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Windmüller übertreffen alle Rekorde

 

Die deutsche Windbranche hat einen neuen absoluten Rekord verzeichnet: Im vergangenen Jahr wurden Windräder mit einer Leistung von 4.750 Megawatt installiert. Vor langer Zeit, im Jahr 2002, hatte die Windbranche schon einmal mehr als 3.000 Megawatt installiert. Das war der bisherige Spitzenwert.

Der Grund für das rasante Wachstum ist aber vor allem Unsicherheit. Die Windparkbetreiber sorgen sich, dass es strengere Abstandsregelungen gibt und dass ab dem Jahr 2017 ein neues Vergütungsmodell kommt. Bau‘ lieber jetzt, da weiß man, was man hat – das ist das Motto.

Und was ist die Folge dieses Windbooms? Wahrscheinlich wird schon bald wieder gekürzt. Die Windbranche hat das gesetzlich vorgegebene Ziel übererfüllt. So viel Windenergie will Deutschland, das Land der Energiewende, nicht haben. Weil ein maximaler Zubau von nur 2.500 Megawatt geplant war, wird die Ökostromumlage der Windmüller wohl gekürzt werden – um bis zu 4, 8 Prozent. Diesen Deckel gibt es seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2014. Er soll vor steigenden Kosten schützen.

Das ist absurd. Denn tatsächlich ist es so, dass ohne die Windmüller die Energiewende in Deutschland mal eben darniederläge. Strom aus Biogas? Gerade mal 40 Megawatt werden dieses Jahr ans Netz gehen, extrem wenig. Solarstrom?  Allein die Zahl der neu gebauten Solarparks hat sich jüngst halbiert, der Photovoltaik-Markt für Garagen- und Stalldächer ist ebenfalls eingebrochen. Die Windmüller retten also gerade mal nebenbei Deutschlands Prestigeprojekt, weil sie den Einbruch in den anderen Branchen kompensieren.

Was man bei all dem Zahlengehuber um Megawatt und Zubauraten schnell aus dem Blick verliert: Warum machen wir eigentlich die Energiewende? Genau –  da war doch was: ein Atomausstieg und vor allem Klimaschutz (nebenbei noch die Reduzierung von Öl und Gas von inzwischen uns unliebsam gewordenen Regimen). Unser Bundeswirtschaftsministerium fasst das so zusammen:

„Die Energiewende ist unser Weg in eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft.“

Klingt schön knackig, oder? Eine neue Studie, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat und die ebenfalls am Donnerstag präsentiert wird, kommt allerdings zu dem Schluss, dass man das Klimaschutzziel weitaus schneller erreichen kann – und das nur unwesentlich mehr kostet. Klar ist: Mit unseren derzeitigen Kraftwerken werden wir die Ziele (minus 40 Prozent CO2 Einsparung bis 2020 im Vergleich zu 1990) komplett verpassen. Also müssen Kohlemeiler vom Netz und mehr Ökostrom rein. Streicht man den Deckel für Windstrom an Land und Solarstrom und installiert gehörig mehr Windräder und PV-Anlagen (für die Zahlenfuchser: Ein Plus von jährlich 1.500 Megawatt Wind- und 1500 Megawatt Solarstrom), dann würde die Ökostromumlage nur wenig steigen. Die EEG-Umlage im Jahr 2020 würde dann um weniger als 0,5 Cent je Kilowattstunde zulegen (zurzeit sind es 6,17 Cent je Kilowattstunde, eine Schätzung für 2020 machen die Studienautoren leider nicht). Der Grund: Wind und Solar gehören inzwischen zu den günstigsten Ökoenergien. Der Strom aus Solaranlagen ist inzwischen so billig wie der Strom aus neuen Gaskraftwerken. Nimmt man diesen geringen Preisanstieg in Kauf, dann könnte Deutschland durch den starken Ausbau von Erneuerbaren Energie rund 32 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Autoren fordern, kaum überraschend, dass der Zubaudeckel weg muss. Wie allerdings die Bevölkerung noch mehr Windräder findet, darauf geht diese Studie nicht ein.

Und nun? Es gibt gerade jede Menge zu tun bei der Energiewende. Doch mein Eindruck ist: So richtig große Lust darauf hat niemand. Zu mühsam, kompliziert und nervig. „Die entscheidende Frage ist: Wie ernst nimmt die Politik noch ihre eigenen Ausbauziele“, sagt Uwe Leprich, Energieexperte und Leiter des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme. „Wenn einmal die Dynamik des Ausbaus abgenommen hat, ist es schwer, das Tempo wieder aufzunehmen.“