Mit einer aggressiven und kraftraubenden Mannschaftsleistung hat der FC St. Pauli am Sonntag den Aufstiegsaspiranten RB Leipzig mit 1:0 besiegt. Gegen die spielerisch stärkeren Gäste schoss Ersatzmittelstürmer Lennart Thy kurz vor der Halbzeit das Tor des Tages.
Was die Stunde geschlagen hatte, zeigte sich schon unmittelbar nach dem Anpfiff: Sebastian Schachten wetzte umgehend in die Hälfte der Leipziger und bekam am Sechzehner der Gäste den Ball. Er drosch ihn zwar ans Außennetz, überraschte aber doch alle. Eine so frühe Torchance, das war nun wirklich nicht zu erwarten gewesen.
Danach zog sich St. Pauli in seine Grundformation zurück und attackierte die Roten Bullen früh und aggressiv. Trotz einem Ballbesitz von über 60 Prozent gelang den Leipzigern nicht viel. Das vom am Saisonende scheidenden Dennis Daube gut organisierte Mittelfeld räumte alles ab, was Leipzig nach vorne brachte. Was doch durchkam, verfing sich in St. Paulis aufmerksamer Viererkette.
Im Umschaltspiel ließ sich St. Pauli nicht auf das berüchtigte frühe Pressing der Leipziger ein, sondern überbrückte Abwehr und Mittelfeld englisch, mit langen Bällen in die Spitze.
Alles hoch auf Thy
Die meisten Bälle der Hamburger Offensive landeten bei Lennart Thy, der oft erfolgreich auf seine Flügelspieler ablegte. So kam St. Pauli in der ersten Hälfte zu vielen guten Chancen. Die beste vergab wiederum Schachten, als er in der 13. Minute knapp übers Tor köpfte.
Die Partie wurde weitgehend am Anschlag des Erlaubten geführt, was Schiedsrichter Brand auffällig wohlwollend beobachtete, ohne dabei inkonsequent zu werden. Kein einziges taktisches Foul wurde an diesem sonnigen Nachmittag mit einer Karte bestraft. Die Folge: Torszenen der Leipziger blieben Mangelware. Lediglich Gästestürmer Emil Forsberg prüfte Robin Himmelmann in der 23. Minute ernsthaft.
Zum Ende der ersten 45 Minuten grätschte der kampflustige Jan-Philipp Kalla einen Leipziger Vorstoß ab und passte den Ball in die Laufrichtung von Lennart Thy, der frei vor Torwart Coltorti glücklich den Ball kontrollierte und mit dem Pausenpfiff ins Tor traf. Das 1:0.
Die verdiente Führung hielt St. Pauli in der zweiten Hälfte verbissen fest, stand tief und ließ gegen die anstürmenden Leipziger keine 100-prozentigen Torchancen mehr zu. Die völlig frustrierten Leipziger begannen nun, das harte Spiel St. Paulis anzunehmen und wurden immer unfairer. Trauriger Höhepunkt war der rüde Schubser des Leipziger Stürmers Yordi Reyna, der Kalla an den Pfosten drückte. Der konnte nach einer kurzen Behandlung weiterspielen. Die fällige rote Karte blieb aus.
So wäre mit der letzten Aktion des Spiels beinahe noch der unsportliche Reyna derjenige gewesen, der den Ausgleichstreffer erzielte. Mit der letzten Aktion drosch der Peruaner einen Flankenball volley in Richtung Himmelmann, der seine ganze Kunst aufwenden musste, um den Schuss zur Ecke abzuwehren. Kurz darauf war Schluss. Den Jubel beim Abpfiff soll man noch in Stellingen gehört haben.
Die Hoffnung lebt weiter am Millerntor. Und wenn St. Pauli gegen spielstarke Teams mit Aufstiegsambitionen weiter so geschlossen kämpft und mindestens einmal trifft, dann wird aus der in der vergangenen Woche formulierten Nicht-Abstiegs-Hoffnung ein wahrscheinliches Szenario.
Für Anna, meine treue Begleiterin auf der Gegengeraden, war die Wahl des St. Paulianers des Tages leicht: Sie kürte Kalla. Die Szene des Spiels, die Anna am meisten beeindruckte, trug sich zu, nachdem Kalla gerade erst von Leipziger Gegenspielern einen Krampf aus der Wade gedrückt bekommen hatte. Nach Ballverlust der St. Paulianer, als Leipzig über die linke Seite konterte, sprintete er mit letztem Korn los und grätschte den Konter ins Aus. Eine Minute später durfte der Mittelfeldmann der Braun-Weißen dann völlig entkräftet vom Platz.