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Flüchtlinge

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Die Kläger gegen das Flüchtlingsheim in Harvestehude sollten sich nicht zu früh freuen: Die Unterkunft wird kommen

Es gibt schlechte Nachrichten für jene drei Anwohner aus Harvestehude, die in ihrer Nachbarschaft kein Flüchtlingsheim dulden wollen. Kurzfristig waren sie erfolgreich mit ihrem Eilantrag auf einen Baustopp. Ein paar Monate lang werden die Arbeiten ruhen, und alles wird so gediegen-beschaulich bleiben am Mittelweg, wie man es dort schätzt (anderswo übrigens auch). Doch dann werden die Arbeiten weitergehen und die Flüchtlinge werden einziehen. Das können drei streitlustige Anwohner nicht verhindern. Auch kein Verwaltungsrichter, der sich auf ihre Seite schlägt.

Die Frage ist allein, wann die Flüchtlinge einziehen werden, wie viele es sein werden und wie genau es dazu kommt. Es gibt eine einfache und eine weniger einfache Möglichkeit. Auf die einfache setzt derzeit die Politik – darauf, dass die Klage der Anwohner in der nächsten Instanz verworfen wird, von Richtern, die etwas weniger Empathie für die Nachbarn aufbringen und dafür etwas mehr für die Flüchtlinge, die sich in der überfüllten Erstaufnahme drängen, die lange Zeit sogar auf Stockbetten in Zelten der Hamburger Feuerwehr hausen mussten, als wären sie in einem Tsunami-Gebiet gestrandet.

Auch wenn das wohlhabende Harvestehude derzeit ein paar Probleme mit seinem Ruf hat, so leben dort doch viele Menschen, die sich vielleicht nicht gerade auf die Flüchtlinge freuen, sich aber für sie engagieren wollen, wenn sie erst einmal da sind. Mit Beratung und Sprachkursen, mit Zeit und auch mit dem nötigen Kleingeld. Es gibt keinen Grund, jetzt an der Menschlichkeit eines ganzen Viertels zu zweifeln, nur weil drei Wohlstandsegoisten um den Wert ihrer Häuser und Grundstücke bangen und einen Anwalt damit beauftragt haben, noch mal ganz genau im alten Baustufenplan aus dem Jahr 1955 nachzulesen, was sich gegen ein Flüchtlingsheim vorbringen lässt. Drei Anwohner übrigens, die selbst kleine Firmen betreiben oder betrieben haben – in einem geschützten Wohngebiet, wo Firmen nicht erlaubt sind. Gewiss, das ist bigott.

Die gute Nachricht ist jedoch: Tricksen ist kein Privileg gut situierter Bürger und ihrer Anwälte. Auch die Politik kann zu ganz legalen Tricks greifen, wenn sie ihre Ziele durchsetzen will. Falls die Gerichte das Flüchtlingsheim nicht genehmigen sollten, kann die Politik es selbst tun, es gibt verschiedene Möglichkeiten:

Sie könnte den Bebauungsplan ändern, das würde ein paar Monate dauern, dann gäbe es das geschützte Wohngebiet nicht mehr. Das ist plausibel: Schon heute residieren dort viele Firmen.

Sie könnte in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt anstelle eines Flüchtlingsheimes ganz gewöhnliche Wohnungen genehmigen und diese hinterher an Flüchtlinge vermieten.

Sie könnte auf Bundesebene festschreiben, dass Flüchtlingsheime auch in geschützten Wohngebieten erlaubt sind, so wie sie es kürzlich für Gewerbegebiete regelte.

Sie könnte, wie es anderswo in der Stadt bereits geschieht, nach Polizeirecht vorgehen und die Flüchtlinge als Notmaßnahme an der Sophienterrasse einquartieren.

Es gibt noch mehr Möglichkeiten in den Tiefen des Baugesetzbuches, die alle legal sind und zeigen: Es ist am Ende nicht entscheidend, was drei Anwohner der Sophienterrasse wollen.

Im Übrigen geht es natürlich auch um Gerechtigkeit. Das mit Reichtum nicht ganz so gesegnete Billbrook hat demnächst gut 2000 Einwohner und beherbergt dann 1200 Flüchtlinge. Das von vielen irdischen Nöten verschonte Harvestehude zählt 18.000 Einwohner – und soll es nicht einmal schaffen, 220 Flüchtlinge aufzunehmen?

In Billbrook, Harburg, Farmsen und wo sonst das Land noch Flüchtlinge unterbringt, müssen die Bürger spüren, dass sie mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Darum ist es gut, dass in diesem Fall die Politik das letzte Wort behalten wird.