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FC St. Pauli

Voll retro

 

Der FC St. Pauli verliert am Millerntor mit 0:4 gegen den 1. FC Nürnberg. Unser Autor findet: Ein Rückfall in alte Zeiten, der sich schon vor dem Anpfiff angekündigt hat.

Rein optisch war es von Anfang an klar: Als die Spieler des FC St. Pauli am Sonntagnachmittag im Millerntor einliefen, trugen sie nigelnagelneue Retroshirts. Sie sollten bei den Fans Erinnerungen an die Saison 1974/ 75 wecken – zumindest bei denen, die damals schon dabei waren. Das Dumme war nur, dass dieser Aufforderung auch die braun-weiß gekleideten Spieler auf dem Rasen nachkamen.

"Sankt Pauli" Banner auf der Südtribüne.
St.-Pauli-Banner auf der Südtribüne

Die Begegnung gegen den Club aus Nürnberg weckte schnell nicht nur modisch Erinnerungen an alte Zeiten, sondern auch sportlich. Auch wenn der FC St. Pauli wie eh und je großen Einsatz zeigte: Schon mit Beginn der zweiten Halbzeit lag die Mannschaft durch drei Konter einer gut organisierten Gästemannschaft fast uneinholbar zurück. Nach 90 Spielminuten stand ein 0:4 auf der Anzeigetafel. Ein Rückfall nach den vielen erfolgreichen Spielen dieser Saison.

Aus Fansicht glich die Fieberkurve der Begegnung vielen anderen aus früheren Jahren. Das erste Gegentor nimmst du noch gelassen hin. „Es sind ja noch über 70 Minuten zu spielen, das wird schon“, sagte Anna neben mir auf der Tribüne. Das sah ich auch so. Schließlich spielte der FC St. Pauli gut, kam selbst einige Male gefährlich vor das Tor des 1. FC Nürnberg. Im Mittelfeld gewann die Heimmannschaft schnell die Oberhand.

Das Problem war nur, dass sich die Spieler mal wieder in einer gut organisierten Abwehrreihe festliefen. Bis zum 16-Meter-Raum sahen die Kombinationen ansehnlich aus, danach fehlte neben der Präzision im Zuspiel auch immer wieder die Durchsetzungskraft im Sturmzentrum. Ich erinnerte mich an den 28. November vor vier Jahren. Unser Trainer hieß noch Holger Stanislawski und der Jolly Roger wehte noch in Erstligastadien. An diesem Tag hieß der Gegner Werder Bremen und irgendwie lief es sehr ähnlich. Auch damals liefen die Braun-Weißen abrupt in einen Konter, der einem beim Zugucken körperlich wehtat.

0:2 – jetzt paarte sich Hoffnung mit ersten skeptischen Gedanken. Nach dem 0:3 ergab ich mich dem Spiel und versuchte zu genießen, dass unsere Spieler nicht aufgeben wollten, auch wenn die Beine immer schwerer über den tiefen Rasen liefen.

You'll Never Walk Alone: St. Pauli feiert auch Niederlagen.
„You’ll Never Walk Alone“: St. Pauli feiert auch Niederlagen.


Nürnberg hatte jetzt keine Schwierigkeiten, das Ergebnis zu verwalten. Als sie gegen Ende sogar noch das 0:4 erzielten, schaute ich schon gar nicht mehr hin. Ich hatte mich inzwischen in das Loch direkt an der Südkurve gestellt und konnte nur noch unser Mittelfeld und den Strafraum der Nürnberger sehen, in der Hoffnung, dass sich dort noch etwas abspielen würde. Vergebens.

Ich ärgerte mich über den Marketingmann, der auf die Idee kam, ein Retro-Shirt zu designen. „Dann muss man sich nicht wundern, wenn man auch Retro bekommt“, sagte Anna, als wir unsere Schals zum traditionellen You’ll Never Walk Alone hochhielten.