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Politik lässt Strompreise lieber steigen

 

Hoppla, auch hier im Grüne Geschäfte-Blog merkt man, dass langsam der Bundestagswahlkampf beginnt. Allerorts erscheinen neue Studien zu steigenden Strompreisen – und dahinter steckt natürlich die große Frage: Was ist den Deutschen die Energiewende wert?

Den ersten Aufschlag machte am Montag das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, das im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion eine Studie zu Netzentgelten vorlegte. Es schätzt, dass die Industrie im kommenden Jahr in den Genuss von hohen Netzentgelt-Rabatten kommen könnte. Bis zu 1,2 Milliarden Euro könnten den Unternehmen erlassen werden, weil die Bundesregierung die Rabattregeln für sie radikal ausgeweitet hatte. Die Folge für die Verbraucher wäre, dass sie rund 20 Prozent mehr für das Stromnetz und seinen Ausbau zahlen müssten. Jetzt schon machen die Netzentgelte für sie rund ein Fünftel des Strompreises aus.

Der Golfplatz, der sich von den Netzentgelten befreien lassen kann, ist ja inzwischen fast legendär (und findet sich tatsächlich in der Übersicht der Bundesnetzagentur, wie auch eine Bäckerei und ein Campingplatz). Im kommenden Jahr werden die Unternehmen wahrscheinlich höhere Kosten geltend machen können, weil sich Berechnungsgrundlagen ändern, sie werden Kosten für den Offshore-Netzausbau anführen und für die Forschung in Höchstspannungsnetzen. Das Problem ist: Wenn die Großverbraucher Ausnahmen genießen, bedeutet das am Ende steigende Strompreise für die Verbraucher.

Und im kommenden Jahr könnten die Strompreise erneut anziehen – nicht nur wegen der Netzentgelte. Auch die Ökostromumlage könnte teurer werden. Durch sie bezahlen die Endverbraucher die Differenz zwischen dem garantierten Preis, den jeder Solaranlagen- oder Windradbetreiber für seinen Strom kassiert, und den niedrigeren Preisen an der Strombörse. Die rauschen im Moment gerade aus zwei Gründen in die Tiefe: Erneuerbare Energie ist reichlich vorhanden, und ein großes Angebot drückt die Preise. Zudem sind Kohlendioxidzertifikate in der EU gerade spottbillig. Das bedeutet, dass fossiler Strom günstig erzeugt werden kann, auch das senkt den Preis.

Je stärker die Börsenstrompreise sinken, desto höher steigt aber die Ökostromumlage auf der Rechnung der Verbraucher. Im Auftrag von Greenpeace hat jetzt das Ökoinstitut ausgerechnet, dass die Umlage im kommenden Jahr erstmals auf 6,1 Cent je Kilowattstunde steigen könnte. Bisher kam sie nie über sechs Cent.

Das alles mag nach technischem Detailgehuber klingen, aber dahinter steckt ein entscheidender Punkt: Die steigenden Strompreise sind politisch gewollt. Sie sind nicht gottgegeben.

Die Politik hätte es in der Hand, für Korrekturen zu sorgen. Sie könnte die Ausnahmen für energieintensive Betriebe streichen (die ja sowieso von günstigsten Großhandelspreisen profitieren). Damit tut sie sich aber schwer. Sie könnte die Stromkonzerne verdonnern, sinkende Börsenstrompreise an die Haushalte weiterzureichen. Die Strompreisbremse von Bundesumweltminister Peter Altmaier, so unausgegoren diese auch war, hat die Regierung vor einigen Wochen aber wieder kassiert. Bis zur Bundestagswahl, und vielleicht auch bis zum Ende des Jahres, wird es wohl keine EEG-Reform mehr geben.

Noch viel entscheidender ist: Die Bundesregierung könnte sich in Brüssel für eine ehrgeizige Reform des CO2-Handels einsetzen, die dafür sorgt, dass die Börsenpreise nicht noch weiter verfallen. Doch auch das tut die Regierung nicht. Dabei hätte sie einen Großteil der Industrie hinter sich. Inklusive Energieversorgern wie E.on.