Die Terroranschläge verändern auch den Hamburger Wahlkampf – doch die Stadt scheint aus ihren Fehlern gelernt zu haben.
Bislang versprach der Hamburger Wahlkampf eine verhältnismäßig öde Angelegenheit zu werden. Es ging machtpolitisch um die Frage, ob künftig Rot oder Rot-Grün die Stadt regiert. Das emotionalste Thema war zugleich ein ziemlich einfältiges: Man stritt sich mit Verve um den Verkehr, bewarf sich mit Vorwürfen wie Busbeschleunigungswahn und Autofahrer-Schikane. Wie provinziell.
Nun jedoch, seit wenigen Tagen, schwebt auf einmal eine größere Frage über der Hamburger Wahl, aufgekommen durch den schrecklichen Terroranschlag in Paris und einen kleineren, aber ebenfalls schrecklichen Anschlag in Hamburg, auf das Haus der Morgenpost. Die Wahl in Hamburg ist die erste nach diesen Vorfällen. Hier wird sich also zuerst zeigen, wie die Parteien auf die Gewaltausbrüche reagieren: Lassen sie sich treiben von Stimmungen, Ressentiments, Aufwiegelungen? Werden sie gar selbst zu Aufwieglern?
Erste Erkenntnisse zu dieser Frage gibt es schon, und sollten sie Bestand haben, wäre das ein hoffnungsvolles Zeichen für die politische Kultur in der Stadt. Ein Zeichen dafür, dass sie gelernt hat aus den Fehlern der Vergangenheit, dass sie sich vielleicht sogar ein wenig dafür schämt, vor gar nicht allzu langer Zeit die Hauptstadt des deutschen Rechtspopulismus gewesen zu sein.
Nun spielten sich am Wochenende durchaus gespenstische Szenen ab. Die AfD hatte zum Wahlkampfauftakt ins frühere Unilever-Hochhaus geladen. Es glich einer mittelalterlichen Trutzburg, rundherum hatte die Polizei rot-weiße Gitter aufgestellt, dahinter wachten Dutzende Beamte. Junge Aktivisten demonstrierten und projizierten „AfD verpisst euch!“ auf das Gebäude. Es roch danach, als würde der Streit zwischen dem linken und dem rechten Rand des politischen Spektrums bald handfest ausgetragen.
Zwar kam es drinnen im Saal zu Zwischenrufen. Zwar war sich der AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse nicht zu fein, wegen der Anschläge von Paris seine ganze Rede neu zu schreiben und zu verkünden, er habe alles schon lange kommen sehen. Zwar bezichtigte er die „Altparteien“, wie er die etablierten Parteien in der Regierung nennt, beim Thema Zuwanderung aus islamischen Ländern notorische „Lügner“ zu sein. Ja, es war eine gruselige Stimmung im Saal, alte Männer standen auf und brüllten aus Leibeskräften, Polizisten führten einen Aktivisten aus dem Saal.
Doch außerhalb des Saals bleibt die Stadt gelassen. Die Jungen spotten nun im Netz über einen Versprecher Kruses, der ihm in einer Situation unterlaufen ist, die er selbst mit aufgeheizt hat. Tausende gehen für ein friedliches Zusammenleben auf die Straße. Und die übrigen Parteien lassen sich nicht infizieren von den Wutbürgern. Sie mahnen, wie CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich: „Wir dürfen uns weder einschüchtern noch aufhetzen lassen.“ Selten war staatstragend so sympathisch.
Nein, es geht am 15. Februar nicht um den Islam, um Einwanderung, um den Terror, darüber befindet die Bürgerschaft nicht. Es geht allenfalls um die Frage, ob die AfD erstmals auch im Westen in ein Parlament einzieht – eine Partei, die die Politikverdrossenheit bekämpfen will, indem sie die etablieren Parteien in den Schmutz zieht.
Für Hamburg geht es vor allem um eine gute Gelegenheit, zu zeigen, wie weltoffen die Stadt tatsächlich ist.