Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Führung gesucht

 

Zwei Stunden vor dem Anpfiff vibriert mein Handy. Es ist mein Kumpel Paul, ein Dortmund-Fan aus München. Er wirkt siegesgewiss, also biete ich ihm eine Wette an. Einsatz: Ein Kasten Bier – was sonst. Paul tippt 3:1 für Dortmund, ich lege mich auf ein 1:0-Sieg für den HSV fest. Während Paul tatsächlich an sein Ergebnis glaubt, bleibt mir nichts als Hoffnung.

Das Spiel begann gut für den HSV. Nach 25 Minuten hatte die Mannschaft sich schon zwei Torchancen herausgespielt. Als HSV-Fan weiß man das zu schätzen. Nach einer knappen halben Stunde war es dann aber auch schon wieder vorbei mit der Hamburger Torgefahr. Fortan beschränkte das Team von Joe Zinnbauer sich darauf, hinten keinen Treffer zu kassieren. Das gelang auch: Ein torloses Remis war das Resultat.

Vor dem Spiel hätte ich dieses Ergebnis sofort unterschrieben. Nach dem Spiel war ich zwar immer noch zufrieden mit dem Punktgewinn, gleichzeitig aber auch geschockt von der fußballerischen (Nicht-)Leistung, die die Hamburger mal wieder an den Tag gelegt haben.

Es gibt ja viele die meinen, man müsse das Fußballspielen einstellen, und gnadenlos alles umhacken, was einem über den Weg läuft, wenn man im Abstiegskampf bestehen möchte. Über den Kampf müsse man kommen, heißt es dann immer so schön. Kampf allein schießt aber keine Tore. Und ohne Tore kann man nicht gewinnen. Wer nicht oft genug gewinnt, steigt ab. Fußball ist so einfach.

Wer Tore schießen will, braucht zunächst Torchancen. Diese muss man sich in der Regel erspielen, zum Beispiel mit einem genialen Pass in die Spitze. Beim HSV gelingt aber nicht mal der Drei-Meter-Pass zum Nebenmann. Gegen Dortmund sind nur 46 Prozent der Hamburger Pässe beim Mitspieler angekommen. 46 Prozent!! Das lässt sich kaum noch in Worte fassen. Dazu kamen noch 23 Fouls bei gerade einmal 32 Prozent Ballbesitz. Erstligareif ist das alles auf keinen Fall, wahrscheinlich nicht einmal zweitligareif.

Dem HSV fehlt ein Mittelfeldspieler, der das Selbstvertrauen und die technischen Möglichkeiten besitzt, das Spiel der Hamburger zu führen. Zoltan Stieber befindet sich zweifelsohne im Aufwärtstrend, scheint mir aber noch zu unerfahren zu sein, um die Mannschaft zu führen. Der Schweizer Valon Behrami hat zwar das nötige Selbstbewusstsein, das Zerstören von Spielzügen liegt ihm aber wesentlich mehr, als das Kreieren selbiger. Nicolai Müller wirkt zwar immer bemüht, agiert aber auch zu planlos. Bliebe noch Rafael van der Vaart, aber das Thema dürfte durch sein.

Und so bleibt mir gar nichts anderes übrig, als auch weiterhin zu hoffen, dass sich am Ende der Saison drei Mannschaften finden, die noch schlechter sind als der HSV. Noch ist das der Fall. Das kann sich aber sehr schnell ändern. Es bleibt eng, wahrscheinlich wieder bis zum letzten Spieltag.

Nach dem Spiel vibriert mein Handy erneut. „Vielleicht trinken wir den Kasten einfach zusammen, um dieses Spiel schnell zu vergessen“, schreibt Paul.