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Umweltrat fordert grünere EU-Agrarpolitik

Seit Donnerstag nachmittag diskutieren ja in Brüssel die Staats- und Regierungschefs über den EU-Haushalt. Es ist ein Milliardenspiel: Für die kommenden sieben Jahre wird rund eine Billion Euro verplant. Einer der größten Ausgabenposten sind dabei die Zuschüsse für die Bauern. Allein im vergangenen Jahr gab Brüssel für die gemeinsame Agrarpolitik 57 Milliarden Euro aus. Davon entfielen 43,9 Milliarden Euro auf Direktzahlungen.

Nun wird in Brüssel erneut um die Agrarhilfen geschachert. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, ein Beratergremium der Bundesregierung, warnt heute in einer Studie, dass die Agrarhilfen zukünftig an Bedingungen geknüpft werden sollen. Von Greening spricht die Fachwelt. Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass die Bauern nur Gelder erhalten, wenn sie Umweltauflagen erfüllen. Dazu gehört unter anderem, dass Landwirte sieben Prozent ihrer  Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche ausweisen müssen, Dauergrünland nicht mehr umbrechen dürfen und sie Vorschriften für einen möglichst vielfältigen Pflanzenanbau einhalten. Für „unverzichtbar“ hält der Umweltrat diese Auflagen für Europas Landwirte.

Noch immer sei die Landwirtschaft „ein Hauptverursacher des Verlustes der biologischen Vielfalt und der Überfrachtung von Böden und Gewässern mit Nährstoffen“, so der Umweltrat. Ohne eine Trendwende würden die deutschen und europäischen Ziele für die biologische Vielfalt und den Klimaschutz verfehlt.

Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner wird diese Kritik sicher nicht gern hören. Wichtig sei, dass bisherige Umweltmaßnahmen in Deutschland ohne Abstriche auf das sogenannte Greening angerechnet werden könnten, forderte sie erst kürzlich im Interview. Eine andere Frage sei, ob anstatt die Äcker brachliegen zu lassen, dort Pflanzen gezogen werden könnten, die keinen Stickstoffdünger brauchten, so die Ministerin. Es wird spannend, ob die Stimme der Umweltschützer heute und morgen in Brüssel Gehör findet.

 

 

Wohnen im Bioreaktor

Im ersten Moment war ich ein bisschen baff: Die Reaktoren würden am elften des Monats eingehängt, erklärt mir mein Gesprächspartner. Reaktoren einhängen? Wie bitte?

Ich lerne: Energiewende heißt auch, eingetretene Denkpfade zu verlassen. Diesmal also keine Atomkraft. Stattdessen reden wir über „Bioreaktoren“, also Fassadenelementen, in denen Algen gezüchtet werden.

Skizze des Hauses, Nordansicht © Splitterwerk
Skizze des Hauses, Nordansicht © Splitterwerk

Ende März soll  nach Angaben der Projektierer das „weltweit erste Wohnhaus mit Algenbioreaktorfassade“ fertiggestellt sein. Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg entsteht das Demonstrationsprojekt, eines dieser typisch neuen Wohnhäuser im Klotzstil, lindgrün.

Das Besondere soll die Südfassade sein: Die Macher installieren 130 lichtdurchlässige Glascontainer an der Sonnenseite. In ihnen werden,  komplett automatisiert, Algen gezüchtet. Dafür braucht es Algenrohmasse, Wasser, Licht, Kohlendioxid und Stickstoff als Nährstoff. Mithilfe der Photosynthese entstehen so Biomasse und Wärme. Langfristig will man die Biomasse eventuell zur Biogasproduktion nutzen. Mit der Wärme sollen die Wohnungen gewärmt und das Wasser erhitzt werden.

Nun muss ich an dieser Stelle betonen: Das „Haus mit Biointelligenzquotient“ (BIQ), wie es sich nennt, ist ein Pilotprojekt, eine Hausfassade zum Lernen.

Schaut man sich die Energiebilanz an, so ist sie wirklich ernüchternd: Die rund 200 Quadratmeter große Algenfassade kommt auf einen jährlichen Nettoenergieertrag von 4.500 Kilowattstunden Strom. Das ist etwas mehr, als ein durchschnittlicher Haushalt im Jahr verbraucht (3.500 kwh). In dem Algenhaus entstehen 15 Wohnungen – nur eine von ihnen ließe sich also theoretisch mit Biostrom komplett versorgen.

Außerdem ist unklar, wo die Wärme bleibt. Gerade im Sommer, bei viel Lichteinstrahlung, arbeiten die Bioreaktoren auf Hochtouren. Doch gerade dann ist der Wärmebedarf eher gering. Also wird die Wärme zwischengespeichert. Dabei geht allerdings ein großer Teil verloren.

Ich würde das BIQ unter Forschungsprojekt abspeichern. Denn sicherlich ist es ein wertvoller Beitrag, was Häuserfassaden eigentlich zukünftig leisten können. Solarpanelen sind der Klassiker, Solarkollektoren gibt es auch schon. Aber warum soll es nicht eines Tages auch möglich sein, im großen Stil mit ihrer Hilfe Energie zu erzeugen. Und warum nicht mit Biomasse? Erst kürzlich erzählte mir ein Physiker von der Idee, die komplette Ostsee gezielt zur Algenproduktion und damit als weltweiten CO2-Speicher im großen Stil zu nutzen (auch wenn ich das für ausgesprochenen Quatsch halte).

Das Interesse anderer Immobilienentwickler an der Technologie ist enorm, ganze Wohnanlagen wollen manche mit einer solchen Fassade ausstatten.

Den zukünftigen Mietern ist das dagegen wohl nicht so wichtig. Ökologische Überzeugungstäter seien sie nicht gerade, so die Organisatoren. Die Mieter hätten halt eine Wohnung gesucht.

 

USA bereinigen ihre CO2-Bilanz

Kurz vor dem Wochenende noch mal  eine kleine „Hoppla“-Geschichte aus den USA. Das Land hat seine CO2-Emissionen inzwischen auf das Niveau von 1994 reduziert, wie eine neue Studie von Bloomberg New Energy Finance für den Business Council in Sustainable Energy zeigt. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat das Land die Klimagasemissionen um 13 Prozent reduziert.

Die neuen Zahlen bedeuten natürlich Rückenwind für Präsident Obama. Klimaschutzgegner, und insbesondere die Anhänger der radikalen Tea Party, können sich nun nicht mehr darauf berufen, dass Klimaschutz die US-Wirtschaft überdurchschnittlich belastet würde, schließlich ist das Bruttoinlandsprodukt in den USA im Schnitt jedes Jahr gewachsen (bis auf die Jahre 2008 und 2009).

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA 2013

Nun muss man natürlich schauen: Warum genau sind die CO2-Emissionen so stark zurückgegangen? Dahinter steckt ein Mix von verschiedenen Phänomenen, so die Studie (und sicherlich hat auch das maue Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren seinen Anteil). Da ist zum einen der Erdgasboom wegen des Frackings. Es verdrängt vor allem die dreckige Kohle als Brennstoff in den Kraftwerken. Zum anderen gab es ein beeindruckendes Wachstum der Erneuerbaren Energien, sie verzeichneten im vergangenen Jahr mit zusätzlichen 17 Gigawatt an Ökostromkapazitäten das größte Wachstum unter den verschiedenen Energieträgern.

Und ein beachtlicher Anteil ist auch Energieeffizienzmaßnahmen zu verdanken, die Amis tauschten vor allem im Gewerbe alte Heizungen und Klimaanlagen aus. Grund dafür sind auch strengere gesetzliche Standards. Zudem hat sich zwischen 2008 und 2011 gerade auch der Treibstoffeinsatz im Verkehr geändert, die Flotte von ÖPNV-Bussen und LKW, die mit Gas fahren, verzeichnete ein Wachstum um 26 Prozent.

 

Strompreis-Debatte: Willkommen im Wahlkampf

Kohlekraftwerk und Windräder in Niedersachsen © Daniel Reinhardt/dpa
Kohlekraftwerk und Windräder in Niedersachsen © Daniel Reinhardt/dpa

Man kann Peter Altmaier glauben, dass er die Energiewende tatsächlich für ein sinnvolles Projekt hält. In seinem 10-Punkte-Programm vom vergangenen August vertrat er sogar die Meinung, die Energiewende sei nach der Staatsschuldenkrise die zweitwichtigste „gesamtpolitische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Am Dienstagmorgen erzählte er gar im Fernsehen: „Ich hab‘ fast jedes Windrad persönlich gestreichelt und jede Biogasanlage beschnuppert.“ So viel, wie Peter Altmaier durch Deutschland tourt und quatscht, nehme ich ihm das fast ab (aber nur fast, schließlich gibt´s inzwischen mehr als 23.000 Windräder in Deutschland).

Wenn Altmaier nun die Energiewende am Herzen liegt und sie gerade ein gesamtpolitisches Projekt sein soll, dann erweist er ihr mit der aktuellen Debatte über die EEG-Umlage wohl vorerst einen Bärendienst. Nur noch mal kurz ein paar Erklärungen zum Problem: Deutschland klagt über steigende Strompreise. Und die Ursache scheint klar zu sein: Die Ökostrom-Umlage ist schuld. Jeder Ökostrom-Produzent erhält ja eine gesetzlich garantierte Vergütung für seine eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom. Das Geld dafür bringen alle Stromkunden durch eine Umlage auf den Strompreis auf. Die Höhe dieser EEG-Umlage berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Börsenpreis und der gesetzlichen Vergütung.

Jüngst ist die Umlage um einen Rekordwert auf 5,277 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Das Problem ist. Sie ist Opfer des eigenen Erfolgs: Je mehr Ökostrom ins Stromnetz eingespeist wird, desto stärker sinkt der Börsenpreis. Und desto höher muss die Umlage am Ende ausfallen.

Altmaier hat nun insgesamt fünf Vorschläge ins Gespräch gebracht, wie er den Anstieg der Umlage drosseln will. Er teilt in alle Richtungen aus: Damit sich die EEG-Umlage verlässlich, berechenbar und bezahlbar entwickelt, will er sie erstmals deckeln. Nächstes und übernächstes Jahr soll sie nicht weiter steigen.

Und wie will er das machen? Schließlich gehen jedes Jahr neue Solaranlagen und Windräder ans Netz (und a propos Dilemma: Das ist politisch ja auch so gewollt!). Altmaier hat einen Mix vor: Auf der einen Seite soll die energieintensive Industrie, die bislang Ausnahmen genießt, auf einen Teil dieser Privilegien verzichten. 500 Millionen Euro erhofft sich Altmaier dadurch.

Weitaus bedenkenswerter finde ich allerdings die Vorschläge für die Ökostrombranche. Auf der einen Seite bekomme all diejenigen, die schon heute Ökostrom produzieren, die garantierte Vergütung (und bei Solarstrom sind die alten Fördersätze aus heutiger Sicht eine wahre Gelddruckmaschine). Die Betreiber dieser Altanlagen sollen sich einmalig mit einem „Energie-Soli“ beteiligen und auf einen Teil der Vergütung verzichten – 300 Millionen Euro will Altmaier so einsparen.

Aber auch für die Neuanlagen hat Almaier eine Idee: Sie sollen erst dann eine Vergütung bekommen, wenn genug Cash da ist, wenn also das sogenannte EEG-Konto, das die Differenz zwischen Börsenpreis und Vergütung darstellt, im Plus ist.

Verständlicherweise läuft die Ökobranche gerade gegen letzteren Vorschlag Sturm. Die gesamte Branche fürchtet einen Kollateralschaden: Die Neuregelungen könnten Investoren komplett verschrecken. Von einem massiven Vertrauensverlust ist die Rede. Warum sollte auch meine Volksbank einen Kredit für die Solaranlage gewähren (oder ein Bankenkonsortium für einen riesigen Offshore-Windpark), wenn ich noch nicht einmal sagen kann, mit welchen Einnahmen ich zukünftig kalkulieren werde, damit ich ihr erst einmal den Kredit abzahlen kann und dann auch von der Investition profitiere. Der bisherige Erfolg der Erneuerbaren ist ja gerade der aktuellen Investitionssicherheit per Gesetz geschuldet. Und wie Altmaier den bisherigen Investoren Bestandsschutz zusichern will, wenn er ihnen zugleich einen Energie-Soli abzwacken will, ist mir auch unklar.

Eine Baustelle hat Peter Altmaier meiner Ansicht nach komplett vernachlässigt. Wenn es ihm denn um die Entlastung der Stromkunden geht, warum setzt er nicht dann genau bei deren Stromrechnung an, sondern nur bei der reinen EEG-Umlage? Wie wäre es etwa damit, auch die Stromversorger zur Verantwortung zu ziehen? Eine Idee, die etwa auch das Öko-Institut schon einmal ins Spiel gebracht hat, wäre ein verpflichtendes Angebot von Strompreisen, welche die Entwicklung an den Spotmärkten wiederspiegeln. Bislang geben die Stromkonzerne die finanziellen Vorteile aus sinkenden Börsenpreisen nicht an die Stromkunden weiter, stattdessen können sie ihre Gewinnmargen erhöhen.

Sicher, Altmaiers Vorschlag ist ein politischer Coup, niemand war vorgewarnt. Vor allem aber ist er ein typischer Altmaier: Denn unser Bundesumweltminister ist natürlich auch ein perfekter Wahlkampfstratege. Der Vorschlag mag scheitern, an juristischen Hürden, am Widerstand des zukünftig rot-grün dominierten Bundesrats. Aber Altmaier kann sich am Ende öffentlich hinstellen und sagen: Seht her, ich hab´s doch versucht, die Strompreise in Griff zu bekommen. An mir ist es nicht gescheitert. Und die Strompreise werden sicherlich ein großes Thema sein, erst recht im September, wenn Deutschland wählt – und zum gleichen Zeitpunkt die neue Höhe der EEG-Umlage berechnet wird.

Daher würde ich sagen: Gut, dass wir jetzt auch über die Kostenseite der Energiewende sprechen: Danke, Herr Altmaier. Aber dann lieber mit Vorschlägen, die  juristisch wasserdicht sind und die eine Branche nicht von heute auf morgen abwürgen könnten.

 

Wenn Solarworld eine Zukunft hat, dann wohl nur im Ausland

Solarworld-Chef Frank Asbeck, © Oliver Berg/dpa
Solarworld-Chef Frank Asbeck, © Oliver Berg/dpa

An dieser Stelle leiste ich heute einmal Übersetzungshilfe bei der jüngsten Ad-hoc-Mitteilung von Solarworld, Deutschlands letztem ernst zu nehmenden Solarunternehmen. Das Unternehmen spricht davon, dass „gravierende Einschnitte bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere den ausgegebenen Anleihen und Schuldscheindarlehen notwendig“ seien. Zugleich gehe Solarworld aber davon aus, dass es „eine überwiegende Wahrscheinlichkeit“ gebe, dass die Restrukturierung klappe und es eine „positive Fortführungsprognose“ gebe.

Das heißt im Klartext: Es steht so schlecht um Solarworld, dass die Anteilseigner und Kreditgeber eventuell einen Schuldenschnitt in Kauf nehmen müssen. Solarworld-Chef Frank Asbeck betont zwar, dass es nicht um eine Insolvenz gehe. Aber was sonst soll sich hinter dem Wort „Fortführungsprognose“ in Kombination mit „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ verbergen?

Auf jeden Fall ist die Lage so angespannt, dass das Unternehmen schon im vergangenen Jahr Stellen gestrichen hat, auf Kurzarbeit umstellen musste und offenbar jetzt auch Lohneinbußen für die Mitarbeiter im Gespräch sind.

Dass sogar ein so großes Unternehmen wie Solarworld ins Taumeln gerät, liegt vor allem am Preisverfall für die Solarmodule. Deutschland setzt zwar fast exzessiv auf Solarstrom. Aber die verbauten Module kommen vor allem aus Asien. Asbeck wettert schon seit Monaten gegen China und unterstellt der Regierung in Peking gezielte Dumpingpolitik (weswegen die USA schon jetzt Importzölle auf chinesische Solarmodule eingeführt haben und die EU es erwägt). Inzwischen sitzt Solarworld auf Schulden von mehr als einer Milliarde Euro. Und das Vertrauen der Anleger ist weg: Nach den jüngsten Meldungen brachen die Solarworld-Anleihen auf ein Viertel ihres Nennwerts ein.

Was tun? Das Problem ist: Die Fertigung eines Massenprodukts wie Solarzellen ist in China beziehungsweise Asien einfach günstiger zu haben als hier. Noch setzt Asbeck auf Durchhalteparolen und auf „deutsche Qualität“. Aber ob das Solarwirten am Ende so wichtig ist, wenn es um die Rendite ihrer Anlage geht und es vielleicht kurzfristig günstiger ist, auf ein chinesisches Billig-Modul zu setzen?

Die Entwicklung in der gesamten Solarbranche, die Insolvenzen von ehemaligen Prestigefirmen wie Q-Cells, Sovello, der deutschen First Solar zeigen gerade, dass die Fertigung von Solarzellen in Deutschland offenbar keine Zukunft hat. Es wäre eine riesige Überraschung, wenn gerade Solarworld sich erfolgreich gegen diese Entwicklung stemmen könnte.

Dabei ist es ja nicht so, dass Solarworld nur in Bonn und dem sächsischen Produktionsstandort Freiberg vor sich hinwerkelt. Der Konzern mit seinen rund 2.500 Mitarbeitern ist im Ausland präsent, in Singapur, in den USA, selbst in Südafrika. Jetzt aber kommt es darauf an, sich smarter aufzustellen, wenn man in dem Preiskampf überleben will. Und das wird wohl heißen: Vielleicht können Forschung und Entwicklung in Europa bleiben. Aber Produktion und Fertigung wandern wohl dorthin, wo es vor allem günstig ist. Und das heißt: nach Asien.

 

Belgien plant Mega-Insel als Stromspeicher

Revolutionäres aus dem Nachbarland: Belgien will den Windstrom, der auf hoher See erzeugt wird, mithilfe einer künstlichen Insel vor der Küste speichern. Vor der Hafenstadt Zeebrugge plant der Vize-Premier und Nordsee-Minister (auch ein wunderbares Amt) Johan Vande Lanotte eine hufförmige Insel mit einem Wasserkraftwerk.

Wenn viel Wind weht – es aber an Nachfrage fehlt – soll Windstrom dazu genutzt werden, das Wasserreservoir in der Mitte der Insel leerzupumpen. Wenn die Nachfrage nach Strom wieder groß ist, werden die Schleusen geöffnet. Das Wasser strömt dann in das ausgebuddelte Inselinnere und treibt dabei Turbinen an, die Strom erzeugen.

Belgische Stromspeicher-Insel © Belgisches Wirtschaftsministerium
Belgische Stromspeicher-Insel © Belgisches Wirtschaftsministerium

Das Idee ist natürlich nicht neu, es handelt es sich um ein bewährtes Pumpspeicherkraftwerk. Nur diesmal wird kein Höhenunterschied genutzt, sondern das Prinzip auf die Ebene übertragen.

Vande Lanottes hat die Insel schon in einen Plan integriert, der die Nutzung der Nordsee ordnet. Die Küstenländer sind inzwischen verpflichtet, auszuweisen, welche Flächen sie wie nutzen, etwa zur Fischerei, für Seefahrtwege oder Windparks. Ausdrücklich hat nun Vande Lanotte eine Fläche für eine Stromspeicherinsel reserviert.

Seine Sprecherin betont allerdings, dass es nicht die belgische Regierung sei, die das Projekt am Ende realisieren würde. Das sollen Privatfirmen machen – und das Interesse sei groß. Namen will sie allerdings nicht nennen. Auch zu den Kosten mag sich die Regierung nicht äußern. Sie hängen natürlich stark von der Größe der Insel und der Kapazität des Kraftwerks ab. Zurzeit hat die Insel einen Durchmesser von rund 3,5 Kilometern. Die Regierung rechnet mit mindestens fünf Jahren Plan- und Bauzeit.

Belgien will die Doughnut-Insel zum Speichern seines Offshore-Windstroms nutzen. Klar ist aber auch: Die Pläne sind ambitioniert. Zurzeit drehen sich Offshore-Windräder mit 380 Megawatt Kapazität vor der Küste, das entspricht etwa einem kleinen Kohlekraftwerk. Sieben Windparks plant Belgien in den kommenden Jahren mit einer Leistung von mehr als 2.500 Megawatt. Das entspricht theoretisch der Kapazität von zwei großen Atomkraftwerken. Insgesamt machte die Windenergie im Jahr 2011 in Belgien knapp drei Prozent der Energienachfrage aus. Unser kleines Nachbarland plant ebenfalls den Atomausstieg. Im vergangenen Sommer entschied Belgien, bis zum Jahr 2025 die beiden Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen. Sie liefern bislang noch den Großteil der Energie.

Ist nun die Speicherinsel eine Quatschidee? Schwer zu sagen. Für Deutschland und seine Mengen Ökostrom wäre das wohl nichts, für ein kleines Land mit knapp elf Millionen Einwohnern könnte es tatsächlich sinnvoll sein. Was dagegen spricht: Der Aufwand und die Kosten werden riesig sein. Schon jetzt sind ja die meisten Offshore-Projekte in der Nordsee, und erst recht vor Deutschland, in zeitlichem Verzug. Wenn die Insel fertig ist, sind wir vielleicht schon viel weiter darin gekommen, die aktuelle Stromnachfrage an das Angebot anzupassen – und brauchen am Ende gar keine Megaspeicher draußen auf See. Einmal davon abgesehen von dem enormen Eingriff in das Ökosystem Nordsee.

 

Ölkonzerne und andere Klimaschänder: Aktionäre in Haftung nehmen

Was hindert eigentlich Unternehmen daran, sich nachhaltiger auszurichten? Glaubt man dem Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung und dem Juristen Jerome Dangerman, dann fehlt es eigentlich nur an einer klaren Zuordnung von Verantwortung. Wenn Aktionäre für die Schäden von Unternehmen haften müssen, dann würden sich Firmen über kurz oder lang umwelt- und klimafreundlicher verhalten, glauben sie.

In einem Aufsatz für das Fachmagazin Proceedings of the National Academy argumentieren sie, dass ein Grundproblem sei, die Aktionäre nicht zur Haftung ziehen zu können. Ein Unternehmen lasse sich zwar verklagen, nicht aber der einzelne Anteilseigner.

Das Thema ist vor allem für den Energiesektor relevant. Denn gerade hier würden Firmen an erprobten, aber klima- und umweltschädlichen Technologien festhalten, so Dangermann auf Science Daily. Er erklärt, warum die Erneuerbaren selbst nach Jahrzehnten noch immer ein Nischendasein fristeten und Kohle, Gas und Atomstrom noch immer den Hauptanteil in der Energieerzeugung ausmachten:

Heavy investments in fossil fuels have led to big profits for shareholders, which in turn leads to greater investments in technologies that have proven to be profitable. While, in parallel, the chances of success for sustainable alternatives diminish. „It’s called Success to the Successful,“ says Dangerman.

Der Vorschlag ist alles andere als irrelevant. Dangermann verweist etwa auf das Deep Water-Bohrinselunglück im Golf von Mexiko. Könnte man die Aktionäre  zur Verantwortung ziehen, dann würden sie sich vielleicht vorher mehr Gedanken über Investments machen, glaubt er.

Leider ist das Thema „Haftungsfragen“ aber noch recht abstrakt. Denn wie Michael Bauchmüller richtig in der Süddeutschen Zeitung schreibt: Wie organisiert man die Aktionärshaftung so, dass am Ende nicht Investitionen zum Erliegen kommen, weil sich niemand mehr traut, Aktien zu kaufen? Und wie lassen sich Schäden tatsächlich einem Unternehmen zuordnen und bewerten? Klar ist: In dem Thema steckt noch viel Musik.

 

Energiewende and its impact on Germany´s labour market

Germany  is undergoing the Energiewende, a milestone project in transfering the energy and transport sector from nuclear power and fossil energies to renewables and energy efficiency. I found an impressive chart from the Heinrich-Böll-Foundation, an institution close to Germany´s Green Party. On energytransition.de  they compared numbers from the Ministry of Environment und from the Ministry of Economics concerning the job growth in the old and new energy sectors. Result: Renewables are the main job driver.
(In eigener Sache: Vielleicht wundert sich der ein oder andere Leser, dass ich diesmal auf Englisch gebloggt habe. Aber das Thema „Energiewende“ wird besonders auch vom Ausland mit Interesse verfolgt: Wie bekommt eine Industrienation wie Deutschland die Wende hin. „Energiewende“ ist inzwischen ja selbst im englischsprachigen Raum ein feststehender Begriff, so wie „Kindergarten“. Und daher hier einmal ein Experiment, auch die englischsprachigen Leser mit Informationen zu versorgen.)

 

© energytransition.de CC-BY-SA
© energytransition.de CC-BY-SA

 

Der tägliche Fleischwahn

Die Daten, die die Böll-Stiftung und die Umweltorganisation BUND in ihrem Fleischatlas heute veröffentlichen, erinnern mich an meine Kindheit. Da gab es jeden Tag ein warmes Tellergericht – und Fleisch gehörte selbstverständlich dazu.

Quelle: Fleischatlas/zeo2/Vebu, CC-BY-SA

Offenbar hat sich seit den achtziger Jahren, in denen ich aufwuchs, nicht viel verändert. Der Vegetarierbund rechnet vor, dass jeder Deutsche im Durchschnitt am Ende seines Lebens 1.094 Tiere verzehrt hat, darunter vier komplette Rindviecher und 945 Hühner (siehe Grafik hier links).

Von den zahlreichen Skandalen und negativen Entwicklungen in der Ernährungsindustrie – Dioxin in Tierfutter, Analogkäse, Klebefleisch oder Hygienemängel in Hühnerställen – lässt sich der Verbraucher offenbar immer nur kurz beeindrucken. 85 Prozent der Deutschen essen täglich Fleisch.

Allerdings gibt es große Unterschiede: Männer, vor allem zwischen 19 und 24 Jahren, essen deutlich häufiger Fleisch als Frauen. Diese entdecken ihre Fleischleidenschaft etwas später, ihr Fleischkonsum ist zwischen 25 und 34 Jahren am höchsten.

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Deutschlands Biobauern fehlt es an Ackern

Das Europäische Statistikamt Eurostat hat kürzlich spannende Zahlen über die Agrarwirtschaft in der EU veröffentlicht. Wer sich durch den Zahlenwust wühlt, entdeckt interessante Entwicklungen in der Bio-Landwirtschaft in Europa. Nur etwa 1,3 Prozent der europäischen Betriebe wirtschafteten im Jahr 2010 nach Bio-Kriterien: Sie halten also ihre Tiere auf größeren Flächen und setzen weniger Dünger ein als ihre konventionell arbeitenden Kollegen – und wenn, dann biologischen Dünger. Die Fläche, die sie bewirtschaften, entsprach im Jahr 2010 gerade einmal 2,9 Prozent der Agrarfläche in der EU.

Und genau da ist der Knackpunkt. Glaubt man Alexander Gerber, dem Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, dann kommt in Deutschland die Bio-Anbaufläche nicht mehr der Nachfrage der Konsumenten hinterher. Weiter„Deutschlands Biobauern fehlt es an Ackern“