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FC St. Pauli

Schluss mit dem Rollenspiel!

 

Wovon berühmte Trainer träumen, ist für den FC St. Pauli ein Graus: viel Ballbesitz. Gut, dass die Mannschaft in Kaiserlautern zu ihrer alten Stärke zurückgefunden hat.

Im Prinzip war es wie vor einer Woche: Eine Mannschaft spielte sich meist den Ball zu, die andere verteidigte druckvoll und konzentrierte sich auf wenige, dafür aber effektive Angriffe. Der Unterschied war nur, dass der FC St. Pauli diesmal eine andere Rolle einnahm als bei der höchsten Heimniederlage der Saison (0:4 gegen den 1. FC Nürnberg, falls sich jemand erinnern möchte). Es ist die Rolle, die der Mannschaft deutlich besser liegt.

Der Grund, warum die Kiezkicker in Kaiserslautern zur alten Stärke fanden, ist simpel: Sie gingen in Führung. Nach einer Ecke köpfte Bernd Nehrig den Ball wuchtig an die Latte. Den Abpraller stieß Lennart Thy so gen Tor, dass es Chris Löwe nicht gelang, ihn zurück ins Spielfeld zu befördern. Stattdessen drosch Lauterns Verteidiger den Ball in der 3. Minute ins eigene Netz. Ein perfekter Start. Kaiserslautern war nun gezwungen anzugreifen und St. Paulis Mannschaft konnte das tun, was die Nürnberger am vergangenen Spieltag so konsequent gemacht hatten: kontern.

Die Abwehr der Braun-Weißen stand gut gestaffelt und hatte die Agressivität, die ihr bei den beiden Niederlagen zuvor abhanden gekommen war, wiedergefunden. Und wenn die Lauterer sich doch einmal bis zum Tor vorkombinierten, stand dort ja immer noch Torhüter Robin Himmelmann, der gewohnt sicher auftrat. Lediglich nach dem Seitenwechsel gab es eine Phase, in der der Druck der Heimmanschaft bedrohlich erschien. St. Pauli ließ sich davon aber nicht einschüchtern, sondern spielte umso gefährlichere Konter. Einer davon führte über Christopher Buchtmann zu Stürmer Lennart Thy, der sich sehenswert durchsetzte und aus etwa 16 Metern Entfernung zum 2:0 traf. Zwei Torschüsse, zwei Treffer, gnadenlos effektiv.

Den Boys in Brown muss das Spiel wie ein Déjà-vu vorgekommen sein, nur eben aus anderer Perspektive. Auch am vergangenen Wochenende war es die Heimmannschaft, die mehr Ballbesitz hatte, den effektiven Kontern des Gästeteams aber nichts entgegensetzen konnte.

Wie sehr diese Dramaturgie in den Köpfen steckte, wurde mir klar, als Anna kurz nach Lennart Thys zweitem Treffer neben mir auf dem Sofa aufsprang. „Mann!“, schrie sie, als Buchtmann frei vor Torhüter Marius Müller auftauchte, aber knapp links am Pfosten vorbeischoss. Und Trainer Ewald Lienen schrie an der Seitenlinie dasselbe, das konnten wir durch die Zeitlupe gut erkennen. Auch er schien zu denken, dass nun jeder Konter zu einem Treffer führen würde.

Drei Konter, drei Treffer – diese Gleichung ging aber nicht auf. St. Pauli verpasste es, das Spiel frühzeitig zu entscheiden. Und Kaiserslautern spielte nun immer energischer. In der 63. Minute dann entkoppelte sich die Begegnung von dem Spielverlauf aus der Vorwoche. Die Heimmannschaft erzielte den Anschlusstreffer. Daniel Halfer beabsichtigte wohl, in den Strafraum zu flanken, traf jedoch direkt ins Tor, da St.-Pauli-Verteidiger Philipp Ziereis sich kurzfristig dazu entschloss, den Kopf einzuziehen.

Es wurde noch einmal spannend. Der nicht voll besetzte Betzenberg, der die Roten Teufel in einer solchen Situation früher noch zu einem späten Sieg angepeitscht hätte, vermochte aber keine Wende mehr herbei zu führen. St. Pauli gewann sein letztes Spiel der Hinrunde in dem Stil, der die Jungs um Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski in dieser Saison so erfolgreich gemacht hat: mit einer kantigen Defensive, Toren von Lennart Thy – und möglichst wenig Ballbesitz.


In einer unglaublich ausgeglichenen Liga steht der FC St. Pauli nun auf dem Relegationsplatz – dem am oberen Ende der Tabelle. „Mann“, lacht Anna nach dem Abpfiff, „wer hätte das gedacht“.