HAW-Chefin Jacqueline Otten steht unmittelbar vor ihrer Abberufung. Daran trägt sie aber nicht allein die Schuld: Die Politik macht es Hochschulpräsidenten fast unmöglich, nicht zu versagen.
Auch die Schlichter konnten ihr nicht mehr helfen: Die Vertreter der Professoren, Studenten und Mitarbeiter der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) haben ihre Präsidentin Jacqueline Otten vier Wochen nach dem ersten Versuch erneut abgewählt. Trotz der Vermittlungsversuche von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank stimmten am Montag alle Vertreter des Hochschulsenats gegen Jacqueline Otten – ihre Abberufung ist damit so gut wie sicher.
Verwunderlich ist das nicht. Statt ihre Kritiker zu überzeugen, hat die Professorin für Modedesign in der Vergangenheit den Eindruck vermittelt, missliebige Meinungen wenig zu schätzen. In ihrem Auftreten hat sie offenkundig ignoriert, dass Hochschulen keine Unternehmen sind. Professoren genießen vom Grundgesetz garantierte Freiheiten, fast alle Entscheidungen an Hochschulen müssen von Gremien legitimiert werden. Diese Gremien hat die Präsidentin immer wieder düpiert. Man fühle sich nicht ernst genommen, begründete der Hochschulsenat im Oktober die Abwahl.
Die Art, wie Jacqueline Otten seitdem die Krise gemanagt hat, war bei freundlicher Betrachtung ungeschickt – weniger freundlich könnte man sagen, sie zeigt, warum Otten die HAW schnellstens verlassen sollte.
Nach der verheerenden Abwahl-Sitzung im Oktober warf sie den Professoren erst vor, aus Eigennutz in Sorge um die Pensionen zu handeln. Dann erklärte sie die eigene Abwahl für nichtig, weil diese nicht auf der Tagesordnung gestanden habe. Schließlich lud sie zu einem Pressegespräch ein, während ihr Wohlgesinnte noch versuchten, hinter den Kulissen zu vermitteln. Nur wenige Stunden vorher sagte sie dies hektisch wieder ab.
Es war der Ausverkauf ihrer Glaubwürdigkeit. Und außerdem zu spät. In den Gesprächen ging es dem Vernehmen nach schließlich vor allem um einen gesichtswahrenden und pensionssichernden Rückzug.
Zweifelsfrei trägt Jacqueline Otten eine Mitschuld an ihrer Situation. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Politik macht es fast unmöglich, als Hochschulpräsident nicht zu scheitern. Der Senat zwingt die Hochschulchefs mit seinem Sparkurs zu unpopulären Entscheidungen. Die Präsidenten haben aber kaum Möglichkeiten, diese durchzusetzen. Deswegen moderiert mancher Kompromisse herbei, die keinem gefallen und nichts bringen. Andere resignieren und lassen ihre Hochschulen quasi führungslos treiben, wieder andere versuchen es mit Autorität.
Jacqueline Otten hat Strategie drei gewählt – es ist nicht die einzige, aber die auffälligste Art zu scheitern. Am Mittwoch wird der Hochschulrat ihre Abwahl voraussichtlich bestätigen. Danach muss die Wissenschaftssenatorin sie abberufen.
Für die Politik sollte in dem Fall eine Erkenntnis stecken: Eine Hochschule lässt sich nicht gegen die Wissenschaftler und Studenten führen, gegen jene also, die ihre Identität ausmachen. Und auch Politik kann nicht gegen diese Gruppen agieren, die inzwischen das Gefühl haben: Mehr Arbeit bei weniger Geld, das geht nicht mehr.