Der HSV tritt beim letzten Spiel des Jahres auf, als hätte es keinen Fehlstart gegeben. Die Spieler scheinen wieder an ihre Fähigkeiten zu glauben – teils sogar zu sehr.
Die Erleichterung auf den Rängen war groß, als Schiedsrichter Jochen Drees die Partie abpfiff. Zuvor hatten die Fans des HSV doch noch mal um den bereits sicher geglaubten Sieg zittern müssen, weil den Schalkern in der 90. Minute der Anschlusstreffer gelungen war. Am Ende gewann die Mannschaft von Markus Gisdol das letzte Heimspiel des Jahres aber verdient mit 2:1 und ließ sich von ihren Fans feiern. Es war ein versöhnlicher Jahresabschluss. Das katastrophale erste Saisondrittel: Es schien vergessen.
Zur Erinnerung: Im August hieß der Trainer des HSV noch Bruno Labbadia und insgeheim hofften viele HSV-Fans, dass die glorreichen Europacup-Zeiten quasi über Nacht zurückkehren würden. Der Verein hatte angesichts der wirtschaftlichen Situation unverhältnismäßig viel Geld – mehr als 30 Millionen Euro – in neue Spieler investiert. Mit Blick auf den genauso verhassten wie erfolgreichen RB Leipzig musste der HSV allerdings bald feststellen, dass es im Fußball nicht nur darum geht, wie viel Geld man ausgibt, sondern auch darum, wer es ausgibt – und für wen. Es folgten grausame Wochen für HSV-Fans.
Am ersten Spieltag schenkte der HSV gegen den FC Ingolstadt eine 1:0-Führung her, das Spiel endete 1:1-Unentschieden. Im Nachhinein bin ich mir ziemlich sicher, dass die gesamte Hinrunde anders verlaufen wäre, wenn der HSV dieses Spiel gewonnen hätte. Stattdessen fanden Menschen und Medien in ganz Deutschland Gefallen daran, zu beobachten, wie lange der HSV bis zum ersten Saisonsieg brauchen würde. Der Druck auf die Spieler wuchs von Woche von Woche.
Am fünften Spieltag – Hamburg war noch immer ohne Sieg – machte der HSV sein bis dahin bestes Saisonspiel. Blöderweise hieß der Gegner an diesem Tag allerdings FC Bayern München. Nach der knappen Niederlage verlor Bruno Labbadia seinen Job und Markus Gisdol übernahm den Posten des Cheftrainers.
Normalerweise erhoffen sich Fußballvereine von Trainerwechseln einen sofortigen Effekt. Dieser blieb bei Markus Gisdol zunächst aus: Auch unter seinem neuen Trainer blieb der HSV zunächst sechs Spiele ohne Sieg.
Am 13. Spieltag dann endlich die Erlösung: Gegen Darmstadt 98 konnten die Hamburger ihren ersten Saisonsieg feiern. Und noch viel wichtiger als die drei Punkte: Jeder einzelne Spieler schien endlich wieder an seine Fähigkeiten zu glauben. Innenverteidiger und Ex-Kapitän Johan Djourou war zwischenzeitlich sogar der Meinung, er könne Elfmeter schießen (kann er nicht).
Seit dem Sieg gegen Darmstadt ist der HSV auf dem Platz nicht mehr wiederzuerkennen. Es ist zwar nicht alles gut, aber vieles besser. Vor allem agiert die Mannschaft mutig. Teilweise scheint es sogar so, als hätte sie einen Plan. Das alles ist auch ein Verdienst von Markus Gisdol, den ich – das muss ich an dieser Stelle zugeben – nicht als Trainer wollte.
Der HSV muss jetzt versuchen, die positive Stimmung, die derzeit in der Mannschaft herrscht, mit ins neue Jahr zu nehmen. Eine schnelle Entscheidung in der Causa Beiersdorfer wäre da sicher hilfreich, denn das Letzte, was der HSV in der aktuellen Situation gebrauchen kann, sind wochenlange Spekulationen in den Medien. Davon gab es in den vergangenen Monaten schon genug. Ich hoffe, dass der neue HSV-Boss Heribert Bruchhagen hier schnell für klare Verhältnisse sorgen wird. Wenn es dem Verein gelingt, sich auf das Sportliche zu konzentrieren, sollte der Klassenerhalt kein Problem werden. Wenn.