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"Kein Fussball den Faschisten"

Der DFB dekoriert mein Wohnzimmer um, das macht mich wütend

 

Meine Großmutter hatte zehn Geschwister, von denen einige weit weg wohnten und nur selten zu Besuch kamen. Die aus Frankfurt waren die merkwürdigsten, erzählte sie immer wieder. Wegen ihrer weiten Anreise blieben sie meist über Nacht und schliefen auf dem Sofa in der guten Stube. Regelmäßig dekorierten unsere Frankfurter Verwandten das Bücherregal um und verhängten Bilder mit ihrer Unterwäsche. Meine Großmutter hat die Verwandtschaft zwar immer wieder eingeladen, wenn es etwas in der Familie zu feiern gab, übernachten mussten die Gäste aus Frankfurt dann aber in einer Pension.

Der Deutsche-Fußball-Bund (DFB) aus Frankfurt hat sich gestern in meinem fußballerischen Wohnzimmer so benommen wie meine buckeligen Verwandten von damals. Er ließ den Leitspruch des FC St. Pauli teilweise verhängen, sodass statt „Kein Fußball den Faschisten“ während des Trainings der Deutschen Nationalmannschaft nur noch „Kein Fußball“ zu lesen war. Eine Welle der Empörung, neudeutsch Shitstorm genannt, rollte darauf hin durch die sozialen Medien: „Wie konnte der DFB es wagen, unser Wohnzimmer so umzudekorieren, dass aus einem Statement, das jeder Demokrat unterschreiben sollte, ein schlechter Witz wurde?“

"Kein Fussball" - DFB verhängt Millerntor - Foto: Jan Weckwerth, mit frdl. Genehmigung
„Kein Fußball“ – DFB verhängt Millerntor – Foto: Jan Weckwerth, mit frdl. Genehmigung

Der DFB hat inzwischen reagiert und betont, dass er sich nicht an der Aussage stört: „Wir sind inhaltlich klar auf der Linie des FC St. Pauli. Das sind gelebte Werte, mit denen auch wir uns identifizieren. Der DFB ist gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Faschismus, das stellen wir auch permanent durch zahlreiche Aktionen und Initiativen unter Beweis, etwa durch die Vergabe des Julius Hirsch Preises“, sagte DFB-Sprecher Grittner. Von Einsicht, etwas gründlich falsch gemacht zu haben, keine Spur.

Meine Oma hat lange mit sich gerungen und immer wieder auf die nette Tour probiert, meinen Verwandten ihre mangelnde Erziehung nahe zu bringen; erfolglos. Eines Abends, zu Pfingsten war es glaube ich, hat sie dann Klartext geredet. Das hat das Präsidium des FC St. Pauli auch: „Wir werden auch weiterhin klare Zeichen setzen. Kein Fußball den Faschisten.“

Der DFB kommt sicher wieder zu Gast ans Millerntor, immerhin ist man ja sowas wie verschwägert. Nur das Umdekorieren sollte er sich dringend abgewöhnen. Meine Oma hätte es ihm verboten.

PS: Der Julius Hirsch Preis wird 2014 wieder verliehen. Ich habe die Gegengerade am Millerntor, an der das Transparent hängt, als Preisträgerin vorgeschlagen. Das Formular dafür findet sich hier …