Der Fanladen des FC St. Pauli wurde vom DFB für sein Engagement gegen Rechts geehrt. Das ist bitter nötig – viele Clubs tun zu wenig gegen den Hass auf den Tribünen.
Julius Hirsch wurde 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Er war siebenmaliger Nationalspieler. Seit 2005 vergibt der DFB einen Preis, benannt nach dem Spieler, für herausragendes Engagement gegen Diskriminierung. Am Montag erhielt ihn der Fanladen des FC St. Pauli für eine Trikotaktion beim Heimspiel gegen RB Leipzig. Das Profiteam vom Kiez hatte anstatt des Hauptsponsor-Logos den Schriftzug „Kein Fußball den Faschisten“ anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages auf der Brust getragen.
Ein vorläufiger Höhepunkt des über 25-jährigen Engagements des Vereins und der Fanszene gegen Rechts und für das Erinnern. Der FC St. Pauli als Preisträger überrascht daher nicht.
Allerdings scheint der DFB gerade dazuzulernen, hatte er doch noch einige Zeit zuvor genau diesen Slogan bei einem Training der Nationalmannschaft am Millerntor abhängen lassen und damit einen Sturm der Entrüstung entfacht.
Beim letzten Training der Nationalmannschaft in Hamburg, vor dem Spiel am vergangenen Sonnabend gegen Tschechien, achteten die Verbandsvertreter daher peinlich genau darauf, dass die politischen Statements aus St. Pauli auch ja sichtbar blieben. Dabei sind auch ein paar ausdrucksstarke Fotos entstanden.
In einem Video, das der DFB zur Vorstellung der Preisträger gedreht hat, skizziert ein Mitarbeiter des Fanladens, was das Ziel der antifaschistischen Arbeit und des Engagements gegen Diskriminierung ist: Das Millerntor zu einem sogenannten Safe Place zu machen. Ein Ort, in dem Menschen vor Diskriminierungen sicher sind und ganz sie selbst sein können.
Dieses Ziel ist sicher noch nicht erreicht, wie jüngste Auseinandersetzungen und Diskussionen um Rassismus und Homophobie im Stadion beweisen. Wie wichtig es aber ist, sich immer wieder gegen rechte Strömungen zu positionieren und sich weiter zu entwickeln, zeigen die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft und im Fußball eindringlich. In Zeiten, in denen antifschistische Ultrá-Bewegungen in Aachen und anderswo den Kürzeren ziehen und sich Fanclubs, wie die „BVB Freunde Deutschland“, aus dem „Kampf gegen Rechts“ zurückziehen nachdem ihnen nach eigener Auskunft massiv Gewalt und Drohungen entgegenschlugen, ohne dass sich die Vereine und die Mehrheit der Fans dort zur Unterstützung bemüßigt fühlten, solange hat ein solcher Preis eine wichtige Funktion.
„Mit dem Preis würdigen wir die vorbildliche Arbeit von vielen Menschen im und um den Fußball, die klar Position gegen jede Form von Diskriminierung, auch gegen Homophobie oder Antisemitismus, beziehen“; DFB-Präsident Reinhard Grindel
Auch bei dem Namensgeber des Preises, dem 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordeten Nationalspieler Julius Hirsch, fing die Diskriminierung mit beinahe banaler Ausgrenzung an und führte über den Ausschluss aus der Nationalmannschaft zum Tod. Dies konnte nur gelingen, weil die Mehrheit der Mitspieler und Zuschauer nicht einschritt.
Wer aber beispielsweise die Kommentare unter dem Facebook-Artikel des kicker liest, der bekommt eine Ahnung davon, wie viel Arbeit noch vor dem DFB, den Vereinen und ihren Fanschaften liegt. Offene Beleidigungen und Hass schlagen sich unterhalb der Berichterstattung zum Julius-Hirsch-Preis Bahn. Auch Facebook ist noch weit entfernt davon, ein sicherer Ort gegen Diskriminierung zu werden. Hoffen wir, dass es keine 25 Jahre braucht, bis auch soziale Netzwerke mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet werden.