Lesezeichen
 

Japan wird neue Solarmacht

Von solchen Einspeisevergütungen für Solarstrom können die Deutschen nur noch träumen. 37,7 Yen erhalten Solarwirte in Japan pro produzierter Kilowattstunde Sonnenstrom – das sind umgerechnet aktuell 29 Cent. In Deutschland beträgt die Vergütung derzeit bei Strom aus kleinen Anlagen nur etwa die Hälfte, nämlich 15,92 Cent. Kein anderes Land gewährt zurzeit so hohe Solarstromvergütungen wie Nippon, schließlich will es seinen Energiemix nach dem Atomunglück von Fukushima so schnell wie möglich diversifizieren.

© Patrick Hertzog/AFP/Getty Images
© Patrick Hertzog/AFP/Getty Images

Im Sommer vergangenen Jahres hat die japanische Regierung die attraktive Förderung eingeführt. So viel Cash lockt natürlich Investoren an. „Japan ist mit China und den USA zurzeit der Hoffnungsträger der globalen Solarbranche“, sagt Matthias Fawer, Solaranalyst der Schweizer Bank Sarasin. Das zeigen auch die Einschätzungen anderer Analysten.

Weiter„Japan wird neue Solarmacht“

 

Für Greenpeace ist Kohle das neue Atom

Theoretische Todesfälle durch Kohlekraftwerke, laut Greenpeace © Greenpeace 2013
Theoretische Todesfälle durch Kohlekraftwerke, laut Greenpeace © Greenpeace 2013

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bilder, die Worte, sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Vor ein paar Jahren war es Atomkraft, heute ist es die Kohlekraft: Greenpeace hat eine Studie zu Gesundheitsgefahren von Kohlekraftwerken veröffentlicht, deren Grafiken in alarmierendem giftgelb gehalten sind. „Tod aus dem Schlot“, heißt es in der Studie plakativ. Im Auftrag von Greenpeace hat das IER, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (dazu später noch ein paar Worte), Deutschlands 67 leistungsstärkste Kohlekraftwerke untersucht.

Das Ergebnis: Im  Jahr 2010 sollen deutsche Kohlekraftwerke wegen der Emission von Feinstaub und Schwermetallen zu theoretisch rund 3.100 Todesfällen geführt habe. Rund 700.000 Arbeitsstunden seien verloren gegangen, weil Arbeitnehmer durch Kohlekraftwerke erkrankten.

Aus Sicht von Greenpeace ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung natürlich naheliegend. 17 neue Kohlekraftwerke werden in den kommenden Jahren ans Netz gehen. Dagegen gilt es aus Sicht der Umweltschützer zu trommeln. Dass die neuen Meiler allerdings auch alte ineffiziente Kraftwerke ersetzen, unterschlägt Greenpeace gerne.

Sicher ist es richtig, auch die Energiewirtschaft zur Verantwortung zu ziehen, wenn es um Gesundheitsschäden geht. Für das Problem Feinstaub ist eben nicht nur der Verkehrssektor verantwortlich, sondern auch die konventionelle Energiebranche. Jedes Kohlekraftwerk, auch wenn es modernste Filteranlagen besitzt, emittiert nun einmal Schwefeldioxid, Stickoxide und Rußpartikel. Und dass Feinstaubemissionen gesundheitliche Folgen haben können, wurde in der jüngsten Vergangenheit immer wieder gezeigt, auch von der Weltgesundheitsorganisation und der OECD. Der IER-Studienautor Rainer Friedrich betont, dass der Zusammenhang zwischen Emissionen und Toten erst einmal ein rein statistischer, also nicht unbedingt kausaler ist (das erinnert doch auch an die Leukämie-Debatte bei Atomkraftwerken).

Trotzdem finde ich den Aufschlag von Greenpeace wenig gelungen, weil er mit Emotionen arbeitet. Hängen bleibt irgendwie der Eindruck: Wer in der Nähe von großen Kohlemeilern wie Jänschwalde (Brandenburg) oder Niederaußem (Nordrhein-Westfalen) lebt, der risikiert sein Leben.

Einmal davon abgesehen, dass die Auflagen strenger wurden, sich die Filtertechnologien in den vergangenen Jahren stark verbessert haben und somit die Emissionen stark gesunken sind: Die Diskussion über die Energieart Kohle sollte energiepolitisch geführt werden. Wer sich für die Energiewende entschieden hat, der muss auch Konsequenzen daraus ziehen, den Ausbau der Erneuerbaren fördern und das Energiesystem radikal umbauen. Neue Kohlekraftwerke sind langfristig „stranded investments“, wie Fachleute sagen: gestrandete Investitionen. Sie werden sich langfristig kaum rechnen, legen aber unseren Energiepark erst einmal für die kommenden Jahrzehnte auf Kohle fest. Smarter wären flexible Gaskraftwerke, die sich aber aktuell nicht rechnen. Also muss man die Energiemärkte neu strukturieren, von einem neuen Marktdesign sprechen hier die Fachleute. Angstmacherei hilft dabei nicht weiter.

Bislang war übrigens das Stuttgarter IER nicht unbedingt für kohlekritische Studien bekannt. Noch vor einem Jahr bescheinigte es in einer Studie der Braunkohle eine „hohe energiewirtschaftliche Bedeutung(…), um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung für die Sicherstellung einer umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung (zu) erreichen (…)“.

Auch spannend, wie sich Einschätzungen im Zuge der Energiewende so ändern können.

 

Top-Ökonomen scheuchen Obama auf

Das ist mal ein Who is Who: 32 US-Ökonomen, darunter gleich acht Nobelpreisträger, fordern heute den amerikanischen Präsidenten in einem offenen Brief auf, sich dafür stark zu machen, dass auch Airlines ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Dazu gehören Joseph Stiglitz von der Columbia University, Kenneth Arrow aus Stanford und Eric Maskin aus Harvard. Sie schreiben:

“Pricing carbon in the aviation sector will incentivize appropriate investments and changes in operations that would reduce future greenhouse gas emissions. If climate change is to be slowed appreciably at tolerable cost, it is wise to use the market to provide incentives for individuals and firms to reduce greenhouse gas pollution.“

Der Hintergrund: Die EU will ja eigentlich endlich die Airlines dazu verpflichten, auch am Handel mit CO2-Rechten teilzunehmen. Am liebsten hätte sie alle Airlines weltweit dabei – nicht nur die, welche innerhalb der EU starten und landen. Das allerdings ist kompliziert. Bislang haben sich die USA und China mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, am EU-Emissionshandel teilnehmen zu müssen. Ende vergangenen Jahres verschob EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard überraschend den Start des CO2-Handels für Airlines um ein Jahr. Bis dahin könnten die USA und China doch noch dabei sein, hofft sie.

Der Zeitpunkt der Ökonomen-Iniative ist smart gewählt. Ende März trifft sich das zuständige Gremium, die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, in der die EU ihre Position durchfechten will. Auf dem Treffen könnten die USA und EU ausloten, ob die USA nicht doch noch mitmachen wollen. Es wäre ein großer Schritt auf dem Weg zu einem weltweiten Emissionshandel. Und bitter nötig, schließlich steht das europäische System wegen des CO2-Preisverfall gerade vor dem Kollaps. Eine Zusage der USA könnten ihm noch mal neuen Schwung verleihen.

Für Ökonomen ist der Brief ungewöhnlich klar und politisch formuliert, sie sprechen gar von „egoistischer Tatenlosigkeit auf Kosten nächster Generationen“:

„Because emissions are not priced, the world is wastefully using up a scarce resource, the earth’s ability to safely absorb greenhouse gas emissions. Our selfish inaction pushes increased costs onto future generations, and dangerously increases the probability of extreme events with major impacts on their welfare.“

Eine Dame wird sich sicherlich über die Initiative gefreut haben: Klimaschutzkommissarin Hedegaard. Ihre Sprecherin schickte den Ökonomenaufruf gar über deren Presseverteiler. Eine ungewöhnliche Aktion.

 

Tierversuchsfreie Kosmetik ist nur der erste Schritt

Weiße Ratten in einem Versuchslabor in China (Archiv); China Photos/Getty Images
Weiße Ratten in einem Versuchslabor in China (Archiv); China Photos/Getty Images

Glückwunsch an die EU! Dieser Montag ist ein wirklich entscheidender Tag für den Tierschutz. Von heute an sind in Europa Tierversuche für Kosmetika und ihre Inhaltsstoffe komplett untersagt. Das Verbot gilt auch für importierte Stoffe.

Das Besondere ist: Obwohl es für manche Tiertests noch keine Alternativen gibt, hat die EU-Kommission auf dem Verbot bestanden. Kein Einknicken gegenüber der Industrie diesmal. Für Tierschützer wie etwa den Tierschutzbund und der EU-weiten Kampagne Say no to cruel cosmetics ist das ein großer Erfolg. Dabei, und das ist das Paradoxe, schließt die neue Regelung Tierversuche keineswegs völlig aus. Grund ist ein juristisches Schlupfloch.

Weiter„Tierversuchsfreie Kosmetik ist nur der erste Schritt“

 

Wiesenhofs Privathof-Hühner dürfen in den Wintergarten

Masthähnchen in Stall in Andrup/Emsland, © Carmen Jaspersen/dpa
Masthähnchen in Stall in Andrup/Emsland, © Carmen Jaspersen/dpa

Wiesenhof, das ist bislang der Inbegriff von industrieller Geflügelmast. PHW aus dem niedersächsischen Rechterfeld, das Unternehmen, zu dem Wiesenhof gehört, ist Marktführer in Deutschland. Im Jahr produzieren die Niedersachsen rund eine halbe Million Tonnen Hähnchen- und Putenfleisch. Kein anderes Unternehmen mästet und schlachtet so viel Geflügel wie PHW. Der Konzern kommt auf einen Umsatz von rund 2,2 Milliarden Euro. Solche Großindustrien haben ihre Schattenseiten: Nach Hygieneskandalen hat McDonald´s im vergangenen Jahr Wiesenhof gar ausgelistet.

Anfang des Jahres hat Wiesenhof nun ein neues Hühnchen auf den Markt gebracht: das Privathuhn. Es ist kein richtiges Bio-Huhn (hier müssen ja besonders strenge Anforderungen an Haltung, aber auch an das Futter erfüllt werden), aber auch kein Massenhaltungshuhn. Der Deutsche Tierschutzbund hat das Privathof-Huhn mit seinem Einstiegssiegel ausgezeichnet, also der niedrigsten Kategorie – aber immerhin.

Privathof-Hähnchen haben mehr Platz im Stall, sie wachsen langsamer und bekommen gar in  einem überdachten Wintergarten Platz für den Auslauf. Dazu gibt es Strohballen, Picksteine und Sitzstangen.

Warum das alles? „Mit unserem Privathof Tierwohlkonzept versuchen wir, eine Alternative zur konventionellen Aufzucht zu vermarkten“, sagt der Chef des Geflügelkonzerns, Peter Wesjohann, im Interview mit ZEIT ONLINE. „Wichtig ist aus unserer Sicht, dass wir zu einem akzeptablen Aufpreis ein möglichst großes Mehr an Tierwohl generieren.“

Wiesenhof ist ganz zufrieden mit dem neuen Huhn. 44 Geflügelzüchter mästen in Deutschland inzwischen im Auftrag von PHW nach den Privathof-Standards. Wesjohann hofft, mit dem Privathuhn auf einen Marktanteil von drei bis vier Prozent zu kommen. Nach den BSE-Skandalen habe man bei den Biohühnern den Absatz verdreifacht. „Seitdem geht es stetig nach unten“, sagt Wesjohann. „

Das Problem ist natürlich der Preis. Wesjohann rechnet vor, dass der Kostenunterschied zu einem Hähnchen aus konventioneller Haltung bei bis zu  70 Prozent liege. Die Edelteile, also Brust und Keule, wird er sicherlich gut zu einem höheren Preis verkaufen können. Die Frage ist nur: Was passiert mit dem Rest? Landet  der am Ende in einem Chicken-Burger,  in Geflügelwürstchen oder gar im Ausland?

Aus Sicht von Tierschützern ist der Privathof natürlich nur eine Marketingaktion. Wesjohann verweist auf den Verbraucher, der eben nicht bereit sei, mehr Geld für Hühnerfleisch auszugeben. Es ist die Standardrechtfertigung der Landwirte: Der Kunde will es eben billig. Und das heißt konventionell – spricht industriell.

Das Problem ist nur: Der Preis für die konventionelle Zucht wäre eigentlich viel höher, wenn es strengere Haltungsvorgaben für Geflügelzüchter gebe. Während Schweinemäster und Legehennenbetreiber gesetzliche Vorgaben haben, gab es bis vor einigen Jahren nur Selbstverpflichtungen der Branche. Inzwischen macht zwar die EU Vorschriften, doch die sind lascher als das, was es bisher gab. Sehr aufschlussreich ist ein Papier des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz:

„Die neuen Vorgaben ermöglichen deutlich höhere Besatzdichten. (…)  Ob bei diesen Besatzdichten ein ungestörtes Ruhen der Tiere, wie nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Legehennenhaltung vom 06.07.1999 gefordert, noch möglich ist, ist zumindest fraglich. (…) In jedem Fall werden die neuen gesetzlichen Regelungen eine weitere Intensivierung der Haltung von Masthühnern ermögliche. (…)

M. E. machen es aber immer intensivere Haltungsbedingungen mit hohen Besatzdichten sowie die extrem leistungsfähige Genetik heutiger Broilerlinien, die naturgemäß mit einer höheren Anfälligkeit der Masthühner einhergeht, dem Tierhalter immer schwerer, ohne bzw. mit einem geringen Arzneimitteleinsatz auszukommen.“

Verkürzt gesagt: Bio-Hühner (und auf dem Weg dorthin auch die Privathof-Hühner) sind nicht zu teuer. Sondern die konventionell gemästeten Hühner sind einfach zu billig. Der günstige Preis funktioniert nur zu Lasten der Tiere (oder/und der Löhne). Würde es strengere gesetzliche Anforderungen an das Tierwohl geben, dann würde auch der Preis steigen. Und dann könnte es dem Verbraucher auch leichter fallen, gleich auf das „Original“-Biohuhn umzusteigen.

 

CO2 ist doch nicht der Superdünger

Vertrocknete Maiskolben in Colorado, Sommer 2012, © John Moore/Getty Images
Vertrocknete Maiskolben in Colorado, Sommer 2012, © John Moore/Getty Images

Dieses Working Paper ist mal eine komprimierte Analyse: Auf gerade einmal zwölf Seiten räumen Frank Ackerman und Elisabeth A. Stanton mit einigen Glaubenssätzen über die Folgen des Klimawandels für die Agrarwirtschaft auf. Ackerman ist Umweltökonom an der Tufts-Universität in Massachusetts/USA und hat bis vor Kurzem für das Stockholm Environment Institute gearbeitet.

Konsens ist, dass der Klimawandel sich auf die Produktivität in der Landwirtschaft auswirkt. Wie genau, das ist allerdings unklar. Bisher war die Lehre recht optimistisch: Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre fördert das Wachstum. Schließlich werden Pflanzen besser mit Co2 versorgt, dem Stoff also, den sie für die Photosynthese brauchen. Außerdem verlängern sich durch längere Wärmeperioden die Anbauphasen gerade in höheren Regionen.

Doch so einfach ist es nicht, schreiben die Wissenschaftler. Weiter„CO2 ist doch nicht der Superdünger“

 

Uunnnd weg: Die Verpackung, die selbst verschwindet

Gibt es etwas Überflüssigeres als Verpackungen für Müllbeutel? (Man könnte gar eine geisteswissenschaftliche Abhandlung darüber verfassen, wie eine Müllsack-Verpackung sich selbst die eigene Nachfrage schafft, aber das nur am Rande.) Auf jeden Fall muss sich der US-Designer Aaron Mickelson diese Frage oft gestellt haben, als er an seiner Studienarbeit saß. Jedes Jahr fallen allein in Deutschland mehr als 15 Millionen Tonnen Verpackungsmüll an, in den USA sind es sogar 76 Millinen Tonnen im Jahr, so die Umweltbehörde EPA. 

Der Verpackungswahn belastet die Umwelt, er kostet kostbare Energie für Produktion und Beseitigung – und ist vor allem ein Ärgernis. Ich erwähne hier nur am Rande die in Hartplastik eingeschweißten Zahnbürsten oder smartphones, die in Kartons daherkommen, die mindestens drei Mal so groß sind wie das eigentliche Produkt.

© 2013 Aaron Mickelson
© 2013 Aaron Mickelson

Mickelson hat sich ingesamt fünf Produkte vorgenommen, deren Verpackung er verschwinden lassen will, daher heißt seine Homepage auch http://disappearingpackage.com. Ein Beispiel sind etwa Waschmittel-Tabs, die Mickelsen in wasserlöslicher Plastik verpackt und die inklusive Verpackung dann in der Waschmaschine landen und sich aufläsen. Das erspart lästige Waschmittelkanister oder Pulverpakete.

Ein anderes Beispiel ist ein Stück Nivea Seife. Üblicherweise sind gerade teurere Seifen ja noch einmal extra in einem Pappkarton verpackt. Mickelsen hat sich nun auf die Suche nach wasserlöslichem Papier gemacht und das Seifenstück darin eingewickelt. Wäscht man die Hände unter´m  Wasserhahn mit der Seife, löst sich das Papier mit auf.

Nun könnte man natürlich sagen: so ein Quatsch. Denn natürlich machen Verpackungen auch einen Sinn, weil sie eben schützen (Auf den Seiten von Wired diskutieren die Kommentatoren etwa, welchen Sinn gerade bei Seifen und Waschmitteln Verpackungen machen, die wasserlöslich sind). Aber Mickelsen will eine Debatte anstoßen. Welche Verpackungen brauchen wir eigentlich wirklich? Und welche sind einfach nur überflüssig  – und oft ja leider noch nicht einmal dann wenigstens schön.

 

 

Holland sucht das „nachhaltige Hähnchen“

© Joern Pollex/Getty Images
© Joern Pollex/Getty Images

Was sich die Branche alles einfallen lässt: „Hähnchen von morgen“ nennen Hollands Geflügelzüchter ihr aktuelles Projekt: Ihr Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen in den Niederlanden nur noch Hühner „aus nachhaltiger Erzeugung“ erhältlich sein. Zurzeit sitzen Produzenten und Handel zusammen und versuchen, Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln. Was bedeutet es konkret, ein „nachhaltiges Hähnchen“ zu produzieren?

Die Frage rückt die Geflügelwirtschaft in den Fokus, eine Branche, die schon seit Jahren immer wieder von Skandalen erschüttert wird. Was niederländische Geflügelzüchter treiben, ist auch für Deutschland relevant, denn am Ende landet die holländische Hühnchenbrust in vielen deutschen Supermarktkühltruhen. Wir sind der wichtigste Handelspartner für die Niederländer, rund 40 Prozent des holländischen Geflügelexports gehen nach Deutschland. Erst vergangenes Jahr übernahm die niederländische Plukon Food Group auch den deutschen Geflügelzüchter Stolle („Friki“) und machte sich damit auf dem deutschen Markt breit. Deutschland schafft es inzwischen auf Platz zwei der europäischen Geflügelzüchter, die Niederlande auf Platz sieben. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 1,8 Millionen Tonnen Hühner geschlachtet, in „Stückzahlen“ waren das vor zwei Jahren mehr als 700 Millionen im Jahr.

Die Kriterien, welche Hollands Züchter für ihr futuristisches Hähnchen diskutieren, klingen noch ganz schön wischiwaschi. Die Branche sagt: „Die zu setzenden Nachhaltigkeitsstandards müssen weit über die Aspekte Tierwohlsein und Tiergesundheit hinausgehen. Eine besondere Herausforderung ist es in diesem Zusammenhang, die verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien miteinander in Einklang zu bringen, um am Ende optimale Standards zu etablieren.“

Fragt man beim zuständigen Pressebüro nach, worüber denn die Züchter und die Supermärkte konkret verhandeln, bekommt man die Antwort, dass es eben nicht nur ums Tierwohl und die Tiergesundheit gehe (das betrifft natürlich auch den Antibiotika-Einsatz), sondern auch um Energie- und Umweltmanagement in der Produktion. Fragt man noch mal nach, dann geht es auch noch um Besatzdichten in den Käfigen, also wie viel Platz eigentlich das einzelne Huhn bekommt. Klar sei aber auch, dass auch wirtschaftliche Aspekte beachtet werden müssten und dass die Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet sei, heißt es.

Wer bei nachhaltiger Züchtung nun an „bio“ denkt, der wird wohl vom niederländischen Ansatz enttäuscht sein. Dafür liegen zwischen klassisch-konventioneller Zucht und Biostandards Welten, auch preisliche. Allein Biofleisch ist etwa dreimal so teuer wie das Industrieprodukt. Agrarexperte Alexander Hissting von der Beratungsfirma grüneköpfe schätzt, dass sich Hollands Züchter und Handel wohl auf irgendetwas in der Mitte einigen würden. „Aus Marketingsicht ist nur logisch, Ware anzubieten, die von den Anforderungen und dem Preis irgendwo zwischen bio und konventionell liegt.“ Sicherlich werde aber das Programm tatsächlich „deutliche Fortschritte“ gegenüber dem Status Quo bringen.

Zu einem weitaus radikaleren Urteil kommt dagegen Greenpeace. Hühnerzucht sei Industrieproduktion: In knapp einem Monat würde teilweise ein Küken bis zur Schlachtreife gemästet, ein Biohühnchen habe nicht viel mehr Zeit. Dass die Geflügelbranche Nachhaltigkeitsstandards definiere, sei “ völlig absurd“, sagt Landwirtschaftsfachmann Martin Hofstetter. Solche Produktionen hätten nichts mehr mit der Natur zu tun. Auch die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen hält er für fatal, dort würden Arbeiter für Niedriglöhne malochen. „Aber alles, was die Situation am Ende verbessert, macht das Produkt am Ende auch teurer.“

Und so ist man am Ende bei einer ähnlichen Debatte wie beim Pferdefleisch. Entscheidend ist, was der Konsument zu zahlen bereit ist. Da helfen kaum strengere Gesetze oder zwischen Produzenten und Handel ausgehandelte Nachhaltigkeitskriterien. Es geht um einen Bewusstseinswandel bei uns Verbrauchern.

Und noch ein Gedankenanstoß: Zurzeit kostet ein ganzes, tiegefrorenes Suppenhuhn bei Rewe gerade einmal 2,59 Euro.

 

Der Preis von Altmaiers und Röslers Kompromiss

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sind gut gelaunt. Drei Stunden haben sie gerade mit ihren Länderkollegen zur Strompreisbremse getagt, jetzt treten sie im Umweltministerium vor die Presse. Die beiden Herren geben sich optimistisch. Ihre Vorschläge seien erst einmal eine gute kurzfristige Lösung, um die steigenden Ökostromkosten in Griff zu bekommen. Im Prinzip geht es ihnen um fünf Punkte:

1. Der Energie-Soli

Wer schon jetzt eine Solaranlage oder einen Windpark betreibt, der soll ab dem kommenden Jahr weniger Geld bekommen. Vorerst auf ein Jahr befristet, wird die Vergütung für alle bisherigen Ökostromproduzenten dann um 1,5 Prozent gekappt.

Das in einen Euro-Betrag zu übersetzen, ist schwer: Wer wie viel Vergütung erhält, hängt von der Anlagengröße, der Stromproduktion und dem Jahr, in dem die Anlage ans Netz ging, ab. Exemplarisch für eine Mini-Solaranlage, die im Jahr rund 4.500 Kilowattstunden Strom liefert und im Jahr 2004 ans Netz gegangen ist, bedeutet es: Ihr Eigentümer, der in diesem Jahr noch 57,4 Cent je eingespeiste Kilowattstunde erhält, also in der Summe rund 2.500 Euro, müsste 2014 auf rund 38 Euro verzichten.

Wer seine Solaranlage dagegen erst in diesem Februar ans Stromnetz anschließt, der erhält nur noch 16,6 Cent je Kilowattstunde – die Regierung hatte ja die Sätze kräftig zusammengestrichen. Er erhält rund 750 Euro im Jahr. Nach dem Altmaier/Rösler-Vorschlag müsste er zukünftig eine Einbuße von rund elf Euro hinnehmen.

2. Der Deckel:

Für das kommende Jahr wird die Umlage auf 5,3 Cent je Kilowattstunde eingefroren. Das heißt im Umkehrschluss: Stromkunden müssen im kommenden Jahr nicht mit höheren Strompreisen wegen der Ökostromförderung rechnen. Das heißt natürlich nicht, dass die Strompreise überhaupt nicht steigen können: Die Energieversorger können natürlich höhere Einkaufspreise wegen steigender Gaspreise oder höhere Netzgebühren geltend machen.

3. Neuanlagen

Wer neu ins Geschäft mit Ökostrom einsteigen will, für den haben sich die Geschäftsbedingungen auf jeden Fall verschlechtert (nach Einschätzung von Rösler und Altmaier braucht es ja genau diesen negativen Anreiz, damit der Ausbau langsamer vonstattengeht). In den ersten fünf Monaten erhält er nur den aktuellen Börsenpreis – und eben nicht mehr die gesetzlich garantierte EEG-Vergütung. Der Börsenpreis liegt im Schnitt bei etwa fünf Cent die Kilowattstunde. Ein Windmüller würde eigentlich derzeit inklusive Boni fast das Doppelte erhalten.

4. Börsenhandel

Wer einen großen Solar- oder Windpark ab August ans Netz nimmt, der kommt zukünftig um die Börse nicht mehr herum. Die Großproduzenten müssen zukünftig ihren Strom direkt an der Börse verkaufen. Bislang kassierten sie dafür eine Managementprämie, die den höheren Aufwand kompensieren sollte. Diese will die Bundesregierung komplett streichen.

5. Industrie

Auch Unternehmen sollen ihren Beitrag leisten. Die Ausnahmeregelungen sollen so kräftig zusammengestrichen werden, dass sich die Bundesregierung davon Einnahmen von 700 Millionen Euro erhofft. Details sind allerdings noch nicht bekannt.

Auf 1,86 Milliarden Euro Einsparung kommt die Bundesregierung unterm Strich. Ob das realistisch ist? Das kann kaum einer sagen. Vor allem, weil der Vorschlag nun von den Landesministern diskutiert wird. Die müssen noch zustimmen. Im Bundesrat hat Rot-Grün eine Mehrheit. Und deren Landesumweltminister klingen am Mittag alles andere als begeistert.

 

Bilanzen aufhübschen mit CO2

Mit Grünen Geschäften hat Arcelor Mittal erst mal wenig zu tun. Das Unternehmen ist der größte Stahlproduzent der Welt, mehr als 310.000 Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen weltweit. Die Produktion des Stahls verursacht eine ganze Menge CO2. Zwar wird der Stahl anschließend auch für Windräder und andere Umwelttechnologien gebraucht. Klimaschutz ist Arcelors Kerngeschäft jedoch bislang sicher nicht.

Wer einen Blick in die jüngsten Geschäftszahlen wirft, der entdeckt dort ein interessantes Detail: Im vierten Quartal 2012, heißt es dort, hat der Konzern eine große Menge CO2-Emissionsrechte verkauft. Das war für den Luxemburger Konzern kein schlechtes Geschäft – die Einnahmen lagen bei knapp 150 Millionen US-Dollar:

4Q 2012 EBITDA of $1.3 billion includes $0.2 billion from sale of carbon dioxide (CO2) credits.

Arcelor hat angekündigt, das Geld in Energieeffizienz-Projekte zu investieren. Für’s erste aber hat der Konzern mit dem Cash seine Jahresbilanz aufgehübscht. Von „boost its balance sheet“ spricht der Energiefachinformationsdienst ICIS. Das Unternehmen hatte wegen der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr einen operativen Gewinn von 7,1 Milliarden US-Dollar bekanntgeben, ein Drittel weniger als noch im Vorjahr.

Was sagen die Zahlen aus?  Selbst wenn der Preis für CO2-Rechte gerade bei 4,16 Euro je Tonne vor sich hin dümpelt (ursprünglich lagen die Hoffnungen der Politik bei einem Preis von 30 Euro/Tonne): Für manche Konzerne sind die CO2-Rechte ein Bombengeschäft. Das zeigt auch die aktuelle Studie „Klimagoldesel“ des BUND und der britischen Organisation Sandbag. Sie kommt zu dem Schluss, dass deutsche Unternehmen rund 85 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate zu viel haben, also bunkern. Das entspreche etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß Österreichs. Insgesamt wären diese Rechte derzeit rund 340 Millionen Euro wert.

Kein schlechter Schatz in den Bilanzen.

Was für die Unternehmen gut ist, ist für den Klimaschutz natürlich fatal. Die Grundidee des Handels mit CO2-Zertifikaten geht ja so: Das CO2 wird erstmals bepreist. Wer es ausstößt, braucht ein Emissionsrecht. Entweder strengt er sich an und mindert seine Emissionen. Oder er kauft sich eben ein Emissionsrecht. Wenn nun, wie aktuell, viel zu viele Rechte auf dem Markt sind, dann sinkt der Preis. Und niemand macht mehr richtigen Klimaschutz, weil es sich nicht lohnt.

Das alles wird leider nicht besser. Die EU vergibt ja die CO2-Verschmutzungsrechte, anfangs sogar umsonst. Und während an einigen Stellen inzwischen die Daumenschrauben angedreht werden (Stromunternehmen müssen in der sogenannten dritten Handelsperiode nun ihre Rechte komplett kaufen), gibt es weiterhin Branchen, die Verschmutzungsrechte umsonst erhalten, selbst wenn es zurzeit viel zu viel gibt. Dazu gehört — kaum überraschend – auch die Stahlindustrie.

Die EU-Kommission will den Preisverfall bekämpfen. Sie plädiert für eine künstliche Verknappung der Rechte. Rund 900 Millionen Tonnen CO2-Rechte sollen zurückgehalten werden, von backloading spricht die Fachwelt. Kommende Woche wird der Umweltausschuss des Europaparlaments sich damit beschäftigen. Der Industrieausschuss hat – ebenfalls kaum überraschend – bereits dagegen plädiert.

Fachleute sind sich  einig, dass auch 900 Millionen Tonnen CO2 zu wenig sind. Die Deutsche Emissionhandelsstelle plädiert für mindestens 1,5 Milliarden Tonnen, die dauerhaft vom Markt genommen werden müssten.