Was für ein komisches Fußballspiel. Der HSV gewinnt auswärts 3:0 gegen Aufsteiger Paderborn und revanchiert sich damit für die 0:3-Heimniederlage aus der Hinrunde. Klingt erst mal gut. Und sieht auch gut aus – allerdings nur, wenn man sich die Zusammenfassung in der Sportschau anguckt. Wer die ganzen 90 Minuten gesehen hat, weiß: In Wirklichkeit war vom HSV fast gar nichts zu sehen. Außer eben der drei Tore, die wie aus dem Nichts fielen. Es gibt keinen Grund, euphorisch zu werden.
Das Spiel begann mit einem Paukenschlag. Gerade einmal 8,5 Sekunden waren gespielt, als Marcel Jansen im Paderborner Strafraum zu Fall gebracht wurde und Schiedsrichter Peter Gagelmann auf Elfmeter entschied. Ein historischer Moment: Es war der frühste Elfmeterpfiff in der Bundesligageschichte. Den Strafstoß verwandelte Kapitän Rafael van der Vaart zum 1:0. Das zweite Tor erzielte Marcel Jansen nach einer Ecke. Den Schlusspunkt setzte der stark spielende Zoltan Stieber nach Vorarbeit von Jansen und Artjoms Rudņevs.
Wirklich gut herausgespielt war keines der Tore. Gestern Abend war mir das noch ziemlich egal. Hauptsache drei Punkte. Aber mittelfristig reicht eine solche Leistung nicht, um im Abstiegskampf zu bestehen.
Die große Schwäche des HSV ist und bleibt: die Offensivabteilung. Auch die Tatsache, dass keine Mannschaft an diesem 19. Spieltag häufiger getroffen hat als der HSV, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Sobald die defensivstarken Hamburger den Ball vom Gegner erobern, herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Das Angriffsspiel basiert größtenteils auf dem Prinzip Hoffnung: Ball nach vorne kloppen, und hoffen, dass etwas Gutes daraus entsteht.
Ein Mann, der es besser machen könnte, ist van der Vaart. Er könnte für kreative Impulse sorgen. Problem: Der 31-jährige Edeltechniker a.D. scheint auf seine alten Tage die Lust am Laufen entdeckt zu haben. An sich ist das ja zu begrüßen, nur kommt bei all der Rennerei das Fußballspielen zu kurz. Der Spielmacher wird immer mehr zum Bernd Hollerbach. 8,7 Kilometer hat er bis zu seiner Auswechslung in der 66. Minute zurückgelegt. Als er das Feld verließ, sah er so erschöpft aus, dass ich mich gefragt habe, ob er zum nächsten Spiel gegen Hannover wieder fit sein wird.
Dass van der Vaart so viel läuft, liegt vor allem an seiner neuen Rolle. Seit einigen Wochen lässt Joe Zinnbauer ihn auf der sehr laufintensiven Sechserposition im defensiven Mittelfeld spielen. Das macht der HSV-Kapitän auch sehr ordentlich – aber das defensive Mittelfeld ist nicht die Position, wo van der Vaart gebraucht wird!
In der Defensive haben die Hamburger genug Qualität. Der HSV braucht einen van der Vaart, der weniger läuft, und mehr Energie darauf verwendet, die genialen Pässe zu spielen, für die er einst so gefeiert wurde. Der Arbeiter van der Vaart wird den Künstler van der Vaart nie ersetzen können.
Es ist gar nicht lange her, da hatte der HSV schon einmal einen Spieler, der mit minimaler Laufleistung maximalen Nutzen gebracht hat. Je weniger er lief, desto besser spielte er. Sein Name: Sergej Barbarez.