Uni-Präsident Dieter Lenzen zieht Bilanz seiner ersten Amtszeit. Am euphorischsten ist er selbst. Was bringt es, Zahlen schöner zu interpretieren, als sie sind?
Dieter Lenzen hat die Hoffnung aufgegeben: In den kommenden vier Jahren werde es wohl kein zusätzliches Geld geben für Hamburgs Hochschulen, erklärte der Universitätspräsident vergangene Woche. Die Wissenschaft in der Stadt muss weiter sparen.
Man könnte meinen, das sei für Lenzen ein Rückschlag. Bislang hatten die Hochschulpräsidenten lautstark mehr Geld gefordert. Mehr als 100 Millionen Euro im Jahr, so die Rechnung, fehlten allein der Universität, um je Professor auf den Durchschnittsetat der Top-15-Unis in Deutschland zu kommen. Die Botschaft war: Wenn die Stadt den Hochschulen nicht 25 Prozent mehr Geld gibt, verliert Hamburg den Anschluss. Das schrieben die Hochschulpräsidenten noch vor einem Jahr.
Also große Enttäuschung?
Mitnichten – denn es geht offenbar auch ohne zusätzliches Geld. Man muss nur ein paar Zahlen einen Tick schöner interpretieren, als sie sind. Und dabei beste Laune verbreiten. Die Frage ist nur, wie nachhaltig diese Strategie ist.
Erst mal ging sie auf: In bester Laune präsentierte Lenzen vergangene Woche die Bilanz seiner ersten Amtszeit. Von Platz 16 auf Platz 9 habe sich Hamburg im Ranking der deutschen Hochschulen vorgearbeitet, sagte er. Die angeblich mittelmäßige Universität sei inzwischen besser als viele Elite-Adressen. Und vieles habe sich positiv entwickelt: Die Drittmittel je Professor seien zwischen 2010 und 2015 um 31 Prozent gestiegen, die Zahl der Promotionen um 12,5 Prozent, die Zahl der Absolventen um 27 Prozent. Eine Erfolgsgeschichte, die er in den kommenden sechs Jahren fortführen wolle.
Am nächsten Tag bejubelten Lokalmedien die Platzierung: Top Ten für Hamburg – im „wichtigsten Ranking deutscher Universitäten“, schrieb eine Zeitung.
Wichtigstes Ranking? Nun ja. Die Wahrheit ist: Hamburg hat die Werte verschiedener Bewertungen selbst zusammengerechnet, um daraus ein unter Experten hochumstrittenes Meta-Ranking zu erstellen – auf Basis von Ranglisten, die Lenzen selbst 2012 noch als nicht objektiv, fehlerhaft und irreführend bezeichnete. Schaut man probehalber übrigens in eine davon, das QS World University Ranking, zeigt sich: Hamburg ist in den vergangenen beiden Jahren um 33 Plätze abgestürzt.
Lenzens Erfolgsgeschichte hat weitere Ungereimtheiten – wie ein Blick auf die jeweils jüngsten verfügbaren Zahlen für ganz Deutschland offenbart. Die Drittmittel je Professor sind von 2008 bis 2013 bundesweit um 33 Prozent gestiegen, die Promotionen zwischen 2009 und 2014 um 33 Prozent, die Zahl der Absolventen um 36 Prozent. Das, was Lenzen als Hamburger Erfolg ausgibt, ist also nur die allgemeine Entwicklung der deutschen Hochschulen. Bestenfalls lässt sich aus den Zahlenspielen schließen, dass Hamburg nicht weiter abgehängt wurde.
Aber selbst das bleibt fraglich. Dass die Spitzenhochschulen in Berlin und München außer Reichweite sind, ist ohnehin klar. Besorgniserregend ist eher der Blick auf die unmittelbaren Konkurrenten auf den Plätzen hinter der Spitzengruppe, etwa die Universität Köln. In den vergangenen fünf Jahren hat die Universität dort ihre Drittmittel mehr als doppelt so stark gesteigert wie Hamburg – und ist damit vorbeigezogen.
Es ist also dünn belegt, wenn Lenzen sich in der Liga der besten Universitäten Deutschlands wähnt.
Dennoch hat seine Bilanz einen positiven Effekt. Für einen Moment hat die Stadt freundlich, fast stolz auf die Wissenschaft geschaut. Die Häme, die sonst die Wissenschaftspolitik begleitet, war weg. Zu Recht: Es gibt Spitzenforscher in Hamburg, das hat zuletzt erst der Wissenschaftsrat bescheinigt. Es ist der Universität in den vergangenen Jahren außerdem gelungen, hervorragende Wissenschaftler in die Stadt zu locken, etwa den Kunsthistoriker Frank Fehrenbach oder den Physiker Brian Foster.
Das ist eine Chance – und Grundlage für eine neue Strategie von Dieter Lenzen und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: gute Laune! Wenn in Hamburg kein Geld zu holen ist für die Wissenschaft, muss es woanders herkommen, so die Idee – zum Beispiel vom Bund. Und dafür gilt es, sich entschlossen, geschlossen und optimistisch zu präsentieren.
Entscheidend sind nun die kommenden Monate. Hamburg muss seine Bewerbung für die nächste Runde der Exzellenzinitiative ausarbeiten. Bisher würden zwei Projekte in der Stadt gefördert, künftig wolle man auf mindestens vier kommen, sagt Lenzen, besser fünf. Die Hoffnung: Ein Erfolg bei der Exzellenzinitiative könnte zeigen, wie gut die Wissenschaft in der Stadt ist, dann könnte sich die SPD nicht länger weigern, dafür mehr Geld auszugeben.
Das ist ein Fortschritt in der Wissenschaftspolitik: Es gibt eine Strategie. Nur sollte man bei aller Euphorie den Hamburgern nicht schon gleich am Anfang falsche Tatsachen vorspiegeln.