Die Formel klingt sperrig und bürokratisch: „Ökologische Vorrangflächen“. Dahinter verbirgt sich jedoch eine simple Idee. Die EU will künftig Flächen schaffen, auf denen die Landwirte der Natur ein wenig Ruhe gönnen. Es sollen kleine Inseln enstehen, ein paar Hektar groß, auf denen Feldvögel, Wildkräuter und Bienen relativ ungestört leben können. Damit will die EU verhindern, dass immer mehr seltene Tierarten aussterben. Fünf Prozent ihrer Ackerflächen sollen Landwirte künftig unter einen solchen Schutz stellen. „Greening“ nennt die EU-Kommission den Plan. Er soll bald Gesetz werden.
Doch nun gibt es Widerstand. Immerhin 23 Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich, Polen, Italien und Spanien, haben einen empörten Brief nach Brüssel geschrieben. Darin wehren sie sich gegen eine Selbstverständlichkeit. Aus den ersten konkreten Formulierungsvorschlägen für das Gesetz geht hervor, dass Brüssel auf den Ökoflächen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begrenzen und Dünger verbieten will. Die Flächen sollen schließlich dazu da sein, um die Natur und Artenvielfalt zu schonen.
Das sieht man in den Landwirtschaftsministerien in Paris oder Rom ganz anders. Die Ökoregel gehe gar nicht, heißt es in der Stellungnahme der 23 Länder. Die EU-Kommission verwässere damit eine politische Einigung, die die Agrarminister im Sommer getroffen hätten. Damals einigten sich die Mitgliedsstaaten auf die Grundzüge einer Agrarreform.
Dazu muss man wissen: Auf den Ökoflächen soll weiterhin Landwirtschaft erlaubt sein, vollkommen tabu sind sie nicht. Vor allem der Anbau von proteinhaltigen Pflanzen wie Mais soll möglich sein. Den 23 Staaten geht das schlicht nicht weit genug. Sie sagen: Wenn wir da schon anbauen dürfen, dann bitte auch ganz normal, mit Stickstoffdünger und Spritzpistole. Ihr Argument: Wenn sich die Kommission mit ihren Plänen durchsetze, würde „der konventionelle Anbau unmöglich gemacht“.
Kaum überraschend, dass Naturschützer gerade auf die Barrikaden gehen. „Werden Spritzmittel auf diesen fünf Prozent der Ackerflächen erlaubt, sind alle ernsthaften Bemühungen zu mehr Artenvielfalt in der Landschaft ausgehebelt“, sagt Josef Göppel, CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Deutschen Verbands für Landschaftspflege. Ganz absurd würden die Pläne der 23 Unterzeichnerstaaten, wenn man sich die Geldflüsse veranschaulicht. Denn die Ökoflächen sollen in den EU-Subventionen begünstigt werden und 30 Prozent der Direktzahlungen erhalten – um eben einen Anteil zur Artenvielfalt zu leisten. Mit Pestiziden und Stickstoffdünger wird das kaum möglich sein.
Die Bundesregierung zieht sich übrigens höflich aus der Affäre. Den Brief der 23 Aufständischen hat sie nicht unterzeichnet. Auf eine Anfrage von ZEIT ONLINE heißt es lapidar: „Deutschland gehört dabei zwar nicht zu den Unterzeichnerländern, unterstützt jedoch die grundsätzliche Zielrichtung, wonach politische Einigungen des EP und des Agrarrats respektiert werden müssen und nicht im Rahmen der Rechtssetzung umgedeutet werden dürfen.“
Ein eindeutiges Nein klingt anders.