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Fielmann

Sieht nicht gut aus

 

Fielmann geht es hervorragend – trotzdem bekommen Mitarbeiter nur den Mindestlohn und beschweren sich über Leistungsdruck.

Sollten Sie zum Lesen dieser Zeilen eine Brille brauchen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diese bei Fielmann gekauft haben sehr hoch, um genau zu sein, sie liegt bei 50 Prozent: Jede zweite Brille in Deutschland ist von Fielmann. Mehr als 1,4 Milliarden Umsatz machte die Hamburger Optikfirma zuletzt – in knapp 700 Filialen. Schon der Slogan deutet den Monopolanspruch an: „Brille: Fielmann“.

Die Deutschen kaufen ihre Brillen gern bei Fielmann, immerhin hat der einst das Nulltarif-Gestell erfunden und nimmt für sich in Anspruch, 70 Prozent günstiger zu sein als der Rest der Branche. Gleichzeitig geriert sich Gründer Günther Fielmann nicht als Billigheimer, sondern als Unternehmer vom alten Schlage, der für jeden Mitarbeiter einen Baum pflanzt, allein 47 Silberlinden am Hamburger Jungfernstieg, und sechsstellige Beträge ans Herzzentrum der Berliner Charité überweist.

Nun bekommt dieses Bild Risse. Was Gewerkschaften und Betriebsräte dem Unternehmen derzeit vorwerfen, passt nicht zu dem seriösen, fast biederen Eindruck, den der Brillenhersteller in der Öffentlichkeit macht.

Viel Maloche für wenig Kohle lautet der Titel eines Artikels in der Mitgliederzeitung der IG-Metall. Sie ist für die Arbeiter im Fielmann-eigenen Brillenwerk, der Rathenower Optik GmbH in Brandenburg, zuständig.

Die Vorwürfe: 50 Wochenstunden. Leistungsdruck. Wer zu wenig Brillen pro Stunde schaffe, bekomme keine Pause. Befristete Verträge und die stete Drohung, das Werk zu verlagern. Von Wochenendeinsätzen sollen die Arbeiter oft erst am Freitagnachmittag erfahren haben. All das bezahlt mit 8,50 Euro Mindestlohn – und auch das erst, seit das Gesetz diese Summe vorschreibt.

Inzwischen bekommen zwar alle Fielmann-Mitarbeiter den Mindestlohn, allerdings besteht das Unternehmen darauf, eine bislang gezahlte Zulage auf diesen anzurechnen. Es ist eine gängige Methode, die das Gesetz zum Teil zulässt. Dagegen hat nun eine Mitarbeiterin geklagt. Ob sie recht bekommt, wird sich im Lauf des Jahres klären. Der Imageschaden für Unternehmen und Gründer ist schon jetzt groß.

Bei Fielmann heißt es, Günther Fielmann persönlich habe von dem Gebaren nichts gewusst. Das ist überraschend bei einem Unternehmensgründer und -chef, der fast jede Presseanfrage persönlich lesen will.

In einem Brief des Vorstands des Rathenower Werks an die ZEIT schreibt dieser, dass das Konzept am Standort »Flexibilität« voraussetze. Das sichere den besten Service für den Kunden – und Arbeitsplätze in Deutschland. Gegen den Vorwurf einer regelhaften 50-Stunden-Woche verwahrt sich die Firma. Die Arbeitszeit werde dem jeweiligen Auftragsvolumen angepasst. Zum Thema Löhne heißt es: „Dienstleistungen werden heute national wie international angeboten. Diesem Wettbewerb haben wir uns zu stellen.“

Bislang schafft Fielmann das sehr gut: Immer wieder aufs Neue ist von einem Rekordumsatz die Rede – und von einem Rekordgewinn: 163 Millionen Euro waren es 2014. Fast 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Aktionäre, zu großen Teilen die Familie Fielmann selbst, haben allein im vergangenen Jahr insgesamt 134 Millionen Euro Ausschüttung bekommen.

Warum also bei Löhnen sparen?

Familienunternehmer wie Fielmann haben in der Wirtschaft den Ruf, besonders verantwortungsvolle Arbeitgeber zu sein. Sie kümmern sich oft engagiert um Firma und Mitarbeiter, schon weil das Unternehmen den eigenen Namen trägt. Viele zeigen sich großzügig: Fielmann zahlt Zuschläge für Betriebszugehörigkeit. Beim Schuhhersteller Deichmann gibt es Prämien für Hochzeiten oder Geburten, der Erdbeerunternehmer Glantz versorgte seine polnischen Pflücker einst gratis mit Kost und Logis. Andere gewähren Sonderurlaube oder sonstige Vorteile. Unter dem Strich kommen viele Mitarbeiter in Familienunternehmen gar nicht so schlecht weg.

Unter dem Strich brauchen sie aber auch Arbeitsbedingungen und ein Gehalt, das nicht vom guten Willen des Firmengründers abhängt.