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Die Energiewende passiert – im Ausland

 

So viel Euphorie ist man ja beim Thema Energiewende gar nicht mehr gewohnt: Siemens investiert im großen Stil in eine Fabrik für Offshore-Windräder in Großbritannien. Sogar Premier David Cameron gratuliert: „Das ist ein riesiger Vertrauensbeweis in unsere langfristige Wirtschaftsstrategie“, sagt er. Das Projekt gebe den Familien vor Ort eine Perspektive und mache die britische Wirtschaft widerstandsfähiger. Was für ein Überschwang.

Rund 1.000 direkte Arbeitsplätze will Siemens zusammen mit einem Hafenbetreiber in Hull und einem Nachbarort an der Ostküste Großbritanniens schaffen. Rund 190 Millionen Euro investiert der Münchner Konzern. In dem Nachbarort Paull wird eine Rotorblattfabrik entstehen, in denen Siemens Sechs-Megawatt-Anlagen bauen will. Es sind die modernsten und leistungsfähigsten Windkraftanlagen auf dem Markt, allein ein Rotorblatt misst 75 Meter. Die Hafenlage ist für Siemens perfekt, schließlich sollen hier vor der Küste gleich mehrere Offshore-Windparks entstehen. In zwei Jahren soll die Produktion beginnen, 2017 soll sie komplett ausgelastet sein. Seit Jahren schon wird über das Investment verhandelt, immer wieder war auch im Gespräch, ob Siemens nicht Dänemark den Zuschlag für den Standort gibt.

Mit seiner Produktion vor Ort könne Siemens Kostenvorteile heben, sagt Energiespezialist Roland Vetter von CF Partner in London. Siemens spart sich den aufwändigen Arbeitsschritt, die Megaanlagen andernorts zu bauen und dann nach Großbritannien zu verschiffen. Zwar ist Offshore-Strom immer noch teurer als Onshore-Windkraft. „Doch Großbritannien hat Probleme, große Onshore Windanlagen zu bauen, da es viel Widerstand in der lokalen Bevölkerung gibt.“ Um seine Ökostromziele zu erreichen, verstärke Großbritannien daher sein Offshore-Engagement (und seine Investitionen in Atomstrom). Allein bis 2020 sollen auf See Windräder mit einer Kapazität von 14 Gigawatt entstehen, das entspricht etwa 14 großen Atommeilern.

Die Bundesregierung sollte sich die Pressemitteilung aufmerksam durchlesen. Denn indirekt bekommt sie auch ihr Fett weg: „Wir investieren in Märkte mit verlässlichen Konditionen, die gewährleisten, dass unsere Fabriken ausgelastet sind“, schreibt Siemens da.

Glaubt man den Verbänden der deutschen Offshore-Branche, dann ist genau das in Deutschland zurzeit nicht der Fall. Die aktuellen Überarbeitungspläne zum wichtigsten Förderinstrument, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, würden vielmehr dafür sorgen, dass es noch mehr Unsicherheiten und Investitionsstau geben wird, warnen sie in einer Stellungnahme.

Siemens Entscheidung vor allem in Großbritannien zu investieren, ist offenbar eine direkte Folge der aktuellen Verunsicherung. Zwar stand nie zur Debatte, die Fertigung an der deutschen Nordseeküste
aufzuziehen. Aber die aktuellen Debatten über Strompreisbremsen und Ökostromausnahmen sorgen bei Öko-Investoren für Unbehagen.