gummistiefel im Strandkorb zu lassen, ein wenig eitel ist der Mann ja schon.
Aber nun glitscht er mehr oder weniger sicher über den feuchten Meeresboden. Aufmerksam hört er der jungen Frau zu, die mit ihrer Forke im Watt herumfuhrwerkt, Wattwürmer zeigt und Krebse präsentiert. Nein, Danke, den Wattwurm will er lieber doch nicht auf der Hand herumkriechen lassen – Matsche an den Waden, das reicht ihm. Das darf dann lieber der grüne Landesumweltminister Robert Habeck machen, der neben ihm durchs Watt stakst.
Es ist eine seltsame Begegnung, Altmaier und das Wattenmeer. Ein Koloss, der seinen Weg auf rutschigem Boden sucht. Der Minister ist auf Sommerreise. Er startet oben im Norden, in Schleswig-Holstein. Kein anderes Thema drängt hier so wie die Energiewende mit ihrem rasanten Ausbau der Offshore-Windenergie. Altmaier will den Ausbau („klares Bekenntnis zur Offshore-Windenergie“), weiß aber auch genau um die Schwierigkeiten. Das Interesse der Investoren an maritimen Windrädern ist enorm: Zurzeit liegen der Genehmigungsbehörde Anträge für Windparks mit einer Kapazität von 44 Gigawatt vor. Gut für die Energiewende – aber es könnte sich als Problem für das empfindliche Natursystem vor der Nordseeküste entpuppen.
Nun muss man, in bester Altmaier-Manier, sagen: gemach, gemach. Wer weiß, wie viele Projekte tatsächlich am Ende gebaut werden. Aber das enorme Interesse bringt den Bundesumweltminister ganz schön in Bredouille, denn er ist für beides zuständig, den Naturschutz und die Energiewende.
Und da tauchen jede Menge Konflikte auf. Eines ist der Lärmschutz für Schweinswale und Kegelrobben während der Bauarbeiten. „Es gibt immer wieder kleine Nagelproben, an denen sich entscheidet, welche Rolle der Naturschutz tatsächlich in der Energiewende spielt“, sagt Altmaier. Da unterscheidet er sich radikal von seinem Vorgänger Norbert Röttgen, den das Themengebiet kaum interessierte.
Altmaier dagegen lässt sich bei 35 Grad durch die Seehundaufzuchtstation in Friedrichskoog führen, füttert Seehunde und lässt sich erklären, wie Kegelrobben auf den Lärm bei den Rammarbeiten reagieren. Eine Karte der Nordsee zeigt, wo überall Offshore-Windparks geplant sind und wie sich die Schallwellen während der Rammarbeiten ausbreiten. Da bleiben kaum noch Ruhezonen für die rund 45.000 Schweinswale, die durch den Baulärm ihr Gehör und damit ihren Orientierungssinn verlieren können.
Altmaier reagiert darauf. Mitten im Watt muss er Interviews geben, der Schlick schmatzt unter seinen Füßen. Er fordert ein umfassendes Schallkonzept für die Offshore-Windenergie. Die Windparkbetreiber wird das kaum freuen, denn es wird verdammt teuer für sie, Blasenschleier während der Rammarbeiten zu installieren und neue Verfahren zu entwickeln. Altmaier aber ist überzeugt:
„Wir wollen die Energiewende, um unseren Planeten zu schützen, aber wir müssen es so machen, dass auch die Tiere nicht zu sehr beeinträchtigt werden.“