Beim FC St. Pauli ist viel in Bewegung – alte Spieler und Manager gehen, neue kommen. Unser Autor ist überzeugt: ein unpopulärer, aber vielversprechender Umbau.
Ich war in den vergangenen Tagen zu Besuch im sommerschläfrigen Millerntor-Stadion. Die Tore sind abgebaut, Handwerker klopfen vor der nahezu fertiggestellten Nordtribüne den Sand fest. Eine geordnete Geschäftigkeit, die die momentane Situation beim FC St. Pauli auf den Punkt bringt. Nicht nur am Stadion wird kräftig gewerkelt, auch an der Zusammenstellung des Personals für die nächste Saison, sowohl im sportlichen als auch im administrativen Bereich.
Das Präsidium um Oke Göttlich und seine leitenden Angestellten Trainer Ewald Lienen und Sportchef Thomas Meggle bauen den FC St. Pauli zurzeit um. Dabei haben sie keine Scheu vor unpopulären Entscheidungen.
Nach dem verdienten, aber letztlich glücklichen Klassenerhalt ging es ganz schnell und zunächst gefühlt nur in eine Richtung: viele verdiente Spieler des FC St. Pauli, die den Klub in den letzten Jahren geprägt haben und vielen ans Herz gewachsen sind, mussten gehen oder haben sich einen neuen Verein gesucht. Unser flügge gewordenes Talent Dennis Daube, die Haudegen Sebastian Schachten und Markus Thorandt, Torwart-Legende Philipp Tschauner und Sympathieträger Flo Kringe. Zuletzt, fast unbemerkt, löste Dauerpechvogel Chris Nöthe seinen Vertrag auf, um in anderen Gewässern sein Glück zu suchen. Habe ich jemanden vergessen? Ach ja, auch die erst vor Kurzem dazu gestoßenen Michael Görlitz und Tom Trybull sind weg. Der angekündigte Kader-Umbau nimmt Formen an.
Ewald Lienen zum Kader des FC St. Pauli 2015/16: „Die Mentalität der letzten Wochen konservieren und qualitativ verstärken“
Nun hat Sportdirektor Meggle kürzlich auf der Haben-Seite seine ersten beiden Deals, die aufhorchen lassen, verbucht: Zum einen schwatzte er dem HSV seinen besten Innenverteidiger ab. Der letzte Saison stark aufspielende Lasse Sobiech, bisher vom Stadtrivalen ausgeliehen, wird jetzt wohl ein echter St. Paulianer. Außerdem ist es dem FC St. Pauli gelungen, mit Ryō Miyaichi ein international begehrtes Stürmertalent aus Japan an die Elbe zu lotsen. Eine gewagte Investition, an der sich aber ablesen lässt, wie der FC St. Pauli in Zukunft spielen lassen will: ultraschnell umschaltend aus einer gestandenen Defensive.
Wenn nun noch mein Lieblingsspieler Waldemar Sobota am Millerntor gehalten werden kann, dann ist die Lienen-Elf für die neue Saison gut aufgestellt. Aber wofür genau? Andere Vereine verkünden selbst nach Beinahe-Katastrophen im Lichte der Sommerfrische schnell wieder höhere Ziele. Beim FC St. Pauli ist das derzeit anders: Der Verein macht vor allem dadurch auf sich aufmerksam, indem er sich personell verändert.
St. Pauli erfindet sich neu
Auch im administrativen Bereich vollzieht sich ein elementarer Wandel. Nachdem Manager-Urgestein Michael Meeske nach Nürnberg gegangen ist und überraschend DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig zukünftig auch unter der Flagge des Jolly Roger arbeitet, hat der Verein diese Woche den langjährigen Teammanager Christian Bönig freigestellt.
Wohin die vielen Änderungen führen, weiß wohl niemand so genau. Aber eines wird deutlich: Das Management zeigt Entscheidungsfreude. Bereits zum Trainingsbeginn für die Saison 2015/16 in der Zweiten Bundesliga steht das wesentliche Gerüst der Mannschaft und die Führungsriege. Wenn sich in den nächsten Wochen die Nordtribüne aus ihrem Kokon schält, dann wird vom einstigen Chaosverein nicht mehr viel zu sehen sein.