Nach der Pflicht kommt die Kür, eine bewährte Reihenfolge, der FC St. Pauli aber hat sich daran in letzter Zeit wenig gehalten. Auch wenn die Spieler des Kiezvereins den Rasen noch so intensiv beackerten, gelangen ihnen fast keine Tore. Wenn doch, dann waren es vor allem Anschlusstreffer. Am Wochenende aber hat die Mannschaft mit dieser Misere gebrochen. Sie hat endlich mal wieder beides gezeigt, Pflicht und Kür. Das Ergebnis am Samstagnachmittag in Braunschweig: 0:2.
Der FC St. Pauli ist erwacht. Genau wie die Frühlingsblumen, die sich in den vergangenen Tagen durch die Erde gewuchtet haben, um ihr schönes Frühlingskleid zu zeigen. Die braun-weiß gekleideten Fußballer haben einen ähnlichen Kraftakt vollbracht. Gegen Eintracht Braunschweig zeigten sie eine grundsolide Defensivarbeit und kürten sie mit zwei herausragenden Standards. Ganz deutlich zu sehen: Die akribische Aufbauarbeit von Trainer Ewald Lienen trägt erste Blüten.
Dass dieser Umschwung in Braunschweig gelingen würde, damit war nun wirklich nicht zu rechnen. Noch unter der Woche hatte der Gegner im DFB-Pokal gegen die Übermannschaft aus München lange Zeit gut mitgehalten und nur mit zwei Toren verloren. Der FC St. Pauli reiste also als Underdog ins Stadion an der Hamburger Straße. Eine Rolle, die die oft verspielt wirkende Mannschaft allerdings von der ersten Minute annahm, aufopferungsvoll und klug verteidigte sie ihre Defensivzone.
Eintracht Braunschweig spielte so, wie man das eigentlich von St. Pauli gewohnt ist: dominant, aber ohne nötigen Wumms und Präzision. Meistens unterbanden schon die Spieler vor Robin Himmelmann die Angriffsbemühungen der Heimmannschaft. Stürmer Chris Nöthe attackierte sie sogar an ihrer eigenen Eckfahne. Und falls doch mal einer der unpräzise geköpften oder geschossenen Bälle der Braunschweiger beim St.-Pauli-Torhüter landeten, fing dieser sie ohne Probleme ab.
St. Pauli dagegen spielte so, wie man es von den Braunschweigern, einer selbsternannten Spitzenmannschaft der zweiten Bundesliga, erwartet: Zweimal kamen sie per Standard gefährlich vor das gegnerische Tor, zweimal setzten sie stricknadeldicke Stiche. Erst netzte Innenverteidiger Sören Gonther (25. Minute) per Kopf ein, dann sein Kollege Lasse Sobiech (65.), mustergültig von Dennis Daube in Szene gesetzt.
Der Gastmannschaft tat es sichtbar gut, dass sich die Temperaturen über die Zehn-Grad-Marke schoben. Meine treue Begleiterin Anna legte sich schon früh fest: „Hier passiert heute nix mehr, die haben sich gegenseitig richtig lieb“, sagte sie. Es reichte, zu sehen, wie zärtlich Torschütze Lasse Sobiech Passgeber Dennis Daube herzte, um Annas Einschätzung zu folgen.
Auch wenn der Winter hartnäckig sein kann und der FC St. Pauli immer noch auf einem Abstiegsplatz steht: Man spürt die Wucht, mit der die Frühlingsgefühle in dieser Mannschaft wirken.
Annas Spieler des Tages war Dennis Daube, dessen präziser Standard der Eintracht so richtig weh tat.