Die Handelskammer legt die Bezüge ihres Chefs offen. Die Debatte über Interna ist gut – aber mehr Sachlichkeit wäre angebracht.
Nun ist es endlich raus: 475.000 Euro. Das ist die Summe, die der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hans-Jörg Schmidt-Trenz zuletzt verdient hat – plus Dienstwagen und die Aussicht darauf, knapp die Hälfte seiner Bezüge auch noch als Rentner überwiesen zu bekommen.
Es geht also um einen Haufen Geld. Man kann dafür fünf Porsche kaufen (911 Carrera, einfache Version) oder eine Eigentumswohnung in Rotherbaum (87 Quadratmeter, Garten) – jedes Jahr, wohlgemerkt. Finanziert durch Pflichtbeiträge der Kammermitglieder.
Kein Wunder, dass Schmidt-Trenz’ Gehalt lange eines der bestgehüteten Geheimnisse Hamburgs war. Erst mit dem Einzug der kammerkritischen Initiative „Die Kammer sind wir“ ins Plenum der Wirtschaftsvertretung wurde die Forderung nach mehr Transparenz und Demokratie immer lauter. Vergangene Woche gab die Kammerführung dem Druck nach. Damit zählt sie zu den ersten Handelskammern in Deutschland, die das Gehalt ihres Chefs im Einzelnen veröffentlicht haben.
Es war schon vorher klar, dass ein öffentlicher Aufschrei folgen würde. Vorhersehbar war auch, dass in den Diskussionen, wie oft in den Debatten um Managergehälter, das Gehalt von Angela Merkel bemüht werden würde: Schmidt-Trenz bekommt fast doppelt so viel Geld wie die Bundeskanzlerin und, glaubt man der Onlineplattform BusinessInsider, sogar mehr als Barack Obama.
Schon initiierten Empörte die erste Onlinepetition (Titel: Stoppen Sie die Gehaltsexzesse in der Handelskammer Hamburg!). In drei Tagen kam sie auf knapp 4000 Unterschriften und fordert nun vom Wirtschaftssenator: „Beschränken Sie das Gehalt des Geschäftsführers Schmidt-Trenz auf ein vertretbares Niveau.“ Aber was ist ein „vertretbares Niveau“?
Selbst den Engagiertesten unter den Entrüsteten muss klar sein, dass sich die Verantwortung einer Bundeskanzlerin nicht in Geld aufwiegen lässt. Dieser Vergleich ist also so ausgeleiert wie müßig. Dass Interna der Handelskammer nun endlich öffentlich diskutiert werden, ist zu begrüßen – mehr Sachlichkeit und weniger Ideologie könnten dabei aber nicht schaden.
So gibt es durchaus Argumente dafür, dass Schmidt-Trenz’ Bezüge gar nicht so skandalös sind, wie es die Neiddebatte gerade vorgibt. Misst man sein Gehalt zum Beispiel an den Spitzengehältern in anderen öffentlichen Unternehmen wie der HHLA oder der Saga, kommt heraus: Im Vergleich zum bestbezahlten städtischen Manager, dem HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters, der über eine Million im Jahr einstreicht, ist Schmidt-Trenz beinahe unterbezahlt. Saga-Vorstandschef Lutz Basse bezog 2012 ein Gesamtgehalt von 328.000 Euro. Auch laut einem Gutachten der Beraterfirma Kienbaum im Auftrag der Handelskammer (Kosten 19.500 Euro) verdient Schmidt-Trenz eher zu wenig als zu viel. Begreift man die Handelskammer als ein mittelständisches Unternehmen mit 265 Mitarbeitern, mag das angehen.
Es gibt aber auch gute Gegenargumente: Im Unterschied zum Chef eines Mittelständlers trägt Schmidt-Trenz keinerlei unternehmerisches Risiko. Ob er seinen Job gut oder schlecht macht – die Handelskammer wird es weiterhin geben. Sie kann nicht insolvent gehen. Und: In einer Firma, die wie die Handelskammer ein negatives Jahresergebnis aufweist, würde über Bonuszahlungen in sechsstelliger Höhe zumindest diskutiert werden. Der bestbezahlte Krankenkassenchef Deutschlands, Jens Baas, auch ein Hamburger, verdiente zuletzt 297.000 Euro im Jahr. Krankenkassen sind wie Handelskammern Körperschaften öffentlichen Rechts. Mit dem Unterschied, dass der Chef der Techniker Krankenkasse, nicht nur in Hamburg, sondern deutschlandweit die Krankenversorgung von Millionen von Patienten sichert.
Wessen Arbeit nun mehr oder weniger „wert“ sein soll, ist Glaubenssache. Umso mutiger ist es, dass Schmidt-Trenz seine Bezüge nun offengelegt hat, wenngleich nicht ganz freiwillig. Es war richtig und nötig, dass die Kammerrebellen Druck gemacht haben. Denn nur wo offen diskutiert wird, besteht die Chance auf ein Ergebnis, das am Ende alle mittragen.
Ausgerechnet die Hamburger Handelskammer könnte zum Vorbild werden. Wer hätte das gedacht?