Es ist, mit Verlaub, ein lausiges Angebot: Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat jüngst erzählt, welche Kennzeichnungsstandards für Gentechnik sich die US-Regierung im Freihandelsabkommen TTIP vorstellen könnte. Die Idee des US-Agrarministers Tom Vilsack, die während eines informellen Gesprächs aufkam: Verbraucher scannen einfach mit ihrem Handy den Barcode des Produkts – und wenn das Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile enthält, wird das via App angezeigt. Der Fairness halber muss man sagen: Es ist bislang kein offizieller Vorschlag. Der deutsche Agrarminister hat mit seinem amerikanischen Kollegen darüber gesprochen, am Ende aber verhandelt die EU-Kommission mit der US-Regierung.
Trotzdem ist es kaum überraschend, dass die Bundesregierung bislang zurückhaltend reagiert. Deutschland ist das Land der Gentechnik-Gegner. Noch im Sommer vergangenen Jahres stellte die GfK in einer repräsentativen Umfrage fest, dass mehr als die Hälfte der Deutschen definitiv kein gentechnisch verändertes Essen kaufen würden. Nicht alle dieser Gegner fürchten um ihre Gesundheit – dass Gentechnik Gefahren für die Gesundheit birgt, ist kaum wissenschaftlich bewiesen. Viele aber befürchten, dass künftig nur noch Monokulturen existieren und Pestizide in großen Mengen eingesetzt werden. Gerade in Süddeutschland setzen Landwirte auf gentechnik-freie Produktion und haben das als Marktlücke entdeckt. Anfang Dezember hat sogar Deutschlands größter Geflügelproduzent PHW („Wiesenhof“) nachgegeben und füttert seine Tiere nun wieder mit gentechnisch unverändertem Soja.
Zwei Welten treffen aufeinander
Wenn es also um Gentechnik geht, treffen während der TTIP-Verhandlungen zwei Welten aufeinander. In den USA plant bislang laut dem Informationsdienst Gentechnik nur der Bundesstaat Vermont ab 2016 eine verpflichtende Kennzeichnung. Ansonsten müssen gentechnisch veränderte Produkte nicht gesondert ausgewiesen werden.
In der EU gilt dagegen die Regel: Enthält ein Produkt mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen (GVO), muss das gekennzeichnet werden, um Konsumenten die Wahlfreiheit zu überlassen. Aber es gibt eine entscheidende Ausnahme. Für tierische Lebensmittel, die mit GVO produziert wurden, gilt die Grenze nicht. Die Milch einer Kuh, die also Gensoja gefressen hat, muss nicht gekennzeichnet werden. Allein in den USA liegt der Gentechnik-Anteil bei Mais, Soja und Baumwolle im Schnitt bei 95 Prozent.
Keine Labelpflicht für tierische Produkte
Die Bundesregierung will diese Kennzeichnungslücke für Futtermittel zwar seit Jahren schließen, das steht auch im Koalitionsvertrag von SPD und Union (Seite 89). Doch sie kann sich damit bislang nicht auf EU-Ebene durchsetzen. Daher initiierte sie schon 2008 das freiwillige Siegel „Ohne Gentechnik„, das bislang bereits 1.200 Produkte tragen.
Die nächsten TTIP-Verhandlungen zum Verbraucherschutz werden sicherlich spannend. Klar ist, dass die EU darauf pocht, ihre Standards und die 0,9 Prozent-Grenze nicht abzusenken, um die Akzeptanz von TTIP in der EU nicht zu gefährden. Auf der anderen Seite hätten natürlich die amerikanischen Lebensmittelproduzenten gerne auch leichteren Zugang zum europäischen Markt – und zwar am liebsten wohl ohne eindeutiges Gentechnik-Siegel. Die Kennzeichnung via Barcode anzubieten, kommt ihnen natürlich entgegen. Welcher Kunde würde sich in der Praxis tatsächlich die Mühe machen und die Milchpackung scannen? Wohl ähnlich viele Kunden, die tatsächlich die Produzentennummer auf dem Ei auf der Website www.was-steht-auf-dem-ei.de eingeben.
Meint die Bundesregierung es ernst damit, die Kennzeichnungslücke für tierische Lebensmittel zu schließen (wie es ja im Koalitionsvertrag steht), dann muss sie sich jetzt beeilen: Schließlich verhandelt die EU nur über die Standards, die auch aktuell gelten. Will Deutschland ein umfassendes Gentechnik-Label in der EU, dann muss es das jetzt in das EU-Recht hineinverhandeln. Und zwar bevor die TTIP-Verhandlungen über Gentechnik-Standards beginnen. Ansonsten bleibt den Verbrauchern immer noch das Bio-Siegel. Das verbietet den Einsatz von Gentechnik – auch bei tierischen Produkten.