Im ersten Moment war ich ein bisschen baff: Die Reaktoren würden am elften des Monats eingehängt, erklärt mir mein Gesprächspartner. Reaktoren einhängen? Wie bitte?
Ich lerne: Energiewende heißt auch, eingetretene Denkpfade zu verlassen. Diesmal also keine Atomkraft. Stattdessen reden wir über „Bioreaktoren“, also Fassadenelementen, in denen Algen gezüchtet werden.
Ende März soll nach Angaben der Projektierer das „weltweit erste Wohnhaus mit Algenbioreaktorfassade“ fertiggestellt sein. Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg entsteht das Demonstrationsprojekt, eines dieser typisch neuen Wohnhäuser im Klotzstil, lindgrün.
Das Besondere soll die Südfassade sein: Die Macher installieren 130 lichtdurchlässige Glascontainer an der Sonnenseite. In ihnen werden, komplett automatisiert, Algen gezüchtet. Dafür braucht es Algenrohmasse, Wasser, Licht, Kohlendioxid und Stickstoff als Nährstoff. Mithilfe der Photosynthese entstehen so Biomasse und Wärme. Langfristig will man die Biomasse eventuell zur Biogasproduktion nutzen. Mit der Wärme sollen die Wohnungen gewärmt und das Wasser erhitzt werden.
Nun muss ich an dieser Stelle betonen: Das „Haus mit Biointelligenzquotient“ (BIQ), wie es sich nennt, ist ein Pilotprojekt, eine Hausfassade zum Lernen.
Schaut man sich die Energiebilanz an, so ist sie wirklich ernüchternd: Die rund 200 Quadratmeter große Algenfassade kommt auf einen jährlichen Nettoenergieertrag von 4.500 Kilowattstunden Strom. Das ist etwas mehr, als ein durchschnittlicher Haushalt im Jahr verbraucht (3.500 kwh). In dem Algenhaus entstehen 15 Wohnungen – nur eine von ihnen ließe sich also theoretisch mit Biostrom komplett versorgen.
Außerdem ist unklar, wo die Wärme bleibt. Gerade im Sommer, bei viel Lichteinstrahlung, arbeiten die Bioreaktoren auf Hochtouren. Doch gerade dann ist der Wärmebedarf eher gering. Also wird die Wärme zwischengespeichert. Dabei geht allerdings ein großer Teil verloren.
Ich würde das BIQ unter Forschungsprojekt abspeichern. Denn sicherlich ist es ein wertvoller Beitrag, was Häuserfassaden eigentlich zukünftig leisten können. Solarpanelen sind der Klassiker, Solarkollektoren gibt es auch schon. Aber warum soll es nicht eines Tages auch möglich sein, im großen Stil mit ihrer Hilfe Energie zu erzeugen. Und warum nicht mit Biomasse? Erst kürzlich erzählte mir ein Physiker von der Idee, die komplette Ostsee gezielt zur Algenproduktion und damit als weltweiten CO2-Speicher im großen Stil zu nutzen (auch wenn ich das für ausgesprochenen Quatsch halte).
Das Interesse anderer Immobilienentwickler an der Technologie ist enorm, ganze Wohnanlagen wollen manche mit einer solchen Fassade ausstatten.
Den zukünftigen Mietern ist das dagegen wohl nicht so wichtig. Ökologische Überzeugungstäter seien sie nicht gerade, so die Organisatoren. Die Mieter hätten halt eine Wohnung gesucht.
Der klassische Vorwurf an die Biogas-Branche geht ja so: Ihr sorgt dafür, dass mit euren riesigen Maisflächen unsere artenreiche Natur ausstirbt: Überall wächst nur noch Mais, diese Monokultur ist eine Gefahr für unsere biologische Vielfalt.
Dass es auch anders geht, ist in der taz zu lesen: Malven, Lichtnelken und Wilde Möhre landen hier bei einem Pilotprojekt in der Biogasanlage. Der Output liege zwar nur bei 50 bis 70 Prozent im Vergleich zum Mais. Ist aber nicht schlimm, sagen die Wissenschaftler. Schließlich benötige man weniger Saatgut, Dünger und Spritzmittel.
Die Bordo Poniente Müllkippe in Mexiko City ist in diversen Kategorien Weltmeister: Sie gilt als eine der größten Müllkippen der Welt, zu Hochzeiten wurde sie von hunderten Müllwagen täglich angesteuert, wie BBC berichtet. Zudem ist die Kippe einer der größten Klimagas-Emittenten der Hauptstadt, die Emissionen aus dem dort offen gelagerten Abfall machen rund ein Viertel der Klimabilanz aus. Beim Verrotten der Abfälle entsteht Methan, ein Gas, das 23 Mal klimawirksamer ist als Kohlendioxid.
Seit Mitte Dezember wird nun die Müllkippe nicht mehr angefahren, ein Erfolg der Stadt und der Clinton Climate Initiative. Nun soll aus der Müllkippe eine Art grünes Kraftwerk werden: Das anfallende Methan soll aufgefangen und zur Stromerzeugung in einem Kraftwerk genutzt werden, es könnte rund 35.000 Haushalte mit Elektrizität versorgen. Ein Zementwerk hat außerdem zugesagt, täglich rund 3000 Tonnen Abfälle als Ersatzbrennstoff einzusetzen. Und auch die Müllsammler vor Ort sollen eine Zukunft haben, sie sollen neue Jobs auf der Müllkippe bekommen und beim Versiegeln der Oberfläche helfen.
Das alles mag dröge und technisch klingen, aber es sind gerade solche Maßnahmen, die dem Klima helfen. Wie sagt es der Bürgermeister:
„Closing Mexico City’s Bordo Poniente landfill is one of the most important environmental actions for the entire country. If it can be done here, it can be replicated elsewhere even if the solution is a complex one.”
Und was kostet das alles? Dazu machten der Bürgermeister und die Clinton Initiative leider keine Angaben. Außer, dass man natürlich das Biogas verkaufen will und sich daraus Erlöse erhofft. Auf Zuschüsse der Regierung und vom Privatsektor ist man aber trotzdem angewiesen.
Wie versorgt man die Ärmsten der Armen mit Energie? Bislang suchen die Menschen in Äthiopien in der Regel nach Holz, transportieren es mühselig über Kilometer zu ihren Hütten nach Hause, um es dort zu verbrennen. Das Problem ist nur: Das Holz wird so langsam knapp – und der Transport von 30 Kilo Brennholz ist auch nicht gerade einfach.
Wissenschaftler der Universität Hohenheim haben daher nun einen Biogas-Rucksack entwickelt. Er wiegt etwa drei Kilo, besteht aus mehreren Schichten Kunststoff und einem Anschluss. Der Rucksack fasst etwa einen Kubikmeter Gas, das entspricht etwa dem Tagesbedarf einer Familie. Die Menschen laufen mit ihm zu einer zentralen Biogasanlage und zapfen sich dort ihre Energie. Zuhause deponieren sie ihn vor der Hütte und drücken je nach Bedarf das Gas heraus – der Rucksack wird ohne Druck befüllt.
Agrartechnikerin Karin Pütz, die das Konzept entwickelt hat, will den Biogas-Rucksack in eine Infrastruktur einbetten. Kleinbauern beliefern eine Biogas-Anlage mit Kuhdung – und zapfen sich im Gegenzug das Biogas. So werde ein Handelssystem aufgebaut, das sich selbst trage. Der Rucksack ist nötig, weil es kein Geld für Leitungen oder andere Transportmöglichkeiten in Entwicklungsländern gibt. „Damit Biogas erfolgreich in Entwicklungsländern genutzt wird, muss es transportiert werden können, nur so bekommt es einen finanziellen Wert“, sagt Pütz. „Biogas as Business“ hat sie ihr Konzept genannt. Der Rucksack kostet – produziert in Deutschland – etwa 30 Euro.
Aber mit einem Kubikmeter Gas auf dem Rücken herumzulaufen, ist das nicht gefährlich? Pütz bewertet das Risiko als gering. Da es ohne Druck abgefüllt werde, könne es nicht explodieren, sondern nur verbrennen. Und damit es sich entzündet, müssen Biogas (mit hohem, nicht-brennbarem CO2-Anteil) und Sauerstoff in einem ganz bestimmten Verhältnis aufeinandertreffen. Plus eine Feuerquelle. Zurzeit lässt Pütz ihren Biogas-Rucksack vom TÜV Rheinland prüfen. Allemal ist der Rucksack aber sicherer als die derzeitige Praxis. In Indonesien, erzählt Pütz, würden etwa Bauern Biogas in Reifenschläuchen transportieren.
Das Interesse ist übrigens enorm. Indonesien hat schon die ersten Rucksäcke geordert. Zurzeit verhandelt Pütz außerdem mit der Regierung in Äthiopien, damit ihr Konzept in das Nationale Biogasprogramm aufgenommen wird. Das ist allerdings nur der erste Schritt. Am Ende soll sich die Idee selbst finanzieren und ohne Zuschüsse auskommen.