Schon wieder stirbt in Hamburg ein Kleinkind durch häusliche Gewalt. Und das, obwohl das Jugendamt Taylers Familie betreute. Waren die Sozialarbeiter zu naiv?
Der Advent ist für viele Kinder die schönste Zeit des Jahres. Das ist Tradition. Für manche – gerade in Hamburg – steht der Advent aber unter ganz anderen Vorzeichen: Er ist die gefährlichste Zeit des Jahres. Das ist leider auch so etwas wie Tradition in dieser Stadt, eine traurige und grausame: Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod der kleinen Yagmur starb der einjährige Tayler aus Altona an schwersten Hirnverletzungen. Im Verdacht, ihn zu Tode misshandelt zu haben, stehen die Mutter und ihr Freund. Beide beschuldigen sich gegenseitig und sind bislang auf freiem Fuß.
Doch egal, wem von beiden die Schuld nachgewiesen werden kann: Schuld an Taylers Tod haben viel mehr Menschen in Hamburg – die Familie stand unter amtlicher Obhut. Und es gab Warnzeichen. Mehrere. Sie wurden ignoriert.
Die eigentliche Frage – neben der, wer das Kind zu Tode geschüttelt hat – ist deshalb jetzt: Warum Hamburg? Warum müssen in dieser Stadt so oft Kinder durch häusliche Gewalt sterben?
Im Fall Tayler spricht viel dafür, dass sein Tod vermeidbar gewesen wäre: Der Junge war bereits in Sicherheit. Im Sommer kam er mit einem Schlüsselbeinbruch ins Krankenhaus. Er war damals neun Monate alt – kein Alter, in dem Babys sich ohne Weiteres Brüche zuziehen. Das Jugendamt reagierte sofort: Tayler kam in eine Pflegefamilie – und kurz darauf zurück zur Mutter. Eine Sozialpädagogin des Rauhen Hauses betreute die Familie fortan. Wenige Tage vor Taylers Einlieferung in die Klinik bemerkte sie Hämatome in seinem Gesicht, meldete sie aber nicht.
Es wäre wohlfeil, zu ignorieren, dass die Arbeit der Betreuer in einem Hochrisikobereich stattfindet. In einer Sphäre, in der es oft nur um Glauben geht, nicht um Wissen.
Rührte Taylers Bruch vielleicht wirklich von einem Sturz mit ihm auf dem Arm, wie seine Mutter behauptete? War sie eine gute Mutter? Wer kann das von außen schon beurteilen. Oft genug berichten Medien über Familien, die das Jugendamt ohne Not zerreißt, weil sich Fremde in die intimste Beziehung einmischen, die es zwischen Menschen geben kann: in die zwischen Eltern und Kindern.
Und doch: Zwei Jahre ist es her, da starb Yagmur aus Billstedt, qualvoll gefoltert von der Mutter. Nach ihrem Tod sollte alles anders werden. Wurde es? Nun steht zumindest die Frage im Raum, ob in Hamburg die Behörden womöglich zu oft aufs Glauben vertrauen.