Lesezeichen
‹ Alle Einträge
Wilhelmsburg

Eddy Winkelmann will mehr als nur Elbfolklore

 

Bei den Tresenshows im Schmidt Theater wurde der Musiker bekannt – obwohl das Publikum erst lachte. Gerade ist sein fünftes Album erschienen.

„Ein Geschichtenerzähler aus Wilhelmsburg!“, so stellte Corny Littmann ihn vor, als Eddy Winkelmann zum ersten Mal die Bühne im Schmidt Theater betrat. Das Publikum lachte. Wilhelmsburg, das war ein Reizwort damals. „Wahrscheinlich haben die einen Drogendealer erwartet, der gerade zwei Autos geknackt hat.“ Doch nach einer halben Stunde Blues in geschliffenen, deutschsprachigen Versen war klar: Der Mann bleibt. Mitten im St. Pauli-Trubel aus Travestie und Tequila wurde der Wilhelmsburger Winkelmann Musiker.

Seit den Tresenshows im Schmidt-Theater sind 23 Jahre vergangen. Winkelmann hat sie genutzt. Gerade ist seine fünfte Platte „Lederseele“ erschienen. Es sind gelassene Lieder mit einem milden Lächeln zwischen den Zeilen. Ganz anders als die frivolen Liedchen aus der Zeit der Tresenshows, die Balladen auf dem Album „Kieselsteingeflüster“ oder dem Spott der „Goldfisch“-Platte. Ein neues Album sei immer eine Wegmarke seines Lebens, sagt Winkelmann.

„Lederseele“ fühlt sich für ihn besonders gut an: „Die Platte ist die beste, die wir je gemacht haben.“ Auf der Bühne des Schmidt Theaters hat er sie vorgestellt, danach kam das Konzert im Grünspan, bei 48h Wilhelmsburg spielte er auf dem Bunker mit Blick über seine Heimatinsel. „Ich bin gefragt“, sagt Winkelmann.

Der Liedermacher Eddy Winkelmann ist nicht nur auf seiner Heimatinsel Wilhelmsburg gefragt.
Der Liedermacher Eddy Winkelmann auf seiner Heimatinsel Wilhelmsburg. Foto: Annabel Trautwein

Das Klischee norddeutscher Hafenromantik lässt sich mit Winkelmanns Liedern herrlich ausstaffieren, sie heißen „Treibgut und Strandperlen“, „Landgang“ und „das Salz auf deiner Haut“. Winkelmanns Biografie passt da gut ins Bild: der Junge von der Elbe, aufgewachsen in Opas Fischladen und am Hafen, der einen ehrlichen Handwerksberuf lernte, zur See fuhr und dann wettergegerbt zur Gitarre griff. Aber Winkelmann will keine Elbfolklore. Dass auf der Oberfläche seiner Lieder schöne Bilder glitzern, kann er auch nicht ändern. „Ich bin mit solchen Metaphern aufgewachsen“, sagt er. Inzwischen hätten die meisten aber begriffen, dass seine Texte nicht immer wörtlich zu nehmen sind.

Als kleiner Junge hat Winkelmann die Flut erlebt, noch heute kennt er bei Sturm und Hochwasser jederzeit den Pegelstand.  Auf der IBA und der Gartenschau spielte er im vergangenen Jahr mehrere Konzerte. Zur Abschiedsrevue des Rialto-Kinos sang er zu einem selbstgedrehten Film über seine Helden auf der Leinwand. Er erinnert sich gern an das alte Kino, damals wurden dort die Bandenfehden zwischen Bahnhofsviertel, Reiherstieg und Kirchdorf ausgefochten: „Da war gleich klar: Hier kannst du dich hinsetzen, da nicht. Sonst wandert die nächste Cola in deinen Nacken.“

Beim Musikfestival 48h ist Winkelmann als einer der bekanntesten lokalen Musiker von Anfang an dabei. Trotzdem sieht er sich nicht als Insulaner mit angeborenem Sonderstatus. „Diese Art von Patriotismus ging mir immer ab“, sagt er. Es sei weder ein Verdienst noch ein Makel, aus Wilhelmsburg zu kommen. Und warum das Publikum damals bei Corny Littmanns Ansage im Schmidt Theater so gelacht habe – das ist ihm bis heute nicht ganz klar.