Janez Potočnik ist der EU-Umweltkommissar – und nein, Ihnen muss dieser Name nicht unbedingt etwas sagen. Die Themen des Herrn Potočnik konkurrieren schließlich mit der Euro-Krise und ziehen da leider in der Regel den Kürzeren.
Dabei sagt der Herr kluge Sachen, so kürzlich auf einem der Branchentreffs der Kunststoffhersteller. PolyTalk hieß die Veranstaltung (mit dem bemerkenswerten Untertitel „Plastics – an intriguing love story“ – „Kunststoffe – eine fesselnde Liebesgeschichte“).
Auf dem Treffen hielt Potočnik eine Rede unter dem Titel „Hat die Kunststoffindustrie in Europa eine Zukunft„. Keine Sorge, ich werde sie jetzt hier nicht komplett nacherzählen, will aber einige interessante Punkte und Zahlen erwähnen:
Die Plastikindustrie hat demnach ein gigantisches Wachstum hingelegt: 1950 wurden weltweit 1,5 Millionen Tonnen Plastik jährlich hergestellt. 2008 waren 254 Millionen Tonnen im Jahr. Allein in Europa wächst die Branche jährlich um fünf Prozent.
Doch Produktion ist natürlich nur eine Seite der Geschichte. Wo bleibt bloß das ganze Zeug, das ja hauptsächlich auf Rohölbasis hergestellt wird? Ein Großteil landet, ganz am Ende, in den Ozeanen, Tiere verenden an ihm (das zeigt eindrücklich der Film Plastic Planet).
In Europa landet die Hälfte der Kunststoffe noch immer auf Mülldeponien, sagt Potočnik. Für ihn ist das eine enorme Verschwendung von wertvollen Ressourcen:
„Das wäre so, als ob wir jedes Jahr zwölf Millionen Tonnen Rohöl auf Mülldeponien kippen.“
Die anderen 50 Prozent landen zumindest in Müllöfen (wo, wenn es gut geht, die Abwärme genutzt wird). Nur ein kleiner Teil wird bislang recycelt. Im Schnitt sind das in Europa gerade einmal 24 Prozent, „viel zu wenig“, wie Potočnik sagt. Selbst wenn einige Staaten mehr recyceln möchten: Ihnen fehlt es offenbar teilweise an Rohmaterial, weil es günstiger ist, den Plastikmüll in Müllverbrennungsanlagen zu entsorgen.
„Eine Vorherrschaft der Müllverbrennung im Vergleich zum Recycling können wir mittelfristig nicht akzeptieren“, sagt der EU-Kommissar.
Dafür biete die Recyclingbranche auch einfach zu viele Arbeitsplätze. Würde man es schaffen, bis 2020 die durchschnittlichen Recyclingraten von den aktuellen 24 Prozent auf 70 Prozent zu steigern, könnte das 160.000 zusätzliche Jobs in der EU schaffen.
Tja, und wo will er nun hin, der gute Mann? Potočnik betont zwar, dass er denke, die Kunststoffindustrie habe eine Zukunft in Europa (das wird Unternehmen wie Bayer und BASF sicher ein wenig beruhigt haben).
Aber für die Branche findet er klare Worte:
„Wir sollten nicht nur jeden Kunststoffmüll recyceln“, sagt er, „sondern wir sollten auch eine exzessive Produktion für Anwendungen vermeiden, die ganz offensichtlich nicht nützlich sind.“
Niemand dürfe sich dabei aus seiner Produktverantwortung stehlen. Und er meint es ernst. Für die kommenden Wochen hat er die Veröffentlichung eines green papers zum Thema Plastikmüll angekündigt, um das Thema öffentlich zu diskutieren. Nicht selten enden solche vagen Thesenpapiere ja am Ende in einer Gesetzesinitiative. Seit Monaten schon gibt es ja bereits Überlegungen in der EU, Plastiktüten zu verbieten. Mal schauen, was daraus wird.