Lohnsteuer, Sozialversicherung, Schiffsbesetzungsverordnung: Die Politik verwöhnt Deutschlands Reeder mit großzügigen Geschenken – jetzt sollten die sich revanchieren.
Mit den Reedern ist es wie mit den Landwirten: Ihre Vertreter klagen ausgiebig über die zerstörerischen Kräfte des Marktes, über den fürchterlichen Konkurrenzdruck – und fordern beständig Hilfe von der Politik. Und die Politik? Sie erhört ihre Klagen ebenso regelmäßig, denn Reeder wie Landwirte verfügen bis heute über eine eindrucksvolle Lobbymacht.
Vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung den deutschen Reedern ein großzügiges Geschenk serviert, beinahe die Erfüllung all ihrer Wünsche. Auf der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremerhaven versprach die Kanzlerin, dass Reeder künftig keine Lohnsteuer mehr zahlen müssen für Seeleute auf Schiffen mit deutscher Flagge. Auch die Sozialversicherungsbeiträge sollen entfallen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt legte noch etwas drauf und kündigte an, dass auch die Schiffsbesetzungsverordnung geändert wird. Bald müssen auf Schiffen mit deutscher Flagge nicht mehr bis zu fünf EU-Staatsbürger fahren, sondern nur noch zwei oder drei.
Die Politik hat also kapituliert vor einem Trend, der zuletzt wieder stärker geworden war: Aus Kostengründen haben die Reeder ihre Schiffe ausgeflaggt, aus Kostengründen haben sie deutsche Seeleute auf breiter Front durch billigere Crews ersetzt. Der deutsche Seemann ist vom Aussterben bedroht.
Natürlich stimmt es, dass viele Reedereien seit Jahren in einem Überlebenskampf stecken. Sie haben ihn – wie die Landwirte – selbst mit ausgelöst, indem sie in guten Zeiten die Kapazitäten derart ausgebaut haben, dass ihnen bald darauf in schlechteren Zeiten die Preise verfielen. Es stimmt auch, dass andere EU-Staaten die Schifffahrt schon lange stark subventionieren. Trotzdem wirft das Geschenk an die Reeder eine Gerechtigkeitsfrage auf: Ist es fair, dass eine Branche vom Staat derart entlastet wird, während viele andere selbst sehen müssen, wie sie mit dem weltweiten Konkurrenzdruck fertigwerden?
Die Reeder haben eine simple Möglichkeit, sich für das Geschenk zu bedanken: Sie müssen das Ausflaggen beenden und wieder mehr Schiffe unter die deutsche Flagge bringen. Damit zeigen sie, dass sie nicht nur fordern können, sondern auch liefern. Ausreden gibt es jetzt keine mehr.